Sächsische Zeitung, 12.12.2001
Grand ohne Vieren
"Biedenkopf hält keine Trumpf mehr in der Hand"
Jeder Kartenspieler kennt die ausweglose Situation. Man hält ein mäßiges Blatt in der Hand und hat, sei es aus Unachtsamkeit, sei es aus Überheblichkeit, überreizt. Die Hoffnung ruht nun auf dem Skat.
So ähnlich muss sich Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf fühlen. Er hat keinen Trumpf in der Hand. Aber er muss das Spiel machen. Noch vor einem Jahr war das alles ganz anders. Drei Dinge machten damals den ungekrönten Herrscher Sachsens unangreifbar.
Da war zum einen die CDU, die zehn Jahre lang geschlossen hinter ihrem Ministerpräsidenten stand. Die Partei verdankt Biedenkopf viel - und er ihr. Nicht zuletzt drei haushohe Siege bei Landtagswahlen. Doch in dem Moment, da Biedenkopf seinen Rücktritt ankündigte, war es mit der Eintracht vorbei. Die Partei scharte sich hinter einen anderen starken Mann. Und das war ausgerechnet der in Ungnade gefallene Georg Milbradt.
Da waren zweitens die Medien. Jahrelang brauchten sie Biedenkopf als Kohl-Antipoden. Nach dem Ende der Unions-Herrschaft im Bund sank jedoch auch Biedenkopfs Bedeutung. Heute interessiert er bundesweit einfach nicht mehr. Und in sächsischen Medien macht er seit fast einem Jahr nur noch negative Schlagzeilen. Und da sind drittens die Sachsen. Sie standen treu zu ihrem Ministerpräsidenten. Die Paunsdorf- und die Schevenstraßen-Affäre konnten und wollten viele nicht nachvollziehen. Doch seit dem - eigentlich lächerlichen - Vorfall bei Ikea wächst gerade bei den „einfachen Leuten“ der Eindruck, dass hier jemand den Sinn für Realitäten verloren hat. Schamhaft wenden sich viele ab ob dieser Unverfrorenheit.
Jetzt hofft Biedenkopf auf einen letzten Trumpf aus dem Skat: Er muss einen in seinen Augen geeigneten Nachfolger finden. Doch aus der Garde der Jüngeren will sich keiner mehr in ein aussichtsloses Gefecht schicken lassen. Es bleibt Biedenkopf nur ein Grand ohne Vieren mit schwachem Blatt. Hinzu kommt, zu allem Überfluss für Biedenkopf, noch eine unangenehme Tatsache: Neulich hatte er in ganz anderem Zusammenhang erklärt, dass er gar kein Skat spielen kann.
(Christian Striefler)
