Karl Nolle, MdL

Darmstädter Echo, 15.05.2001

Die Biedenkopfs trotzen allen Stürmen

Der sächsische Regierungschef denkt überhaupt nicht daran, "die Brocken hinzuschmeißen"
 
DRESDEN. Kurt Biedenkopf zieht in die Schlacht. "Wir lassen uns nicht irre machen", verkündet er. "Die Brocken hinschmeißen, das steht nicht zur Debatte. Das wird jetzt durchgestanden." Der 71 Jahre alte sächsische Regierungschef will sich nicht aus seinem Amt vertreiben lassen - weder von der unseligen Mietaffäre, die seit Wochen an seinem Ruf kratzt, noch von der allerneuesten Yacht-Affäre, die bohrende Zweifel an seiner Integrität geweckt hat. Für "König Kurt", wie ihn viele seiner Landeskinder liebevoll nennen, sind alle Vorwürfe nur "Getratsche" und "Gegacker" seiner politischen Gegner, die einfach nicht wahrhaben wollen, dass in Sachsen einer regiert, dem keiner das Wasser reichen kann.

Und was ist mit Ehefrau Ingrid, jeder Zoll eine Königin, die den Angriffen und Schlagzeilen mit stolzem Lächeln trotzt? Im Freistaat Sachsen gehen die Uhren einfach anders: Dort regiert kein schlichter Ministerpräsident, dort schweben ein Monarch und seine Monarchin über den Niederungen der Politik. Und dort trifft die "Bild"-Zeitung den Nagel auf den Kopf, wenn sie titelt: "Ehepaar Biedenkopf will nicht zurücktreten".

Dabei hätte Kurt Biedenkopf wissen müssen, was auf ihn zukommt. Schließlich hat er im Fall seines früheren Mentors Helmut Kohl erkannt, dass Politiker nicht um jeden Preis an ihren Posten kleben sollten. "Kohl kann nicht loslassen", spottete Biedenkopf einst über den Altkanzler. Und: "Kohl verhält sich wie ein Bauer, der Schwierigkeiten hat, den Hof an die nächste Generation weiterzugeben."

Viel Nutzen für sich selbst hat Kurt Biedenkopf aus solchen Erkenntnissen allerdings nicht gezogen. Nach den jüngsten Landtagswahlen, die er mit über 50 Prozent der Stimmen gewann, demontierte er erst einmal sämtliche in Frage kommenden Nachfolgekandidaten - vor allem Finanzminister Georg Milbradt, der es gewagt hatte, sich selbst für das Amt des Regierungschefs ins Gespräch zu bringen. Biedenkopf rächte sich im Schnellverfahren: Er stellte Milbradt von einem auf den anderen Tag den Stuhl vor die Tür und beschimpfte den Entlassenen, für den er bis dahin nur Lobesworte ("Gut gemacht, Georg") gefunden hatte, öffentlich als "miserablen Politiker".

Seitdem wird in Sachsen zurückgeschossen. Irgendwo in der Dresdner Regierungszentrale muss ein Informant sitzen, der Opposition und Presse unermüdlich mit brisanten Einzelheiten aus dem Regierungsalltag der Familie Biedenkopf versorgt. Mal tauchen Details aus dem privaten Mietvertrag der Biedenkopfs mit dem Freistaat Sachsen auf. Wieso leben die Biedenkopfs für einen Spottpreis in einer staatseigenen Villa? Und wieso hat Biedenkopf-Gattin Ingrid in einem Gespräch mit dem Liegenschaftsamt "Anregungen zur Gestaltung des Mietzinses formuliert", wie sich aus einem offiziellen Protokoll ergibt? Kaum war die Mietaffäre aus den Schlagzeilen verschwunden, beschäftigten sich die Zeitungen auch schon mit der Yacht-Affäre: Das Ehepaar Biedenkopf hatte im September 1999 kostenlos auf einer in Monte Carlo liegenden Luxusyacht des bayerischen Bauunternehmers Max W. Schlereth gewohnt, der in Dresden gute Geschäfte mit dem Freistaat macht. Wieso war der Aufenthalt auf dem Schiff eigentlich kostenlos? "Weil der geplante Segeltörn ins Wasser gefallen ist", sagt Biedenkopfs Pressesprecher Michael Sagurna, "haben die Biedenkopfs auch nichts bezahlt."

Inzwischen liegen zwei Strafanzeigen gegen die Biedenkopfs vor; die Staatsanwaltschaft prüft zur Zeit allerdings noch, ob gegen das Ehepaar ein "Anfangsverdacht" besteht. Morgen will sich der Sächsische Landtag auf Antrag der PDS mit den Affären und Affärchen des Regierungschefs befassen. Auf freundliche Worte sollte der Ministerpräsident dort allerdings nicht hoffen: Der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle, der die Landesregierung schon seit Wochen mit Anfragen bombardiert, will weitere Details aus dem Alltag der Biedenkopfs wissen. Die PDS verlangt sogar den Rücktritt des Regierungschefs.

Selbst in der CDU schwindet die Sympathie für jenen "König Kurt", der an seinem Thron klebt und dessen unvermeidbarer Rückzug aus der Politik so gründlich zu misslingen scheint. Dabei hätten die Christdemokraten ihrem hoch verdienten Regierungschef so gern einen ehrenvollen Abschied von der Politik bereitet. "Wenn er doch nur für Mitte der Legislaturperiode seinen Rücktritt angekündigt hätte", seufzt ein Parteifreund. "Wir hätten ihm den roten Teppich bis zu seinem Ruhesitz am Chiemsee ausgerollt."
(Darmstädter Echo)

Karl Nolle im Webseitentest
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