Lausitzer Rundschau - Online, 16.01.2002
Sächsische SPD im Streit um Neuwahlen
Machtkampf in Sachsen SPD
DRESDEN. Die sächsische Nachrichtenlage vom Wochenende war in einem Punkt klar. 74 Prozent der Sachsen sind für Neuwahlen, wenn Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) wie angekündigt zurücktritt.
Die seit elf Jahren mit absoluter Mehrheit regierende CDU hat deutlich an Zustimmung eingebüßt und liegt gerade einmal bei 43 Prozent. Eigentlich müsste angesichts dieser Umfragewerte nun die Stunde der Opposition schlagen. Doch eine gemeinsame Attacke gegen die in der Biedenkopf-Nachfolge uneinige CDU gibt es nicht. Denn SPD und PDS sind im Freistaat beim Zusammengehen längst nicht so weit wie in Berlin. Vielmehr übt sich nun die SPD, der Verlierer der vergangenen Landtagswahl, im internen Streit.
Kontrahenten der am Wochenende offen ausgetragenen Differenzen waren Parteichefin Constanze Krehl und Fraktionschef Thomas Jurk. Jurk ist Befürworter von Neuwahlen. Er sieht sich von den Umfragewerten in seiner Forderung bestärkt: „Es ist Aufgabe der Opposition, die Dinge voranzutreiben.“ Seiner Ansicht nach hat das Ergebnis der Landtagswahl von 1999 nichts mehr mit der Zustimmung für die CDU nach den Affären von Biedenkopf zu tun. Krehl führt jedoch die miesen Erfolgsaussichten dagegen ins Feld, weil sowohl CDU als auch die PDS Neuwahlen ablehnen. Krehls Ansicht nach soll ein entsprechender Antrag erst gar nicht ins Parlament eingebracht werden.
Von der CDU war am Wochenende außer Bekundungen zur entschiedenen Kanzlerfrage der Union nichts zu hören. Sie dürfte intern mit den Vorbereitungen auf diesen Mittwoch beschäftigt sein. Dann nämlich will Biedenkopf seinen Zeitplan für den angekündigten Rücktritt in der Fraktion und anschließend vor der Presse erläutern. Angesichts der eigenen ungeklärten Kandidatenfrage für die Biedenkopf-Nachfolge dürften die neuen Umfragewerte zu denken gegeben haben. Danach kämen auf die Opposition mit 25 Prozent für die PDS und 18 Prozent für die SPD genau so viel Stimmen zusammen wie für die CDU. Die FDP käme bei fünf Prozent ein, damit wäre sie endlich wieder im Landtag. 1999 lag die CDU bei 56,9 Prozent, die PDS bei 22,2 und die SPD bei 10,7.
„Die Affären schlagen auf das Wahlverhalten durch“, frohlockt dagegen die PDS. Erstmal sei eine linke Mehrheit in Sachsen möglich. „Das ist zur halben Legislaturperiode ein ausgezeichneter Etappensieg“, meint PDS-Wahlkampfleiter Rico Gebhardt. Den solle die SPD jetzt nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Es folgte postwendend ein Hinweis auf das rot-rote Bündnis in Berlin und eine dargereichte Hand: Die PDS sehe auch in Sachsen - allerdings unter umgekehrten Kräfteverhältnissen zwischen beiden Fraktionen - die Sozialdemokraten als einen Partner auf gleicher Augenhöhe.
Jurk will dennoch über seinen Neuwahlantrag am Mittwoch in der Fraktion diskutieren. „Schließlich spricht die von uns in Auftrag gegebene Umfrage zu den Neuwahlen eine klare Sprache. „Jurk und Krehl sind bemüht, den Streit um 'Kaisers Bart' beizulegen“, sagte der Fraktionschef am Montag. „Es reicht schon, wenn die CDU sich streitet.“ Das meint Europa-Abgeordnete Krehl auch. Dennoch hält sie es - gestützt auf eine Debatte im Parteipräsidium - für logisch, wenn der Neuwahlantrag offiziell nicht zu Stande kommt.
(Lausitzer Rundschau)