Dresdner Morgenpost, 14.01.2002
SPD-Frau Krehl fällt ihrem Fraktions-Chef in den Rücken
Neuwahlen, ja oder nein?
DRESDEN. Neuwahlen in Sachsen, ja oder nein? Noch ist Kurt Biedenkopf nicht zurückgetreten, da ist in der SPD des Landes ein heilloser Streit entbrannt, wie's weitergehen soll.
Letzte Woche hatte SPD-Fraktions-Chef Thomas Jurk schnelle Neuwahlen nach Biedenkopfs Abgang gefordert. Damit hatte er offenbar die Stimmung im Lande genau getroffen. Eine repräsentative Umfrage ergab: 74 Prozent der Sachsen sind der gleichen Meinung.
SPD-Landes-Chefin Constanze Krehl sieht das offenbar anders. Sie ließ am Wochenende ohne Rücksprache mit der Fraktion verbreiten: „Wir werden keine entsprechenden Forderungen in den Landtag einbringen." Dieser Affront gegen die Abgeordneten ließ gestern hinter den SPD-Kulissen die Wellen hochschlagen. Erst hieß es, Frau Krehl sei „missverstanden worden", dann wurde angekündigt: Klarstellung bis 15 Uhr.
Die kam auch - aber anders als erwartet. Der Morgenpost erklärte Frau Krehl: „Natürlich kann die Fraktion frei entscheiden. Aber ich gehe davon aus, dass sie sich an das hält, was die Partei will." Also: keine Neuwahlen!
Bislang deutet alles darauf hin, dass die SPD-Fraktion den offenen Konflikt riskiert. Der Abgeordnete
Karl Nolle forderte Chefin Krehl auf, den „selbstmörderischen Konfrontationskurs gegen unseren Fraktionsvorsitzenden sofort zu beenden".
Am Mittwoch werden die Abgeordneten über Jurks Forderung abstimmen. Fraktionssprecher Andreas Beese: „Wir entscheiden in Kenntnis des Umfrageergebnisses." Will heißen: Antrag auf Neuwahlen! Und was passiert dann in der SPD? Beese: „Warten wir mal ab... "
(gj)