Mainzer Allgemeine Zeitung, 03.05.2001
Sachsens "König Kurt" zahlt zu viel Miete
Überraschende Erkenntnisse der Staatskanzlei / Für das Ehepaar Biedenkopf sind Putzfrau, Koch und Gärtner inklusive
DRESDEN. Eine "Mietaffäre" Biedenkopf gibt es nun offiziell doch nicht. Wer gestern in Dresden Gegenteiliges erwartet hatte, sah sich enttäuscht. Die Staatskanzlei hatte eine ganz andere Überraschung parat, als sie das Gutachten zu den wochenlangen Vorwürfen gegen Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) vorstellte. Danach hat der Regierungschef möglicherweise sogar zu viel Miete für seine Wohnung im Gästehaus der Staatsregierung gezahlt.
Die Summen sind umstritten, weil es sich um ein Miet- und ein juristisches Gutachten handelt. Ursprünglich war Biedenkopf vorgehalten worden, zu wenig Miete zu zahlen sowie Privates und Dienstliches zu Lasten der Staatskasse vermischt zu haben.
Einige Darstellungen der Regierung zu den Gutachten kamen mit Blick auf frühere Äußerungen einer Rückwärtsrolle gleich. Gesichert war und bleibt der Fakt, dass Biedenkopf und seine Frau seit 1990 im Gästehaus der Regierung wohnen. Das Gästehaus des Freistaates liegt in bester Dresdner Lage. Koch, Putzfrau, Gärtner und Hausmeister inklusive. Nun ist allerdings die Wohnung nicht mehr 155 Quadratmeter, sondern nur noch 130 Quadratmeter groß. Daraus resultieren nun fast 14 000 Mark Miete zu viel seit 1997. Für das Arbeitszimmer muss nichts bezahlt werden, weil Dienstliches und Privates beim Ministerpräsidenten kaum getrennt werden könnten.
Würde die für DDR-Wohnungen übliche Mietpreisbindung mit in Betracht gezogen, kämen noch einmal 45 000 Mark zu viel gezahltes Geld ans Finanzamt hinzu - weil Biedenkopf 90 000 Mark für die Wohnung als geldwerten Vorteil versteuert hatte. Dass in der bisherigen Miete von 1 857 Mark Dienstleistungen von Putzfrau, Koch und Gärtner enthalten sind, wurde nicht moniert. Grund: der gültige Mietvertrag. Dass in anderen Länder die Regierungschefs nicht derart logieren, wurde in die Betrachtung nicht einbezogen.
Nachzahlungen werden dennoch auf den Regierungschef zukommen. Dies dürfte wenigstens die Opposition freuen. Vor allem
Karl Nolle von der SPD-Landtagsfraktion hatte mit Anfragen an die Regierung nicht locker gelassen. Zum einen brachte der Bericht nun zu Tage, dass es Gäste im Gästehaus gab, die im Gegensatz zu früheren Beteuerungen keine Miete zahlten. Mindestens drei Fälle scheinen belegt - Verwandtenbesuche und Feiern zu Weihnachten oder Geburtstagen beim Regierungschef.
Auch für die private Nutzung von Dienstwagen und den Einsatz von Landespersonal in Biedenkopfs Haus am Chiemsee soll laut Gutachten nachgezahlt werden. Nicht alles ist mehr nachzuvollziehen, weil beispielsweise keine Gästelisten geführt wurden: Die Regierung sieht den Grund teilweise in schlampiger Verwaltungsarbeit.
Ob alle Vorwürfe vom Tisch sind, muss sich noch erweisen. Nolle von der SPD machte keinen Hehl daraus, dass er weiter bohren will. Das "System Biedenkopf" soll aus Sicht der Opposition zu Fall gebracht werden. Hält die Debatte an, dürfte das dem Image von Biedenkopf nicht förderlich sein. Der 71-Jährige hat noch immer die Debatte um seine Nachfolge und die damit zusammenhängenden parteiinternen Querelen in der CDU auf dem Tisch.
(Petra Strutz)