Pressemitteilung der SPD Landtagsfraktion, 19.10.2001
Nolle hoch zufrieden und Häckel irrt mal wieder / SPD sieht Sieg für die Demokratie
Zum Urteil des Verfassungsgerichtshofes in Leipzig vom 18.10.2001
DRESDEN. Sehr zufrieden zeigte sich heute der SPD-Landtagsabgeordnete
Karl Nolle mit dem Urteil des Verfassungsgerichtshofes in Leipzig vom gestrigen Tag. Die Richter gaben Nolle in 3 von 5 reklamierten Verstößen Recht und stellten fest: "Die Staatsregierung hat dadurch die Rechte des Abgeordneten Nolle aus Art. 51 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Sachen verletzt, dass der Chef der Staatskanzlei (Brüggen) die Fragen 1, 3 und 4 der Kleinen Anfrage DS 3/3654 nicht beantwortet hat."
Nolle: "Dieses Urteil ist die Bestätigung der bisherigen Rechtssprechung und ein weiterer wichtiger Sieg für die junge Demokratie in Sachsen. Es ist eine Ohrfeige für den arroganten Umgang der Biedenkopf-Regierung mit der Macht und der Verfassung des Freistaates. Dieses Urteil reiht sich ein in den Reigen der zahllosen aktenkundig gewordenen Verfassungsverstöße der Staatsregierung."
Besonders brisant, so Nolle weiter, seien die Fragen zu Dienstwohnung, Dienstwagen und später zu Dienstboten und Schwarzen Kassen, weil sie "die bisher schwerste Krise der von einer absoluten Mehrheit im Landtag getragenen Regierung ausgelöst haben."
Nolle: "Was die Entscheidung zu den Fragen Dienstwohnung angeht, kann ich die Auffassung des Verfassungsgerichtshofes nicht nur respektieren, sondern gut akzeptieren. Sie ist aus Sicht der Verfassungsgerichtsbarkeit auch völlig richtig, weil sie sich nur auf formale Würdigung der Antworten der Staatsregierung bezog und keineswegs eine wie auch immer geartete inhaltliche Bewertung zur Frage der Angemessenheit der Dienstwohnungsmiete ist."
Insofern irre da Regierungssprecher Häckel völlig. Denn keineswegs wurden die Mieten des MP als angemessen bezeichnet, keineswegs wurde der Staatsregierung abgenommen, sie hätte keine Erkenntnisse über die Unangemessenheit der Mieten gehabt. Im Gegenteil: Dies wird vom Gericht als überprüfungsbedürftig angesehen, diese Beurteilung wird jedoch dem politischen Prozess überlassen. Ebenso wie die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit der hilfsweise als Zeugen benannten MP Biedenkopf und SK Chef Brüggen. Dies ist eine deutliche Distanzierung von der Einlassung der Staatsregierung.
(Beigefügt erhalten Sie eine rechtliche Würdigung des Urteils. Den kompletten
Urteilstext selbst können Sie im Laufe des frühen Nachmittages auf der Internetseite der SPD-Fraktion oder ab 17 Uhr auf "karl-nolle.de/nolle-hat-recht" abrufen.)
Rechtliche Würdigung der Entscheidung des VerfGH zur Angemessenheit der
Mieten durch den SPD-Landtagsabgeordneten Karl Nolle und die juristischen
Berater der SPD-Landtagsfraktion:
Im Verfahren hat die Staatsregierung geltend gemacht, damals das Mietentgelt für angemessen gehalten zu haben und erst nach Beantwortung der Anfrage andere Erkenntnisse hierzu gewonnen zu haben.
Die Verletzung der Abgeordnetenrechte in diesem Punkt hätte also nur festgestellt werden können, wenn bewiesen worden wäre, dass die Regierung schon damals das Mietentgelt nicht für angemessen hielt. Dafür hatte ich erhebliche Anhaltspunkte vorgetragen:
- Die steuerrechtliche Relevanz der Wohnungsnutzung war spätestens seit der Nachversteuerung des geldwerten Vorteils für die Jahre 1990-1997 bekannt.
- Davon wusste auch Staatsminister Brüggen; wieso sollte er erst zwischen dem 26. März und dem 5. April 2001 (FP-Interview) davon erfahren haben.
- Die Antragsgegnerin hatte mehrere Wochen Zeit, meine Anfrage zu beantworten.
- Die Prüfung durch den Sächsischen Rechnungshof, die zur Unterrichtung vom Mai 2001 führte, hatte meines Wissens bereits begonnen, so dass die Aufmerksamkeit der Antragsgegnerin zusätzlich auf den korrekten Vollzug des Haushalts- und Besoldungsrechts in Bezug auf den Ministerpräsidenten gerichtet war.
Und weiter machte ich die Mitteilung, dass die Ermittlungen auf die Anzeige Michael Sturm hin nicht eingestellt sind. Man hätte jetzt also, wie es auch beantragt war, Biedenkopf und Brüggen vernehmen und die Glaubwürdigkeit der Einlassung überprüfen können, die Erkenntnisse zum geldwerten Vorteil seien erst später gereift.
Hier nun greift der VerfGH zu dem Mittel der (verfassungs-)richterlichen Selbstbeschränkung: "Diese Überprüfung ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes." Das heißt: nach den Regeln des Zivil-, Straf- oder Verwaltungsprozesses hätte der Verfassungsgerichtshof nunmehr Anlass gehabt, die Zeugenvernehmungen durchzuführen. Er hat allem Anschein nach selbst ernstliche Zweifel gehabt, dass die Staatsregierung seinerzeit keine Erkenntnisse zum geldwerten Vorteil hatte. Im Verfassungsprozess überlässt das Gericht die Klärung dieser Frage aber der politischen Auseinandersetzung.
Schlussfolgerungen
- Keineswegs wurden die Mieten als angemessen bezeichnet.
- Keineswegs wurde der Staatsregierung abgenommen, sie hätte keine Erkenntnisse über die Unangemessenheit gehabt. Im Gegenteil: Dies wird als überprüfungsbedürftig angesehen, diese Beurteilung jedoch dem politischen Prozess überlassen. Das ist eine deutliche Distanzierung von der Einlassung der Staatsregierung.