Frankfurter Rundschau, 05.04.2001
König Kurts Hofstaat macht Fehler
Biedenkopf will zum Vorwurf der Vorteilsnahme schweigen
DRESDEN. Wie klein ist eine kleine Wohnung? Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf ist seit Jahren davon überzeugt, in beengten Verhältnissen zu hausen. In einer kleinen Zwei-Raum-Wohnung im Gästehaus der Landesregierung lebten er und seine Frau Ingrid, erzählte er noch vor ein paar Wochen. "Wenn Sie da zu Besuch kämen", beschrieb Regierungssprecher Michael Sagurna bei einer Pressekonferenz am Dienstag die Enge, "müssten Sie sich schlank machen, um zwischen Bücherregal und Sofa durchzukommen." Auf die Frage nach den Quadratmetern räumte der Sprecher ein, dass die Biedenkopfs seit einiger Zeit noch zwei Zimmer dazugemietet hätten. Alles in allem vier, aber unter 100 Quadratmeter. Na ja, etwa hundert Quadratmeter. Also, ungefähr 150 Quadratmeter. Und dafür zahlt der Ministerpräsident 1857,03 Mark Warmmiete. "Weit unter Marktniveau", meinte die Sächsische Zeitung.
Mit der König-Kurt-Herrlichkeit geht es in Sachsen zu Ende. Nicht nur, weil der Ministerpräsident nach dem Rauswurf des Finanzministers Georg Milbradt Krach mit der Partei hat, die er mit Rücktrittsankündigungen hinters Licht führte. Richtig unangenehm ist es für den 71-jährigen Professor, seit der SPD-Abgeordnete
Karl Nolle kleine Anfragen zur Dienstvilla und Nutzung von Dienstwagen durch die Biedenkopfs stellt. Nolle, nicht eben ein Busenfreund Biedenkopfs, hat offenbar einen Nerv freigelegt. Bislang war der Dresdner Sozialdemokrat durch plumpes Schimpfen aufgefallen. Doch die Zeiten sind vorbei. Der Druckereiunternehmer weiß jetzt, wie er Biedenkopf quälen kann: Er zielt auf Ingrid, um Kurt zu treffen. Er will sie vor einen Untersuchungsausschuss laden, der mögliche Mauscheleien beim Bau eines Behördencenters untersucht. Das Gebäude hatte ein Freund der Biedenkopfs in Leipzig errichtet. Nolle stochert im Biedenkopfschen Hofstaat, dem Gästehaus, dem Personal und der Dienstwagennutzung herum. "Wer in dem Bereich gräbt, findet immer etwas", heißt es in der Landesregierung. "Da ist etwas ins Rollen gekommen."
Die Landesregierung tut das Dümmste, was sie nur machen kann. "Ich werde hier nicht Wurstscheiben vorrechnen, die privat oder öffentlich gegessen worden sind", kündigte Sagurna an. Er wolle nichts mehr sagen. Anstatt alles offen zu legen, mauert der Hof und zeigt sich beleidigt. Die Folge: Tags darauf konnte Sagurna die unbeantworteten Fragen in der Zeitung lesen. "Hat die Gattin des Ministerpräsidenten einen persönlichen Dienstwagen oder nutzt sie für private Fahrten die Fahrbereitschaft der Staatsregierung? Hat der Koch das Ehepaar Biedenkopf irgend wann einmal an den Chiemsee begleitet?" (Dort haben Biedenkopfs ein Haus).
Die SPD hat nach zehn Jahren erfolgloser Opposition endlich ein Thema gefunden, mit dem sie Biedenkopf richtig den Tag verderben kann. Auch wenn nicht allen die "Privatfehde" Nolles gefällt. "Das ist ein Selbstläufer", freut sich ein SPD-Mann. In der CDU-Fraktion sieht man das ähnlich, nur ohne Freude. Dort geht die Angst um.
(Bernhard Honnigfort)