Agenturen, dpa, 10:38 Uhr, 12.01.2002
SPD rückt von Forderung nach Neuwahlen bei Biedenkopf-Rücktritt ab
Dresden (dpa/sn) - Sachsens SPD ist überraschend von der Forderung nach Neuwahlen beim angekündigten Rücktritt von Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) abgerückt. «Wir werden keine entsprechende Forderung in den Landtag einbringen», sagte Landesvorsitzende Constanze Krehl am Freitagabend nach einer Präsidiumssitzung. Grund für den einstimmigen Beschluss sei die ablehnende Haltung der CDU-Mehrheit sowie der größeren Oppositionspartei PDS. In einer noch kurz vor der Sitzung veröffentlichten und von der SPD in Auftrag gegebenen Umfrage hatten sich 74 Prozent der Sachsen für Neuwahlen ausgesprochen.
Auch SPD-Fraktionschef Thomas Jurk, der die Forderung nach Neuwahlen erhoben hatte, stimmte für den Präsidiumsbeschluss. Jurk habe in der Debatte im Präsidium seine Meinung geändert, hieß es. Kurz nach dem Jahreswechsel hatte Jurk argumentiert, die Ergebnisse der Landtagswahl von 1999 hätten nichts mehr mit der Zustimmung der Sachsen für die CDU-Politik zu tun. Deshalb müsse es Neuwahlen geben. Noch nach Bekanntwerden der Umfrage zu Neuwahlen erklärte der Fraktionschef: «Die Sachsen haben 1999 Kurt Biedenkopf gewählt und nicht die CDU. Deshalb wollen sie seine Nachfolge selbst durch Neuwahlen bestimmen und dies nicht kleinen CDU-Zirkeln überlassen.»
Krehl sagte, die SPD wolle sich nunmehr darauf konzentrieren, die CDU zur Sacharbeit zu zwingen. Die Sozialdemokraten wollten versuchen, die Auseinandersetzung mit CDU und PDS vor allem auf den Gebieten Bildung, Hochschulen und Wirtschaft zu suchen.
Biedenkopf steht seit Monaten wegen einer Reihe von Affären unter politischem Druck. Er hatte erst Anfang dieser Woche angekündigt, dass er seine Amtszeit wesentlich verkürzen will. Zum Zeitpunkt des Rücktritts will er sich in der kommenden Woche äußern. Ursprünglich wollte er sein Amt Ende 2002/Anfang 2003 aufgeben. In Sachsen sind 2004 Landtagswahlen.
Die CDU hatte sich im vorigen Jahr darauf verständigt, dass nach einem Rücktritt von Biedenkopf dessen Nachfolger auf einem Sonderparteitag vorgeschlagen wird. Das letzte Wort hat die
CDU-Fraktion, die den Nachfolger dann zur Wahl im Landtag vorschlägt. Biedenkopf selbst will keinen Nachfolger vorschlagen. Als aussichtsreicher Kandidat wird sein früherer Finanzminister Georg Milbradt gehandelt, der im Herbst vergangenen Jahres gegen den Willen des Regierungschefs zum CDU-Landesvorsitzenden gewählt worden war.
dpa/sn st yysn gr
121038 Jan 02