Lausitzer Rundschau, 24.04.2001
"Putzfrauenaffäre" beschäftigt Justiz
Dresdner Rechtsanwalt wirft Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) Steuerhinterziehung vor
Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) weilt zu einem Arbeitsbesuch in den USA, unterdessen schwelt die "sächsische Putzfrauenaffäre" in Dresden weiter. Ist Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) ein Steuerbetrüger?
Diese Frage beschäftigt nun die Justiz, nachdem der Dresdner Rechtsanwalt Michael Sturm den Ministerpräsidenten Ende vergangener Woche bei der Staatsanwaltschaft angezeigt hat, mit "der Bitte um Überprüfung eines Anfangsverdachts, insbesondere der Steuerhinterziehung, der Beihilfe hierzu und aller weiteren in Betracht kommenden Delikte." Zudem ist der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle mit einer Organklage vor das Verfassungsgericht in Leipzig gezogen, in der er sich über eine seiner Meinung unzureichende Beantwortung einer Anfrage bezüglich der Mietverhältnisse des Ministerpräsidenten beschwert.
"Das ist schlichtes Einkommenssteuerrecht", sagt Sturm, im Hauptberuf Strafverteidiger und SPD-Mitglied. Er will beim Studium der Berichterstattung über die Wohnverhältnisse des Ministerpräsidenten und Äußerungen der Staatskanzlei auf Unstimmigkeiten gestoßen sein.
Da ist zum einen der Mietpreis von 8,15 Mark je Quadratmeter, den der Ministerpräsident zahlt, der auf einen Mietvertrag der Staatsregierung mit der Treuhand-Liegenschaftsgesellschaft (TLG) zurückgeht. Nach Auffassung Sturms, der selbst einmal in der Gegend gewohnt hat, ein "schweinegünstiger Preis" in dieser Top-Lage Dresdens. Er glaubt, dass der Betrag auf dem freien Wohnungsmarkt bei rund 15 Mark liegen dürfte. Die Differenz, so argumentiert der Anwalt, müsse der Ministerpräsident, wenn schon nicht bezahlen, so doch als eine Art "Sachzuwendung" zuzüglich zu seinem Gehalt als so genannten "geldwerten Vorteil" zumindest versteuern.
Staatsanwalt prüft AnzeigeGleiches treffe auf die Inanspruchnahme von Putzfrau, Koch und Gärtner zu, deren Serviceleistungen in Biedenkopfs Nebenkosten von 3,80 Mark je Qudratmeter, insgesamt 600 Mark monatlich, enthalten sein sollen. Auch das findet der Anwalt viel zu günstig, der einen Betrag von rund 3850 Mark errechnet hat, den Biedenkopf monatlich zusätzlich versteuern müsste, und das seit Jahren. Die Staatsanwaltschaft Dresden will die Anzeige Sturms pflichtgemäß prüfen. Nach Darstellung von Behördensprecher Claus Bogner habe die Staatsanwaltschaft die Berichterstattung über die Wohnverhältnisse der Biedenkopfs durchaus zur Kenntnis genommen. Einen Anfangsverdacht für eine Straftat habe man allerdings bislang nicht gesehen.
Nahrung erhält der Verdacht Sturms durch eine recht kurzgehaltene und ausweichende Antwort der Staatsregierung auf eine Anfrage des SPD-Abgeordneten Karl Nolle, die sich auf die Höhe und die Versteuerung des so genannten geldwerten Vorteils Biedenkopfs bezog. Wegen dieser Anworten ist Nolle, der sich in seinem Fragerecht nicht ganz ernst genommen sieht, vor das Landesverfassungsgericht in Leipzig gezogen. Doch Nolle spricht weitere Verdächtigungen aus.
So will er erfahren haben, dass Landesmutter Ingrid Biedenkopf auch die Hubschrauberstaffel der Polizei für private Zwecke nutze. Nolle spricht von mindestens einem Fall, in dem sie allein zu einem Krankenbesuch geflogen sein soll. Zudem will er Auskunft haben, warum sich die Regierung zwei teure gepanzerte Dienstwagen angeschafft habe, die von den Biedenkopfs auch privat genutzt würden. Justizminister Manfred Kolbe (CDU) soll seit September vergangenen Jahres bis Karfreitag ohne Mietzahlungen im Gästehaus der Staatsregierung gewohnt haben.
Nolle lässt nicht lockerDie Gerüchteküche brodelt. Jedweden Verdächtigungen ist mittlerweile Tür und Tor geöffnet. Nolle, der bei Wortgefechten im Landtag immer einen etwas groben Stil pflegt, will Hinweise aus Kreisen der CDU und der Polizei bekommen haben. Er räumt ein, dass er sich mit seinen Attacken selbst in den eigenen Reihen nicht nur Freunde mache. Es müsse aber aufgezeigt werden, sagt Nolle, dass Sachsens Ministerpräsident so weit in persönliche und politische Schwierigkeiten verstrickt sei, dass er dem Freistaat mehr schade als nutze. Biedenkopf solle in den Ruhestand gehen.
Nolle hat weitere Anfragen gestartet. Das Justizministerium reagiert mit dem Hinweis, dass Kolbe seine Miete bei Erhalt der Rechnung beglichen habe. Die Anfragen Nolles würden termingemäß beantwortet, heißt es bei der Staatsregierung.
(von Ralf Hübner)