Karl Nolle, MdL

DNN, 28.05.2001

Knapper Wagner-Sieg im Rededuell

Roßberg im DNN-Forum der aussichtsreichsten Oberbürgermeisterkandidaten oft unkonkret
 
DRESDEN. Am Ende stand Ingolf Roßberg mit Blumenstrauß und gereckten Armen auf dem Podium und lächelte für seine Anhänger. Das macht auch der unterlegene Boxer nach dem Kampf, selbst wenn er weiß, dass er verloren hat. Im Duell der aussichtsreichsten Oberbürgermeisterkandidaten hätte ein Schiedsrichter gestern dem Amtsinhaber den Arm hochreißen können. Knapp nach Punkten siegte CDU-Mann Herbert Wagner beim DNN-Forum im Hilton vor über 400 Zuschauern. Überraschend locker antwortete gerade er dann, wenn es um jene Spontaneität ging, die ihm sonst oft fehlt. Roßberg hingegen, der von mehreren Parteien unterstützte Kandidat der Bürgerinitiative „OB für Dresden", wirkte im Vergleich zu sonstigen Auftritten hölzern.

Dabei hatte Wagner schwach begonnen. Schon dutzendfach hat er seine Wahlbotschaft verkündet, die mit dem Versprechen beginnt, Dresden unter die wirtschaftlich zehn stärksten deutschen Großstädte bringen zu wollen - und doch hing er mit den Augen an seinen Aufzeichnungen. Minuspunkte im nicht-CDU-gebundenen Publikum brachte ihm das Verhalten von Parteifreunden: Stadträte wie Christine Kristl - im Plenarsaal selten bis nie gehört - und Funktionäre der Christdemokraten lärmten aus der ersten Reihe wie die Rüpel von der letzten Schulbank.

Roßberg hingegen hatte einen guten Start, konnte zudem klären, dass er nicht reiner Straßenbahnfahrer ist, sondern einen Führerschein - seit 1990 - und ein Auto besitzt. Doch sein
Gegenentwurf zu Wagners Amtsführung blieb zusehends zu grob gerastert. Er, der sich sonst gern im Detail verliert, verfiel gestern ins andere Extrem und blieb zu oberflächlich. „Die Methoden der Vergangenheit taugen nichts", sagte er etwa, man brauche innovative Ansätze. „Ja, welche denn?", murmelten viele und riefen einige laut in den Saal.

Gerade zum Thema Schulen, wo Wagner angreifbar erschien, weil trotz versprochener Sanierung im Stadthaushalt mittelfristig nur ein Bruchteil der benötigten Millionen vorgesehen ist, blieb Roßberg unkonkret. Nicht zu erkennen war, dass er tatsächlich über jenes Konzept zur Schulsanierung ohne städtische Gelder verfügt, das er bereits in einer eigenen Veranstaltung vorgestellt hat.

Punkte machen konnte er bei der Finanzlage, beim Wiener Platz: Mit dem dortigen Minus von 138 Millionen Mark, die er Wagner ankreidete, hätten sich eine Operette und eine Philharmonie bauen lassen. Roßberg will den schon mehrfach zitierten Kassensturz, um weitere vermutete „schwarze Löcher" aufzutun.

Wagner nannte das eine Mär. Die Finanzen der Stadt ließen sich im Haushaltsplan nachlesen. Verborgenes gibt es nach seiner Darstellung nicht. Er verteidigte zudem den beabsichtigten Verkauf von städtischen Unternehmen als Geldbeschaffungsmaßnahme. Anteile daran abzugeben heiße nicht, Vermögen zu verscherbeln, sondern es in anderes umzuwandeln, das dringend benötigt werde. Roßberg hingegen will stärker EU-Töpfe anzapfen, was Wagner nach seiner Meinung bislang versäumt hat: „Die Stadt hat es bislang nicht verstanden, dort Geld abzuholen, wo es vorhanden ist."

Der OB wirkte zu diesem Zeitpunkt leichtangeschlagen, lebte aber beim Thema Wirtschaftsförderung auf. Roßberg fordert dort einen Mittelstandsbeirat und will ein Netzwerk knüpfen. Der Konter des OB: „Wer ständig in Kontakt ist, muss nicht einen Beirat einrichten, der alle vier bis sechs Wochen tagt."

Die entscheidenden Treffer konnte Wagner landen, als die beiden Kandidaten Satzanfänge fortsetzen sollten. Roßberg antwortete hölzern, langatmig und pathetisch. Wagner hingegen lief nach bisherigem Wahlkampfverlauf zu ungeahnter Spritzigkeit auf, sah sich etwa in der Zusammenarbeit mit Roßberg als Stadtentwicklungsdezernent von 1990 bis 1994 als „Kapitän auf einem Schiff mit meuternden Offizieren".

Roßbergs Wahlmannschaft wertete das Duell dennoch als Erfolg für ihren Mann. Zitat eines Beraters: „Er hatte die Aufgabe, den Macher rüberzubringen, und das hat er getan."
(Stefan Alberti)

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