ZDF heute-journal, 14.12.2001
Biedenkopf droht Kritikern
Sächsischer Ministerpräsident will Zeitpunkt für Rücktritt selbst bestimmen
Der wegen zahlreicher Affären umstrittene sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) ist am Freitag in die Gegenoffensive gegangen. Während einer Debatte im Dresdner Landtag zum Thema »Der Ministerpräsident und die Wahrheit« warnte der westfälische Professor vor einer Verunglimpfung von Investoren, rief allen Kritikern zu, es werde nicht gelingen, seine Ehre kaputt zu machen. Er drohte denjenigen mit Klagen, die Unwahrheiten über ihn verbreiteten.
Kultur angemahnt
In Anspielung auf den heftig kritisierten Preisnachlass beim IKEA-Einkaufen wurde Biedenkopf während einer Pressekonferenz gegen Mittag sogar noch witzig: »Ich beantworte gerne Rabattfragen, wenn das das Thema sein soll.«
Selten hatte man die Zuschauertribüne im Landtag so voll gesehen, als der Ministerpräsident vors Mikrofon trat. Landtagspräsident Erich Iltgen (CDU) mahnte gleich zu Beginn eine Aussprache von hoher Kultur an. Während der Rede von Biedenkopf drohte er wegen zahlreicher Zwischenrufe sogar die Unterbrechung der Sitzung an.
Zwischenrufe
Besonders der SPD-Abgeordnete
Karl Nolle fiel auf. »Ich liebe Euch doch alle«, rief er während der Biedenkopf-Rede in Anspielung auf den ehemaligen Stasi-Chef Erich Mielke dazwischen, als dieser in Berlin vor der Volkskammer der DDR im November 1989 seine Abschiedsrede hielt.
Die Landtagsdebatte, die von der SPD unter dem Thema: »Der Ministerpräsident und die Wahrheit« beantragt wurde, bildete den Abschluss einer harten Woche voller Vorwürfe für Biedenkopf. Höhepunkt war am Mittwoch und Donnerstag ein handfester Krach in der CDU-Fraktion, wo Rücktrittsgerüchte um den Regierungschef fast stündlich die Runde im Landtag machten.
Vorwürfe zurückgewiesen
In der Debatte selbst verteidigte sich Biedenkopf vehement gegen den Vorwurf, er habe Einfluss auf die Investition seines Freundes Heinz Barth genommen, als dieser Anfang der 90er Jahre das Leipziger Behördenzentrum »Paunsdorf« in Leipzig gebaut hatte.
Richtig in Rage geriet Biedenkopf, als er die seiner Meinung nach illegalen Veröffentlichungen von Dokumenten aus dem Untersuchungsausschuss aufs Korn nahm. Das Gremium prüft die Frage, ob der Regierungschef oder andere Mitglieder der Staatskanzlei Einfluss auf die Investitionen zum Nachteil des Freistaates ausgeübt hatten.
Keine Entscheidung
Einen Mann hatte der Regierungschef besonders im Visier: Karl Nolle. Er habe mit seinen zahlreichen Pressemitteilungen über ihn ein großes Ausmaß an Infamie in die Sprache gebracht. Und noch eine Belehrung musste sich Nolle anhören. Es sei schon schlimm genug, dass dieser als Drucker mit dem Wort »konzipieren« nichts anzufangen wisse, bescheinigte ihm Biedenkopf.
Wer erwartet hatte, dass dieser Freitag Klarheit für die Zukunft bringen würde, wurde enttäuscht. Ein CDU-Sprecher verkündete, was schon längst alle wissen: Dass nämlich Biedenkopf die Chance gegeben werden soll, sein Amt erhobenen Hauptes zu übergeben. Der PDS-Fraktionschef Peter Porsch sprach von einer jämmerlichen Stunde des Ministerpräsideten.
Rücktritt selbst bestimmen
Er gehe jetzt relativ unbehelligt in die Weihnachtspause und bis zum Januar nächsten Jahres habe sich wieder jeder an den König gewöhnt. Und Biedenkopf selbst verkündete, dass er den Zeitpunkt für seinen Rücktritt selbst bestimme. Zumindest eine theoretische Möglichkeit, dass dies noch vor der Bundestagswahl im nächsten Jahr geschehe, räumte er ein. Ein Mitglied der Fraktion: »Je stärker Biedenkopf unter Druck steht, um so länger bleibt er.«