Sächsische Zeitung, 14.01.2002
"Ich habe meinen Vorschlag nicht zurückgezogen"
SPD-Fraktionschef Thomas Jurk weiter für Neuwahlen
Sachsens SPD streitet über die Forderung nach Neuwahlen. Die SZ fragte Fraktionschef Thomas Jurk.
SZ: Sie haben Neuwahlen im Fall des Biedenkopfs-Rücktritts gefordert. Per Umfrage geben Ihnen drei Viertel der Sachsen recht. Warum machen Sie jetzt einen Rückzieher?
Thomas Jurk: Ich habe meinen Vorschlag nicht zurückgezogen. Das SPD-Präsidium hat sich am vergangenen Freitag mit dem Thema beschäftigt und erklärt, Neuwahlen werden zurzeit allein durch die ablehnende Haltung von CDU und PDS im Landtag verhindert.
SZ: Ihre eigene Landesvorsitzende, die Sie zuvor für die Neuwahl-Forderung sogar öffentlich kritisiert hat, spricht von einem Rückzug. Die SPD-Fraktion, so erklärte Constanze Krehl am Freitag, wolle auf einen entsprechenden Antrag im Landtag verzichten.
Thomas Jurk: Da müssen Sie schon Constanze Krehl fragen, wie sie darauf kommt. Die Fraktion ist eigenständig in ihrer Entscheidung. Auch das verabschiedete Papier des Parteipräsidiums beschreibt nur die aktuelle Situation. Die SPD-Fraktion wird erst am Mittwoch entscheiden, wie sie zum Thema Neuwahlen steht.
SZ: Was wird der Fraktionschef seiner Fraktion dann vorschlagen?
Thomas Jurk: Sie soll in Ruhe alle Faktoren prüfen, die für oder gegen Neuwahlen sprechen. Ich glaube aber, dass man das Votum der Bevölkerung sehr ernst nehmen muss.
SZ: Neuwahlen sind nur sinnvoll, wenn es danach neue Mehrheiten im Parlament gibt. Schielen Sie auch in Sachsen auf Rot-Rot?
Thomas Jurk: Meine Auffassung ist, dass man im Vorfeld von Wahlen nicht öffentlich über mögliche Koalitionen spricht. Dazu gehört aber auch, dass man nichts von vornherein ausschließt. Wenn der Wähler allerdings entschieden hat, muss man über Koalitionen reden.
SZ: In einer aktuellen Emnid-Unfrage liegt Sachsens CDU bei nur noch 43 Prozent. PDS und SPD kommen zusammen auf das gleiche Ergebnis. Liegt das Thema Rot-Rot nicht auf der Hand?
Thomas Jurk: Das ist zumindest eine spannende Konstellation. Und die neuen Ergebnisse zeigen, dass der Einfluss der Sozialdemokraten in Sachsen wieder größer werden könnte, nachdem wir zuletzt nur 10,7 Prozent erzielten.
SZ: Das setzt aber Einigkeit in den eigenen Reihen voraus. Zurzeit gibt es zwischen der SPD-Parteichefin und dem SPD-Fraktionsvorsitzenden aber erhebliche Differenzen.
Thomas Jurk: Mir gegenüber hat die SPD-Landesvorsitzende lediglich darauf hingewiesen, dass zum jetzigen Zeitpunkt ein Antrag der SPD-Landtagsfraktion nicht die nötige Unterstützung von PDS und CDU findet.
Wer aber nur darauf aus ist, die bestehenden Mehrheiten fortzusetzen und den Wunsch von 74 Prozent der Sachsen nach Neuwahlen ignoriert, betreibt politische Erbschleicherei. Man will ohne Biedenkopf, aber mit Biedenkopfs Wahlergebnissen weiter machen wie bisher. Ob das meine Fraktion unterstützt, werden wir am Mittwoch selbstständig entscheiden.
Das Gespräch führte Gunnar Saft