Sächsische Zeitung, 24.01.2002
Kluger Verzicht
Biedenkopf-Nachfolge
Der König ist tot. Es lebe der König? Nein, so einfach liegen die Dinge im Freistaat Sachsen nicht. Zwar bleibt jetzt nur noch einer im Kampf um die Nachfolge von Ministerpräsident Kurt Biedenkopf übrig: Wenn kein Wunder geschieht, wird der nächste sächsische Regierungschef Georg Milbradt heißen. Doch egal, ob Milbradt oder ein anderer Christdemokrat an der Spitze des Freistaates steht: Für die CDU sind die glorreichen Zeiten, in denen sie bei Wahlen Traumergebnisse von 56 Prozent und mehr einheimste; vorerst vorbei.
Man kann zu Kurt Biedenkopf stehen wie man will. Er hat zwar den richtigen Zeitpunkt für einen würdigen Abgang aus eigenem Unvermögen heraus verpasst. Doch die CDU hat ihren langjährigen Erfolg in erster Linie ihrem charismatischen Regierungschef zu verdanken. So etwas lässt sich nicht einfach kopieren. Die CDU war mit Biedenkopf außerdem viel zu lange auf eine einzige Person fixiert, so dass jeder Übergang mit erheblichen Reibungen verbunden ist.
Die Union muss sich bei der Landtagswahl 2004 deshalb auf massive Verluste einstellen. Die Parteienbindung der Wähler ist in Sachsen wie in den anderen neuen Ländern im Vergleich zum Westen eher schwach ausgeprägt. Das zeigt schon die Bereitschaft vieler CDU-Anhänger, ihr Kreuzchen bei der Schill-Partei zu machen.
Finanzminister Thomas de Maiziere hat mit seinem klugen Verzicht auf eine Gegenkandidatur zu Milbradt immerhin die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass sich die Sachsen-Union nicht in Diadochen-Kämpfen aufreibt. Vieles hängt jetzt davon ab, ob sich Partei und Fraktion wirklich geschlossen hinter: einen Kandidaten Milbradt scharen. Vor allem Fraktionschef Fritz Hähle muss sich fragen lassen, was ihm jetzt wichtiger ist: Die Nibelungentreue zum bisherigen Regierungschef Kurt Biedenkopf, der Milbradt mit allen Mitteln verhindern Will, oder der Erfolg der CDU. Quertreiber, die hinter den Kulissen gegen den künftigen Ministerpräsidenten agieren, können sich die Christdemokraten jedenfalls nicht leisten.
(Dieter Schütz)