Sächsische Zeitung, 15.12.2001
Biedenkopfs sehen sich nicht vom Geiz getrieben
Die Dresdner Politik dreht sich um Ikea, Karstadt und die Kamenzer Gewerbemesse
Angeheizt durch Spekulationen über einen unmittelbar bevorstehenden Rücktritt von Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) versammelt sich im Dresdner Landtag am Freitag eine Heerschar von Journalisten. Fernsehteams aus ganz Deutschland sind angereist. Ein Sender überträgt die Pressekonferenz sogar live. Der Ministerpräsident ist in "schweren Turbulenzen", wie er selber eingesteht.
Mehrmals hatten am Vormittag Vertreter von SPD und PDS Biedenkopfs Rücktritt gefordert. Das ist normal. Aber erstmals regt sich ganz offen auch in der CDU der Unmut über den Ministerpräsidenten und seine Frau. Bereits am Dienstag wollten Teile der CDU-Mittelstandsvereinigung Biedenkopf zum Rücktritt auffordern. Ein entsprechender Beschluss scheiterte jedoch knapp. Am Donnerstag dann forderten mehr oder weniger deutlich vier CDU-Abgeordnete seinen Rücktritt. Doch die Mehrheit in der Fraktion will keinen unehrenhaften Abgang Biedenkopfs - egal was kommt, egal wie laut Deutschland über den Rabatthandel seiner Frau lacht.
Mehr als die Hälfte der Pressekonferenz dreht sich um genau dieses Thema. Die Rabatte bei Ikea und Karstadt (jeweils 15 Prozent) habe seine Frau im Grunde nicht für sich ausgehandelt, verteidigt sich Biedenkopf. Es sei auch gut möglich, dass es noch weitere Fälle gibt. Das habe seine Frau schon immer so gemacht. "Aber das ist nicht zu unserer Bereicherung. Das haben wir nicht nötig." So etwa 10 000 bis 20 000 Mark (5 113 bis 10 226 Euro) brächten er und seine Frau für karitative Zwecke jährlich auf.
Alles was das Ehepaar Biedenkopf durch Rabatte eingenommen habe, werde für karitative Zwecke eingesetzt, erklärt er den erstaunten Zuhörern. "Wir haben ein absolut reines Gewissen. Denn wir sind nicht vom Geiz getrieben." Bei Ikea und Karstadt heißt es allerdings, Frau Biedenkopf habe bei ihrem Rabatthandel niemals dieses Argument angeführt.
Biedenkopf hat sich nicht vorstellen können, welchen Sturm der Entrüstung diese Sonderbehandlung ausgelöst habe. "Man kann doch wohl mal einen Fehler machen", erklärt er. Aber wegen Ikea tritt man nicht zurück. Nicht am Freitag und auch nicht in den nächsten Tagen.
Unglaubliches Intrigantenstadl
Biedenkopf deutet zwar an, dass sein Rücktritt doch früher sein könne als ursprünglich geplant. Inoffiziell wird von der Staatskanzlei sogar das erste Quartal 2002 genannt. Aber das alles könnte auch nur eine neue Variante in einem Machtkampf um seine Nachfolge sein, der nunmehr seit einem Jahr anhält. Wie zwei Florettfechter belauern sich Biedenkopf und CDU-Chef Georg Milbradt. In diesem Gefecht geschieht mehr hinter als vor den Kulissen.
Und Milbradt ist möglicherweise in eine Falle Biedenkopfs gelaufen: Am Freitag war in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" eine kurze Episode aus Kamenz zu lesen. Bei einer Gewerbemesse habe Frau Biedenkopf 1998 Honig und Töpferwaren im Wert von 200 Mark erworben, ohne sie zu bezahlen. Die Landrätin Andrea Fischer erklärt dazu, sie habe die ihr peinliche Situation später bereinigt, um keine Staatsaffäre daraus zu machen.
Jeder im politischen Sachsen weiß, dass Fischer zu den engsten politischen Freunden Milbradts gehört. Jeder in der CDU musste denken, jetzt habe Milbradt eine Geschichte an die Presse gegeben, um Biedenkopf den Rest zu geben. Schließlich hatte er erst am Mittwoch gefragt: "Kommt da noch was, Kurt?"
Bei der Pressekonferenz geht Biedenkopf ungefragt auf die Episode ein, sagt, er habe persönlich mit der Händlerin gesprochen. Es sei alles ganz anders gewesen. Es ging nur um drei Honigtöpfchen für 26,50 Mark. Seine Frau habe zufällig kein Geld dabei gehabt und Frau Fischer habe angeboten, die Sache zu übernehmen.
Ob Milbradt etwas mit der Sache zu tun haben könne? "Nein. Das kann ich mir nicht vorstellen", sagt er. Möglicherweise hat er damit sogar Recht. Denn von Milbradts Anhängern wird versichert, keiner habe die Sache verbreitet. Vielmehr sei sie von Biedenkopfs Leuten bewusst falsch gestreut worden, um ein schiefes Licht auf Milbradt zu werfen. Man mag das alles kaum glauben. Aber so geht es im Augenblick zu im Dresdner Intrigantenstadl.
(Von Christian Striefler)