Sächsische Zeitung, 19.01.2002
Kandidat zwei schweigt
CDU streitet über mögliches Duell Milbradt - de Maiziére / PDS provoziert mit Offerte
Am Tag danach war Finanzminister Thomas de Maiziére (CDU) ungewöhnlich schweigsam. Zwar schüttelte er am Freitag auf den Gängen das Landtages viele Hände und führte jede Menge Telefonate, doch zu den Meldungen über seinen möglichen Antritt als Kandidat für die Biedenkopf-Nachfolge verlor er kein einziges Wort.
Dafür reagierte die Opposition. PDS-Fraktionschef Peter Porsch überraschte mit der Nachricht, dass seine Fraktion unter Umständen bereit sei, einen CDU-Kandidaten mitzutragen. Schnell wurde klar, dass dieser nicht Georg Milbradt heißt. Porsch nannte als Vorbedingung die Umsetzung eines 100-Tage-Programms, das die PDS kürzlich für Sachsens künftigen Regierungschef aufgestellt hat. Darin werden unter anderem Mehrausgaben für Kultur und Wissenschaft gefordert. "Was ich von Herrn Milbradt weiß, wird er diese Kriterien wohl nicht erfüllen", meinte Porsch. Dafür habe sich der CDU-Chef in den letzten Jahren viel zu sehr als Architekt des Systems Biedenkopfs engagiert. Bei anderen Kandidaten deutete Porsch dagegen Spielräume an. "Wir müssen alle ausloten, ob es bei personellen Veränderungen auch zu Veränderungen in der Politik kommt", so die Botschaft in Richtung CDU.
Spiel auf Zeit und Kampf hinter den Kulissen
Dort wird vorerst auf Zeit gespielt. Während die Anhänger von Milbradt und de MaiziSre hinter den Kulissen auf Stimmenfang gehen, spielt CDU-Fraktionschef Fritz Hähle den Ball bewusst flach. Partei und Fraktion hätten jetzt ein paar Tage Ruhe nötig, beschwichtigte der Biedenkopf-Vertraute. Gleichzeitig versucht er, einem zweiten Bewerber weiter die Tür offen zu halten. "Niemand darf jetzt einfach weggebissen werden, nur weil er seine Hand hebt", forderte Hähle. In einem geordneten Verfahren müssten sich alle einigen, ohne den unterlegenen Kandidaten am Ende politisch kaltzustellen.
An eine faire Auseinandersetzung können aber nicht alle in der Union glauben. So hat ein Treffen von Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) mit dem Delitzscher CDU-Kreischef und Landrat Thomas Czupalla heftige Spekulationen ausgelöst. Czupalla hat noch vor Tagen öffentlich vor Milbradt als Regierungschef gewarnt und verkündet, etliche Kollegen würden das ähnlich sehen. Vermutet wird nun, dass Biedenkopf diese Gruppe gegen seinen Intimfeind Milbradt in Stellung bringen könnte. Das sorgt für Missmut. "Mit seiner bösen Rücktrittserklärung hat Biedenkopf die letzte Kugel verschossen, nun ist nur noch Schmutz im Lauf", so ein CDU-Landtagsabgeordneter. An der Stimmungslage der Basis hat sich bisher nichts geändert. In einer aktuellen Umfrage von MDR-Online votierten die meisten CDU-Kreischefs für Milbradt. Doch da gab es noch keinen zweiten Kandidaten.
(Von Gunnar Saft)