Karl Nolle, MdL

BILD-Zeitung Dresden, 09.01.2002

Rücktrittserklärung am 16. Januar

Wer kommt, wenn Biedenkopf geht?
 
DRESDEN. Nach einem ganzen Jahr voller Miet-Affären, Putzrauen-Affären und Rabatt-Affären wirft Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (71, CDU) hin! Der Regierungschef wird schon heute in einer Woche den Termin für seinen Rücktritt erklären.

Anlass war eine streng abgeschirmte Kabinettssitzung gestern Vormittag in Dresden. Selbst die engsten Mitarbeiter der Minister wurden rausgeschickt. Dann sprach Biedenkopf das Thema selber an: ein schneller Abgang oder weiter durchhalten?

Führende CDU-Mitglieder hatten ihn schon vor den Weihnachtsferien zum Rücktritt gedrängt.

Jeder Minister lobte erst Biedenkopfs Lebensleistung, seine enorme Aufbauarbeit für das Land. Dann wurde Klartext gesprochen.

Wirtschaftsminister Kajo Schommer CDU) drohte: „Wenn es nicht schnell geht, trete ich zurück." Selbst Biedenkopfs treu ergebener Staatskanzleichef Georg Brüggen (CDU) nahm kein Blatt vor den Mund: "Die CDU ist bei der Bevölkerung unten durch!" Umweltminister Steffen Flath (CDU) zeigte sich resigniert: „Wir gehen bei der Wahl 2004 sowieso unter."

Am Ende war das Votum einstimmig. Alle elf Minister erteilten dem MP den Rat: eine „schnelle Veränderung ist das Beste für Biedenkopf und seine Familie." Also schneller Rücktritt.
Biedenkopf: Ich habe für dieses Land genug getan. Ich muss mir das nicht langer antun..."

Punkt 13 Uhr ging Biedenkopf im graublauen Anzug vor die Presse. Die Hände wie zum Gebet gefaltet, zwischen den Sätzen immer wieder schwer schluckend.

Er wolle sich die Ratschläge der Minister durch den Kopf gehen lassen. „Nächsten Mittwoch werde ich das Ergebnis meiner Überlegungen der Fraktion mitteilen. Der ursprüngliche geplante Zeitraum Ende 2002 wird sich wesentlich verkürzen."

Heißt: Rücktritt in wenigen Wochen. Den genauen Termin nennt er am 16. Januar.

Nach 30 Minuten war alles gesagt. Die Hände auf den Rücken gefaltet und schweren Schrittes stieg Kurt Biedenkopf die Stufen der Staatskanzlei zu seinem Arbeitszimmer hoch...

Neues Unheil droht Biedenkopfs Ehefrau Ingrid (70): Die Staatsanwaltschaft Dresden ermittelt gegen sie wegen Beleidigung (Aktenzeichen 420 JS 69 772/01).

Hintergrund: In der Talkshow „Riverboot" des MDR hatte Ingrid Biedenkopf über Norbert Steiner (65), Zeuge im Landtags-Untersuchungsausschuss, gesagt: Der ist ja krank!" Steiner zeigte Frau Biedenkopf wegen Beleidigung an.



Wer kommt, wenn Biedenkopf geht?

Als Nachfolger werden iImmer wieder zwei Namen genannt CDU-Chef Georg Milbradt (56) und Umweltminister Steffen Flath (44, CDU). Wirkliche Chancen hat aber nur Milbradt.
Biedenkopf wollte ihn zwar vor einem Jahr politisch erledigen, beschimpfte ihn als "miserablen Politiker" und feuerte Milbradt als Finanzminister. Doch damit begann die schlimmste Regierungskrise in Sachsen seit der Wende. Die CDU stärkte Milbradt den Rücken und wählte ihn gegen den ausdrücklichen Willen Biedenkopfs zum neuen Parteichef.

Bikos Liebling Flath war schon als CDU-Generalsekretär farblos und verlor prompt die Wohl gegen Milbradt. Seither ist sein Ansehen ramponiert. Biedenkopf könnte bei seinem Abgang Flath
noch einmal ins Spiel bringen. Aber mit wenig Aussicht auf Erfolg.



Wie wird der Nachfolger gewählt

Biedenkopfs Abgang beginnt mit einer Erklärung. Lauten könnte sie in etwa so: „Ich erkläre meinen Rücktritt zum 15. März...“

Dann legt der CDU-Landesvorstand sofort den Termin für einen Sonderparteitag fest. Stattfinden könnte er in ca. vier bis sechs Wochen. Der Sonderparteitag wählt einen Kandidaten und schlägt ihn der CDU-Fraktion im Landtag als Nachfolger vor.

Die CDU-Fraktion wird zunächst intern abstimmen. Bekommt der kandidat eine breite Mehrheit, muss er sich vom ganzen Landtag zum Ministerpräsidenten wählen lassen. Neuer Regierungschef ist, wer die absolute Mehrheit gewinnt, also 61 Stimmen.

Da die CDU mit 76 Stimmen schon über die absolute Mehrheit verfügt, kann sie jeden ihrer Kandidaten durchdrücken. Neuwahlen sind also gar nicht nötig.
(Bernd Schullcke und Andreas Harlass)

Karl Nolle im Webseitentest
der Landtagsabgeordneten: