Freie Presse, 17.01.2002
Ein starkes Team
Kurt Biedenkopf und die Sachsen
DRESDEN. Als am 19. September 1999 die Wählerstimmen in Sachsen zusammengezählt wurden, hatte Kurt Biedenkopf nicht nur den dritten glänzenden Wahlsieg in Folge errungen, sondern die CDU sogar ganz nah an die Zwei-Drittel-Mehrheit der Landtagssitze heran geführt. Das hätte die verfassungsändernde Mehrheit bedeutet und wäre dann historisch ohne Vorbild gewesen.
Nur zwei Jahre später ist es dem neuen CDU-Vorsitzenden in Sachsen, Georg Milbradt, und seinen Anhängern gelungen, für einen ganz anderen, geschichtlich ebenso beispiellosen Vorgang, genauer gesagt Niedergang, zu sorgen. Die ein Jahrzehnt lang unter Biedenkopf unangefochten den Freistaat regierende und gestaltende Union ist nach den von Milbradt angezettelten Intrigen nun tief gespalten, zerstritten und demoralisiert.
Und der Wähler in Sachsen? Er blickt fassungslos und ohnmächtig auf das Treiben. Die Kampagnen der CDU-Führung, um Biedenkopf zu demontieren, haben die breite Mehrheit der Bevölkerung tief aufgewühlt. Die Umfragen sind deshalb ganz eindeutig. Weil Biedenkopf vor allem auch das Selbstbewusstsein und den Stolz der Sachsen gestärkt hat, begreifen viele seine Beschädigung und den erzwungenen vorzeitigen Rückzug als Angriff auf sich selbst.
Richard von Weizsäcker hat über die Parteifunktionäre den richtigen Satz gesagt, sie seien zugleich machtversessen und machtvergessen. Der Altbundespräsident gab damit der Verdrossenheit der Bürger eine öffentliche Stimme: Machtlos erlebt nämlich die Bürgermehrheit, wie eine durch nichts legitimierte Politikerminderheit die Entscheidungen des Wählers auf den Kopf stellt. Nicht das Volk bestimmt, von wem es regiert werden will, sondern die Parteiapparate. Seit Monaten werden im Dunstkreis der CDU-Spitze solche Listen herumgereicht, wer nach Biedenkopfs Rücktritt sich welches Pöstchen sichern will. Diejenigen, die nun mit Milbradt die Macht ergreifen wollen, haben dabei ganz vergessen, wodurch sie überhaupt zu Ämtern und Mandaten kamen.
Die CDU muss sich entscheiden: Will sie Milbradt und seinen Möchtegerns hinauf an die Karrierespitze helfen? Dann wird sie 2004 die Quittung bekommen und von Rot-Rot abgelöst. Oder will sie nach der einzigartigen Ära Biedenkopf den fälligen Generationswechsel zu den Vierzigjährigen vollziehen? Dann hätte sie sogar die Auswahl zwischen zwei geeigneten Kandidaten: Thomas de Maizière und Stanislaw Tillich. Und Biedenkopf könnte seinen Wählern guten Gewissens zusichern, dass die junge Generation sein Werk fortsetzen wird. Verdient hätten es beide, der Bürger Sachse und sein König Kurt. Denn sie waren zwölf Jahre lang ein starkes Team.
(Dieter Soika)