Karl Nolle, MdL

WELT am SONNTAG, 30.12.2001

Ingrid Biedenkopf: "Ich bin ein Smart Shopper" - Kurt Biedenkopf: "Ach, Ingrid, du wurdest geprüft und aufs Eis geführt"

Erstmals äußert sich das Ehepaar Biedenkopf über die Rabatt-Affäre. Beide wehren sich gegen den Vorwurf der Raffgier
 


Von Dagmar von Taube

WELT am SONNTAG: Sind Sie geizig, Frau Biedenkopf?

Ingrid Biedenkopf: Ich bin sparsam. Ich habe immer versucht, Dinge preiswert zu erstehen, schaue auch immer im Schlussverkauf. Ich hatte nie sehr viel Geld zur Verfügung. Ich ziehe mich schön an - weil mein Mann Freude daran hat.

WamS: Stammen Sie nicht aus einer sehr wohlhabenden Familie? Dieses schöne Haus am Chiemsee gehört Ihnen ...

Ingrid Biedenkopf: Ja, ich hatte einen gut betuchten Vater. Aber er hatte andere Frauen und Kinder, die haben sehr viel Geld gekostet. Ich habe von ihm nichts geerbt. (Leiser) Aber ich bin nicht neidisch. Ich habe immer schon gerne viel für andere getan. Nie für mich. Und ich stehe dazu, dass ich sparsam bin. (Lächelt) Nur nicht, wenn es um meinen Mann geht. Für ihn ist mir nichts teuer genug.

WamS: Dann tut man Ihnen, so wie man Sie jetzt darstellt, also Unrecht?

Ingrid Biedenkopf: (stutzt): Ich habe die vielen Artikel nicht verfolgt. Das tu' ich mir nicht an.

WamS: Wie fühlen Sie sich, wenn Sie so demontiert werden?

Ingrid Biedenkopf: Ich habe ein gutes Gewissen. Was ich gemacht habe, habe ich für andere Menschen getan. Man muss sich mal vorstellen: Ich habe mit meinen Benefizveranstaltungen und meinem sozialen Engagement in zehn Jahren mehr als sieben Millionen Mark gesammelt, hunderten von Familien geholfen, Häuser, Wohnungen, Arbeitsplätze organisiert. Das SOS-Kinderdorf mit aufgebaut, eine Multiple-Sklerose-Stiftung ins Leben gerufen mit einem Kapital von einer Million Mark, eine Organisation für Straßenkinder unterstützt und vieles mehr. Vielleicht habe ich mich zu sehr eingebracht. Aber so bin ich nun mal, ich helfe einfach gern.

WamS: Und da brauchten Sie zur Unterstützung Ihr Personal?

Ingrid Biedenkopf: Sonst hätte ich mich nicht so engagieren können. Das Personal des Gästehauses mussten wir in Anspruch nehmen, da wir in unserem Appartement keine eigene Küche und keine Möglichkeit zu waschen hatten. Wir hatten keinen eigenen Haushalt. So hat uns der Koch das Frühstück gemacht. Wir haben die Zutaten gezahlt. Wie sollte das sonst funktionieren? Wir hatten ab und zu auch Personal am Chiemsee, um mich zu entlasten und um Gäste zu betreuen. Aber uns hat nie jemand gesagt, dass das ein Problem werden könnte.

Kurt Biedenkopf: Wenn man mir 1994 gesagt hätte, dass der Rechnungshof mit dem Personal in unserer Wohnung im Gästehaus Probleme hat, wären wir gleich ausgezogen.

WamS: Haben Sie, rückblickend gesehen, Fehler gemacht?

Kurt Biedenkopf: Sicher haben wir auch Fehler gemacht. Ich hätte mich wohl mehr um die Einzelheiten kümmern müssen. Aber es ist eine unglaubliche Boshaftigkeit, wie jetzt eine Meute über meine Frau herfällt. Das ist Rufmord.

Ingrid Biedenkopf: (leise) Ach, Schätzchen, nicht doch ...

Kurt Biedenkopf: (wütend): Entschuldige mal, das ist doch die Wahrheit. Suche dir mal die Frau eines Ministerpräsidenten, die oft zwölf Stunden am Tag mit vier Mitarbeitern arbeitet, um Menschen zu helfen - ohne einen Pfennig Entschädigung.

Ingrid Biedenkopf: Mein Mann hat früher top verdient, rund eine Million Mark pro Jahr versteuert. Was wir damals als Vermögen gebildet haben, setzen wir jetzt mit ein. Mein Mann würde draußen als Anwalt viel besser verdienen. Der war ein Staranwalt. Wenn man als PolitikerGattin ein kleines Gehalt bekäme, wäre das auch etwas anderes. So müssen wir haushalten. Deshalb habe ich auch eine Karstadt-Kundenkarte wie viele andere.

WamS: Die Vorwürfe, alles Unterstellungen, Gemeinheiten, wie Sie sagen - wie geht man damit um?

Kurt Biedenkopf: Das muss man wegstecken. Aber in mir kocht es, wenn ich lesen muss, dass meine Frau geizig sein soll!

Ingrid Biedenkopf: Ach, Kurt Hans, ich lese das ja nicht.

Kurt Biedenkopf: Dass du das Geld zusammenraffst ...

Ingrid Biedenkopf: Ja, das tue ich ja auch!

Kurt Biedenkopf: Statt auch nur einmal nachzufragen, warum du denn Rabatt haben willst: Damit du das ersparte Geld für Soziales verwenden kannst. Wir selbst brauchen doch keinen Rabatt!

WamS: Wie war das genau mit dem Rabatt bei IKEA?

Kurt Biedenkopf: Wir haben uns gefreut, als IKEA nach Dresden kam. Meine Frau hat bei unserem ersten Besuch den Vizegeschäftsführer gefragt, ob das Haus auch Rabatt gewährt. Früher hatten wir ein Firmenkonto bei IKEA. Meine Frau hat sogar noch ehrlich gesagt: Wir haben aber keine Firma mehr.

Ingrid Biedenkopf: Genau. Wir wollten nichts türken. Daraufhin hat er uns einen anderen Vorschlag gemacht: dass man normal bezahlt und dann mit der Rechnung zu einer extra Kasse geht. Dort wird der Rabatt vergütet. Wir sind also ganz normal durch die Kasse gegangen.

Kurt Biedenkopf: Meine Frau ist dann zur Kundenkasse gegangen und bekam die 132 Mark vergütet; da war ich schon am Auto.

WamS: IKEA sagt, es gebe generell keine Rabatte, alle Kunden würden gleich behandelt. Wie haben Sie das dann geschafft?

Kurt Biedenkopf: Weil der Vizegeschäftsführer das angeordnet hat. Wir hätten nie Rabatt verlangt, wenn er uns nicht auf Anfrage vorgeschlagen worden wäre.

Ingrid Biedenkopf: Wieso denn nicht, Kurt? Das sehe ich gar nicht ein. Wenn man sparen kann, soll man das tun und das Geld sinnvoll für soziale Zwecke einsetzen.

WamS: Bereuen Sie heute?

Kurt Biedenkopf: Ja. Aber was sich daraus entwickelt hat, ist ein völlig unverhältnismäßiger Vorgang. Es ist eine Charakterzerstörung. Widerlich. Und dann wird meine Frau noch als jemand vorgeführt, der "Shoplifting" macht! Nie hat es so etwas gegeben.

Ingrid Biedenkopf: Ich nehme das alles nicht so tragisch. Ich habe nur zwei hässliche Briefe bekommen.

WamS: Würden Sie wieder nach Rabatt fragen?

Ingrid Biedenkopf: Selbstverständlich. Ich habe ein reines Gewissen. Der Herr von IKEA hätte mir doch sagen können, dass IKEA keine Rabatte gewährt. Ich wusste nicht, dass andere Leute, die auch viel kaufen, keinen bekommen.

WamS: Was haben Sie mit den gesparten 132 Mark gemacht?

Ingrid Biedenkopf: Ich habe eine Babydecke für die Organisation "Babyklappe" gekauft.

WamS: Ihr privates Geld?

Ingrid Biedenkopf: Natürlich. Es macht mir Freude, wenn ich etwas günstig kriegen kann. Je mehr ich günstig kriegen kann, desto mehr kann ich Menschen beschenken. Ich bin sozusagen ein "Smart Shopper".

WamS: Als Frau Biedenkopf nach Rabatt zu fragen, war das nicht etwas ungeschickt?

Ingrid Biedenkopf: Wahrscheinlich bin ich zu blauäugig. Aber es gibt schließlich auch das Rabattgesetz.

WamS: Können Sie schmunzeln, wenn Thomas Gottschalk in seiner letzten "Wetten-dass..?"-Sendung ausgerechnet in Dresden witzelt: Die Biedenkopfs konnten leider nicht kommen, die Freikarten waren schon aus?

Ingrid Biedenkopf: Nein. Wir hatten tatsächlich acht Freikarten und haben alle verschenkt.

WamS: In einer Sendung zu Gunsten Not leidender Kinder nahm er Ihnen Ihren Schal vom Hals, um ihn zu versteigern. Sie schienen nicht amüsiert ...

Ingrid Biedenkopf: Er war ein Geschenk meiner Tochter. Darum habe ich auch eine Sekunde gezögert. Man hätte mich ja auch vorher fragen können. Aber ich hätte ihn immer gern gegeben.

Kurt Biedenkopf: Ach, Ingrid, du wurdest geprüft und aufs Eis geführt. Und das, obwohl du aus deinem Notsäckel bereits 30 000 Mark gespendet hattest. Und ich habe noch 3000 Mark draufgelegt. Der Thomas Gottschalk kann mir damit gestohlen bleiben.

WamS: Denken Sie gelegentlich darüber nach, aufzuhören?

Kurt Biedenkopf: Die Dinge nähern sich einem Punkt, an dem man sich fragt, ob das alles noch Sinn macht. Ich werde in den nächsten Wochen darüber nachdenken und mich mit Freunden beraten, wie man erreichen kann, dass sich unser Sachsen weiter so gut entwickelt. Man sollte eine solche Aufgabe nicht länger machen, als man es selbst für nötig hält. Und ich habe eine Menge anderer Dinge vor. Ich klebe nicht am Ministerpräsidenten-Sessel. Ich wollte eigentlich schon 1999 aufhören. Ich bin jetzt fast 72. Und mir gefällt es am Chiemsee sehr gut.

WamS: Sehen Sie durch neue Vorwürfe im Fall Paunsdorf Ihre Position weiter belastet?

Kurt Biedenkopf: Es gibt keine neuen Erkenntnisse. In der Paunsdorf-Geschichte hat uns der Rechnungshof bereits 1997 bestätigt, dass dem Land kein Schaden entstanden ist. Der Rechnungshof selbst war der erste Mieter im Behördenzentrum. Dass mein Freund Heinz Barth jetzt diskreditiert wird, finde ich empörend. Heinz Barth hat mir für den letzen Wahlkampf eine Spende von 50000 Mark angeboten. Die habe ich nicht angenommen.

Ingrid Biedenkopf: Wissen Sie, das alles ist letztlich halb so schlimm. Die Mehrheit der Sachsen steht hinter uns. Und wir beide haben das große Glück, uns zu haben und wundervolle Kinder und Enkel. Wenn wir die Tür hinter uns zumachen, haben wir ein bezauberndes Heim. (Flüstert): Und dann können uns alle mal kreuzweise.

Karl Nolle im Webseitentest
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