Karl Nolle, MdL

MDR-Online, 20.01.2002

Chronik der Affären und Vorwürfe gegen das Ehepaar Biedenkopf

 
Die Pannen des Ministerpräsidenten

Anfang Dezember 2001

Bei einem Einkauf bei IKEA handelt Ingrid Biedenkopf unter Berufung auf das aufgehobene Rabattgesetz einen - bei IKEA unüblichen - fünfzehnprozentigen Rabatt aus. Der juristisch korrekte Vorgang wird Gegenstand von Sitzungen des CDU-Fraktionsvorstandes und und CDU-Landtagsfraktion. Biedenkopf räumt einen Fehler ein. Er will den ausgehandelten Rabatt in Höhe von 132 Mark für soziale Zwecke spenden. Biedenkopf spricht zudem ausdrücklich davon, dass er beim Aushandeln des Rabatts im IKEA-Kaufhaus selbst aktiv beteiligt gewesen sei.


5. Dezember 2001

Die sächsische SPD-Landtagsfraktion fordert Biedenkopf zum Rücktritt auf. "Wer einen Untersuchungsausschuss und damit das Parlament belügt, kann nicht länger Ministerpräsident bleiben", sagt Fraktionschef Jurk. Dass Biedenkopf vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags zum Leipziger Paunsdorf-Center gelogen habe, sei jetzt erwiesen. Die SPD stützt sich auf einen Brief des Kölner Bauunternehmers Barth an seinen Freund Biedenkopf, der in der vorangegangenen Woche aufgetaucht war. Dieser zeige, dass es doch Absprachen über die Anmietung des Behördenzentrums durch das Land gegeben habe. Biedenkopf hatte in der Ausschuss-Sitzung am 26. Februar erklärt, es sei ausgeschlossen, dass Barth Konditionen diktierte.


Juni 2001

Der SPD-Abgeordnete Nolle erstattet Strafanzeige gegen Biedenkopf und den früheren Innenminister Eggert wegen Untreue. Sie hätten Steuergeld veruntreut, indem sie sächsische Polizisten seit 1991 das Haus des Ministerpräsidenten in Bayern bewachen ließen. Tatsächlich beschützen Beamte das ganze Jahr über rund um die Uhr das Haus am Chiemsee - auch in Biedenkopfs Abwesenheit. Nolle bezweifelt, dass dies gerechtfertigt ist. Wenn schon, argumentiert er, dann hätten bayerische Polizisten Wache schieben müssen. Das Dresdner Innenministerium verweist auf aktuelle Gefährdungsanalysen, ohne Details preiszugeben. Dass Leibwächter einen Regierungschef auch über die Landesgrenzen hinaus bewachen, sei völlig normal.


Mai 2001

Das Magazin "Der Spiegel" berichtet, dass sich die Biedenkopfs im September 1999 von dem Geschäftsmann Max Schlereth zu einem Gratis-Aufenthalt auf einer Luxus-Jacht in Monte Carlo einladen ließen. Für die geschäftlichen Interessen Schlereths habe sich der Regierungschef zuvor persönlich eingesetzt. Biedenkopf hält es für "absurd", seinen "besten Freunden" Übernachtungen in Rechnung zu stellen.


Mai 2001

Die Ehefrau des Ministerpräsidenten soll einem Bericht der "Bild"-Zeitung zufolge im Gästehaus der Staatskanzlei Jahre lang eine "schwarze Kasse" geführt haben. Das Blatt beruft sich dabei auf den wirtschaftspolitischen Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Nolle. In die "Handkasse" hätten Minister und Staatssekretäre Beiträge für Essens- und Personalkosten eingezahlt, wenn sie im Gästehaus logierten. Diese Gelder mussten Nolle zufolge eigentlich an die Landeskasse abgeführt werden. Das sei aber nicht passiert.


April/Mai 2001

Die CDU erklärt, sie vermute hinter den Vorwürfen gegen Biedenkopf und Frau Ingrid eine gezielte Aktion, um den Ministerpräsidenten zu diffamieren. "Das ist eine unwürdige und üble Kampagne", sagt Generalsekretär Kupfer. Aus welcher Ecke diese Aktion kommt - darüber will Kupfer nicht spekulieren.

Landtagspräsident Iltgen (CDU) weist unterdessen Berichte der "Sächsischen Zeitung" zurück, wonach sich der Haushalts- und Finanzausschuss des Landtages mit den Mietzahlungen von Ministerpräsident Biedenkopf befassen soll.


April/Mai 2001

Biedenkopf gerät wegen seiner Dienstwohnung im Gästehaus der sächsischen Regierung in der Dresdner Schevenstraße unter politischen Druck. Er soll zu wenig Miete bezahlt haben und noch immer bezahlen. Ein Bericht der Staatskanzlei entlastet Biedenkopf: Seine Wohnung sei kleiner als angenommen. Außerdem müsse man die allgemeine Mietpreisbindung zu Grunde legen. Die PDS-Opposition fordert einen Untersuchungsausschuss, um zu klären, ob der Ministerpräsident zu wenig Miete zahlt. Sie kritisiert den Bericht der sächsischen Staatskanzlei.


April 2001

Neue Kritik an der Familie Biedenkopf: Die "Dresdner Morgenpost" berichtet über die Verschwendung von Steuergeldern. Die Putzfrau der Biedenkopfs werde aus dem Staatshaushalt bezahlt. Die SPD kündigt daraufhin eine Prüfung an. Biedenkopf und seine Frau Ingrid wohnen in einer 1983 als Gästehaus der Staatssicherheit errichteten Villa. Das Gebäude dient heute als Biedenkopf-Wohnsitz und als Gästehaus der Staatsregierung. Nach Zeitungsangaben stehen die Putzfrau und fünf weitere Beschäftigte der Villa auf der Gehaltsliste der Staatskanzlei. Im Stellenplan seien diese Mitarbeiter versteckt, der Arbeitsort sei nicht erkennbar, schreibt das Blatt. Regierungssprecher Sagurna sagt der Zeitung, die Mitarbeiter kosteten dieses Jahr rund 300.000 Mark. Im Stellenplan seien sie unter der Rubrik "Innerer Dienst, Liegenschaften der Staatskanzlei" ausgewiesen.

SPD-Fraktionschef Jurk erklärt, es müsse herausgefunden werden, in welchem Maße die in der Dienstvilla des Ministerpräsidenten beschäftigten Mitarbeiter auch für den Privathaushalt der Biedenkopfs tätig seien. Wer 1.857,03 Mark monatliche Warmmiete für ein Anwesen mit 15 Zimmern bezahle, dem müsse klar sein, dass die Kosten für die Putzfrau darin nicht enthalten sind. Für sämtliche private Leistungen müsse auch privat bezahlt werden, fordert Jurk. Biedenkopf wird in dem Zusammenhang aufgefordert, öffentlich zu den Fragen Stellung beziehen.


März 2001

Die sächsische FDP und die PDS-Landtagsfraktion fordern die Schließung des Büros von Ministerpräsidenten-Gattin Ingrid Biedenkopf. FDP-Landeschef Zastrow erklärt, das mit Steuergeldern finanzierte Büro sei weder demokratisch legitimiert noch notwendig. Die Landesverfassung sehe das Amt der "Ehefrau des Ministerpräsidenten" nicht vor. PDS-Fraktionschef Porsch kritisiert, Frau Biedenkopf sei an allen Verfassungsorganen vorbei in den Rang einer offiziellen Petitionsinstanz erhoben worden. Demokratische Institutionen würden durch persönliche Beziehungen ersetzt. Der FDP zufolge kostet das Büro von Frau Biedenkopf 1,2 Millionen Mark im Jahr. Ihr stünden ein Regierungsdirektor und weiteres Personal zur Verfügung. Ingrid Biedenkopfs Büro beschäftigt sich mit Eingaben und Bittbriefen von Bürgern.


März 2001

Der ehemalige Abteilungsleiter des Finanzministeriums, Muster, sagt vor dem Paunsdorf-Untersuchungsausschuss aus, dass Biedenkopf sich zwischen Juni und November 1993 wiederholt für den raschen Abschluss von Mietverträgen stark gemacht hat. Er widersprach damit, Biedenkopf, der bei seiner Vernehmung den Vorwurf der unzulässigen Einflussnahme zurückgewiesen hatte. Muster hatte im Sommer 1993 die Verhandlungen mit dem Investor übernommen.


Februar 2001

Ex-Finanzminister Milbradt entlastet seinen ehemaligen Chef Biedenkopf in der Paunsdorf-Affäre. Der CDU-Politiker sagt vor dem Untersuchungsausschuss, dem Freistaat sei durch die Anmietung des Behördenzentrums in Leipzig-Paunsdorf kein finanzieller Schaden entstanden. Unter den damaligen Umständen sei die Entscheidung richtig gewesen. Die damals mit dem Kölner Bauunternehmer Barth ausgehandelten Mietkonditionen hätten der Marktlage entsprochen und seien nicht überzogen gewesen.


Februar 2001

Biedenkopf bestreitet vor dem Paunsdorf-Untersuchungsausschuss jegliches Fehlverhalten. Er habe nur eine Großinvestition nach Leipzig holen wollen. Dem Land sei kein Schaden entstanden. Bisher unveröffentlichte Dokumente der Oberfinanzdirektion Chemnitz sollen den Ministerpräsidenten belasten, meldet das Magazin "Der Spiegel". Zudem sollen Vermerke des Staatlichen Liegenschaftsamts mit Sitz in Leipzig zeigen, dass bei der Anmietung des Bürozentrums zuständige Behörden umgangen worden seien.

Laut "Spiegel" geht aus diesen Vermerken hervor, dass das Liegenschaftsamt von einem persönlichen Referenten des Ministerpräsidenten und von einem Abteilungsleiter des Finanzministeriums zu dem Vertragsabschluss gedrängt worden sei. Das Gutachten der Oberfinanzdirektion belege, dass Rechtsvorschriften missachtet, keine Vergleichsangebote eingeholt und andere Immobilien nicht auf ihre Eignung zum Unterbringen der Behörden geprüft worden seien.


Februar 2001

Der Paunsdorf-Untersuchungsausschuss lehnt es ab, die Räume von Ministerpräsident Biedenkopf nach mutmaßlich zurückgehalten Akten zu durchsuchen. CDU-Ausschussmitglied Jahr sagte, die von der PDS angeführten Argumente seien zu ungenau formuliert gewesen. Vor einer Beschlagnahmung müssten alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um gewünschte Akten zu sichten.


Februar 2001

Die PDS-Landtagsfraktion fordert eine Sondersitzung des Paunsdorf-Untersuchungsausschusses. Sie kündigt an, mit Hilfe des Amtsgerichtes aus ihrer Sicht zurückgehaltenes Beweismaterial bei Ministerpräsident Biedenkopf beschlagnahmen zu lassen. Die PDS glaubt, dass einige Akten gesondert geführt wurden. Die Staatskanzlei hatte das schon früher dementiert.


Januar 2001

Die sächsische Generalstaatsanwaltschaft dementiert einen Zeitungsbericht, sie habe Ermittlungen gegen Ministerpräsident Biedenkopf behindert. Die "Leipziger Volkszeitung" hatte geschrieben, ihr liege ein Vermerk der Leipziger Staatsanwaltschaft vor, in dem die übergeordnete Generalstaatsanwaltschaft in Dresden von weiteren Ermittlungen in der so genannten Paunsdorf-Affäre abrate. In dem Papier vom März 2000 heiße es wörtlich, die Leipziger Staatsanwältin solle "gar nichts unternehmen. Man solle alles so lassen, wie es ist." Daraufhin hätten die Ermittler in Leipzig auf eine Vernehmung Biedenkopfs und eine mögliche Durchsuchung verzichtet.


Dezember 2000

Im Untersuchungsausschuss zur so genannten Paunsdorf-Affäre bricht neuer Streit aus. Die CDU setzt mit ihrer Mehrheit in diesem Gremium durch, Ministerpräsident Biedenkopf am 12. Februar 2001 vorzuladen. Einen Tag später soll Finanzminister Milbradt vernommen werden. Die SPD kritisiert den frühen Termin. Hier solle wohl Biedenkopf ein Persilschein ausgestellt werden, bevor alle Fakten auf dem Tisch liegen, sagte SPD-Obmann Nolle.


Oktober 2000

Der Paunsdorf-Untersuchungsausschuss fordert die Staatsregierung auf, alle Akten bis zum 15. Oktober zu übergeben. Andernfalls werde geklagt, kündigt der stellvertretende Ausschussvorsitzende Hahn (PDS) an. Er wirft der Staatsregierung vor, dem Ausschuss wichtige Dokumente vorzuenthalten. Das ergebe sich aus der Liste der übersandten Unterlagen. Einige der 76 Aktenordner seien nicht vollständig, sagt Hahn.


September 2000

Ministerpräsident Biedenkopf soll sich stärker für den Mietvertrag im Leipziger Paunsdorf-Center eingesetzt haben als bislang angenommen. Die Dresdner Morgenpost schreibt, Biedenkopf habe Finanzminister Milbradt Einzelheiten für den Vertrag diktiert. Das Blatt beruft sich auf ein Schreiben vom Juli 1993, in dem Biedenkopf seinen Minister auffordert, den Vertrag schnell und mit einer Laufzeit von 25 Jahren auszufertigen. Außerdem soll er eine automatische Mietanpassung bei steigenden Lebenshaltungskosten vorgegeben haben. Der Büro-Komplex war von einem mit Biedenkopf befreundeten Kölner Bauunternehmer errichtet worden.


August 2000

SPD und PDS bezweifeln, dass der Untersuchungsausschuss Aufklärung schaffen kann. Nach der ersten Sitzung des Gremiums zur so genannten Paunsdorf-Affäre kritisiert die Opposition das Verhalten der CDU-Mehrheit im Ausschuss scharf. PDS-Geschäftsführer Hahn sagt, die CDU sei gewillt, nahezu alles zu unternehmen, um die Arbeit des Gremiums de facto unmöglich zu machen. Der Obmann der SPD-Fraktion, Nolle, kündigt an, ein juristisches Gutachten in Auftrag zu geben, um prüfen zu lassen, ob die strittigen Verfahrensfragen überhaupt zulässig seien. CDU-Obmann Rasch weist die Vorwürfe als Scheingefechte zurück.


Juni 2000

Die Staatsregierung will nun doch eine Stellungnahme zu den umstrittenen Akten-Bewegungen im Zusammenhang mit der Arbeit des Paunsdorf-Untersuchungsausschusses abgeben. Dies geht aus einem Schreiben von Finanzminister Mildbradt (CDU) an die SPD-Fraktion hervor. Zuvor hatte die Staatsregierung die Forderung nach einer Stellungnahme abgelehnt. Nach Ansicht der SPD erhärtet die Vorgehensweise der Staatsregierung den Verdacht, dass es im Zusammenhang mit den Akten etwas zu verschwiegen gibt.


Mai 2000

Der Untersuchungsausschuss zur umstrittenen Vermietung des Leipziger Paunsdorf-Centers sorgt im Landtag für Wirbel. Die Opposition äußert den Verdacht, die Staatsregierung wolle brisante Akten bereinigen. Hintergrund ist eine Anordnung des Finanzministeriums an das Staatliche Vermögens- und Hochbauamt Leipzig, Akten für den im April eingesetzten Ausschuss zusammenzustellen. Der Verdacht wurde seitens der CDU sofort zurückgewiesen.


Mai 2000

Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss zum Paunsdorf-Center ist arbeitsfähig. Der Landtag wählte zuvor in geheimer Wahl zehn Abgeordnete als Mitglieder des im April eingesetzten Gremiums.


April 2000

Das sächsische Parlament beschließt auf Antrag der PDS-Fraktion, dass sich ein Untersuchungsausschuss des Landtages mit den Vorgängen um das Paunsdorf-Center in Leipzig befassen wird. Die PDS will herausfinden, ob Ministerpräsident Biedenkopf (CDU) und weitere Regierungsmitglieder auf den Abschluss von Mietverträgen Einfluss nahmen und dem Land somit Schaden entstand.


Februar 2000

Nach der PDS dringt auch die SPD darauf, die Hintergründe zur Vermietung des Leipziger Paunsdorf-Centers aufzuklären. Die Fraktion bereitet 20 Fragen an die Regierung vor. Damit soll geklärt werden, warum sich Ministerpräsident Biedenkopf (CDU) für den Kölner Großinvestor Barth und die Vermietung von Räumen an Landesbehörden im Paunsdorf-Center eingesetzt habe. Die PDS-Fraktion hatte zuvor beschlossen, einen Untersuchungsausschuss zu beantragen.

Der Bürokomplex neben dem Einkaufszentrum Paunsdorf-Center war von der Baufirma
des mit Biedenkopf befreundeten Unternehmers Barth errichtet worden. Für das 56.000 Quadratmeter große Gelände am Rande von Leipzig wurden 1992 nur 2,6 Millionen Mark bezahlt. Die PDS hält den sich daraus ergebenden Quadratmeterpreis von knapp 47 Mark für außergewöhnlich gering. Später mietete der Freistaat die gesamte Nutzfläche des Komplexes für 25 Jahre und zu einem Festpreis von 23,57 Mark/Quadratmeter, unabhängig davon, ob es sich um Büros, Korridore oder Toiletten handelt. Unter anderem fanden im Leipziger Osten der Rechnungshof, das Leipziger Polizeipräsidium und das Sächsische Staatsarchiv ihren Platz.

Der Landesrechnungshof hatte bereits 1996 überhöhte Mieten und langfristige Mietverträge gerügt und auf Zusatzbelastungen für die Steuerzahler von jährlich rund 1,35 Millionen Mark hingewiesen. Nach Auffassung der PDS entsteht dem Land dadurch ein Schaden von mehr als 100 Millionen Mark.
(MDR-Online) LINK zu MDR-Special: Biedenkopf, Milbradt, CDU

Karl Nolle im Webseitentest
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