Frankfurter Rundschau, 28.04.2001
Die CDU in Sachsen sucht ihre Mitte und sieht - ein Vakuum
Das Grübeln über die Nachfolge von Ministerpräsident Biedenkopf führte bisher zu keinem befriedigenden Ergebnis
DRESDEN. Ist Erwin Teufel ein Kartoffelsack? Versteht man Thomas Fiedler, den CDU-Kreisvorsitzenden von Plauen, richtig, dann ist der baden-württembergische Ministerpräsident einer. Im Schwabenländle könne die CDU nämlich einen Kartoffelsack aufstellen, der würde im Zweifel immer gewählt. In Sachsen sei das anders, meinte der Jungpolitiker aus dem Vogtland. In Sachsen hätten die Menschen immer zuerst Kurt Biedenkopf und dann die CDU gewählt.
Fiedler sagte dies am Donnerstagabend, als CDU-Leute aus dem Vogtland und Erzgebirge meinten, Kurt Biedenkopf vor Kritikern aus der CDU retten zu müssen. Es sei ihnen ein Bedürfnis, den verdienten Ministerpräsidenten nicht im Regen stehen zu lassen, sagten die Unionsleute. Und dass der "MP" ihr Vertrauen verdiene. 16 CDU-Kreisverbände stünden hinter ihnen, elf nicht - was zwar Spaltung bedeutet, jedoch nichts darüber sagt, wo die Mehrheiten wirklich liegen: Die CDU-Verbände der Großstädte Dresden, Leipzig und Chemnitz machten bei der Sympathiekundgebung für König Kurt nicht mit.
Wie weit ist es gekommen mit der Union nach zehn goldenen Jahren in Sachsen! Die CDU ist kopflos und gelähmt, seit Biedenkopf Ende Januar seinen Finanzminister Georg Milbradt demütigte und rauswarf, weil er ihn hinter Intrigen vermutete. Seitdem Vorwürfe erhoben werden, Biedenkopf habe es sich mit seiner Familie in der Dresdner Dienstvilla zu gut gehen lassen, ist die CDU wie in Trance. Die 16 503 Mitglieder zählende Partei, die davon träumte, in Sachsen eine Art CSU zu werden, bricht gerade auseinander. Es wird offen gestänkert, niemand hält sich mehr an Vereinbarungen, keiner weiß, wie es besser werden könnte. Partei- und Fraktionschef Fritz Hähle steht verloren zwischen den Lagern Biedenkopfs und Milbradts herum, unfähig, das Heft in die Hand zu nehmen. Hähle falle es schwer, in Konflikten zu reagieren, sagte der CDU-Vorsitzende des Vogtlandkreises Fredo Georgi. Und achselzuckend: "Wir haben einen Parteivorsitzenden, der eben Fritz Hähle heißt." Georgi kündigte jedoch an, dass beim Landesparteitag im September aufgeräumt werde. Hähle weiß nicht, ob er dann antreten wird. Entscheidend wird sein, was Biedenkopf von ihm will.
Während der nach zweiwöchiger USA-Reise noch eine Woche Urlaub am Chiemsee nachschiebt, bereitet man sich in Dresden auf den GAU vor: Der 71-Jährige, bis 2004 gewählt, könnte demnächst genervt aufgeben und das Feld räumen. Sechs Minister seines Kabinetts haben schon kalte Füße bekommen, sich untergehakt und tauchen im gerade laufenden Kommunalwahlkampf nur noch als Sixpack auf: Alle unter 50, drei davon im Osten groß geworden. Das Signal soll lauten: Wenn die Alten sich verkrachen, dann macht es eben einer von uns. Aber wer?
"Das Zentrum ist leer. Wir haben ein Vakuum", sagt ein Christdemokrat. Jahrelang überstrahlte Biedenkopf alles. Nun gehe alles den Bach runter.
Biedenkopf scheint das alles wenig zu belasten. Alles "Gegackere", ließ er kürzlich aus den USA einem sächsischen Journalisten ausrichten.
(von Bernhard Honnigfort, Dresden)