Dresdner Morgenpost, 17.01.2002
Auch wer zu spät geht, wird bestraft
Kommentare und Meinungen
Die ersten Reaktionen in Sachsen auf Biedenkopfs Rücktritts-Fahrplan sind gemischt ausgefallen. SPD-Fraktions-Chef Thomas Jurk drängte Biedenkopf, seinen Schreibtisch sofort zu räumen. Sonst bliebe dem Kabinett nur noch ein dreimonatiges Schaulaufen. Er warf dem Scheidenden vor, mit seiner gestrigen Kritik „verbrannte Erde" zu hinterlassen. Gemeinsam mit der SPD-Landesvorsitzenden Constanze Krehl forderte er Neuwahlen.
Auch der FDP-Landesvorsitzende Holger Zastrow sprach sich für eine Neuwahl des Landtags aus.
„Verkrampft und verbiestert" nannte der PDS-Fraktionsvorsitzende Peter Porsch den Abgang. Er kritisierte Biedenkopfs langes Festhalten am Amt: „Offensichtlich bestraft nicht nur den das Leben, der zu spät kommt, sondern auch jenen, der zu spät geht."
Joachim Dirschka, Präsident des Sächsischen Handwerkstags, bedauerte den frühen Zeitpunkt des Rücktritts. "Biedenkopf hat für Sachsen außerordentlich viel getan." Vor allem viele Großinvestitionen gingen auf dessen Initiative zurück.
Auch Leipzigs OB Wolfgang Tiefensee (SPD) zollte Biedenkopf Respekt für eine „fruchtbringende Zusammenarbeit“. Er hoffe, dass der Stillstand in der Landesregierung nun schnell beseitigt werde.
Der Grünen-Landesvorsitzende Karl-Heinz Gerstenberg drängte trotz des Rücktritts auf weitere Aufarbeitung von Biedenkopfs Affären. Der Freistaat sei dadurch deutschlandweit lächerlich gemacht worden.
Biedenkopf sei „als gepriesener Querdenker“ gekommen und gehe als „störrischer alter Mann“.
(Morgenpost)