Karl Nolle, MdL

DNN, 08.06.2001

Elf Fragen zur Kommunalpolitik an die OB-Kandidaten

Rede und Antwort
 
1. Ohne Geld läuft wenig: Welche Prioritäten wollen Sie als OB im Stadthaushalt setzen?

Wagner: Straßen erneuern und Schulen sanieren.

Roßberg: Ich möchte mehr Geld für Titel ausgeben, hinter denen Entwicklungskonzepte stehen und die Außenwirkung bringen - Sport, Kultur-, und weniger für ungeplante Ausgaben oder solche, die nur kurzfristige Abhilfe schaffen. Bei Jugend, Soziales und Tourismus muss mehr getan werden. Mit effektiven Finanzcontrolling schaffen wir dies.

Galle: Die Wiederankurbelung der produktiven Wirtschaft hat absoluten Vorrang. Man bewerkstelligt das durch die Bereitstellung zweckgebundener, niedrigverzinster staatlicher Kredite mit langer Laufzeit bevorzugt für den Bereich des Infrastrukturausbaues.

Beier:
- Überblick über die Finanztage verschaffen, Haushaltsplan überprüfen, Finanzlage offen legen
-wir können uns nur soviel leisten, wie Geld zur Verfügung steht und Verschuldungen nur aufnehmen, wenn die Tilgung realisiert werden kann;
-konsequente Ausnutzung von fördermittelfähigen Projekten.



2. Die Waldschlößchenbrücke sorgt trotz des Stadtratsbeschlusses von 1996 weiter für Diskussionen. Die Kosten sind auf rund 280 Millionen Mark gestiegen, bislang stehen trotz ersten Spatenstichs nur ein Bauschild und eine Lärmschutzwand. Wie soll es Ihrer Meinung nach weitergehen?

Wagner: Nicht die Brücke kostet 280 Millionen Mark, sondern der gesamte drei Kilometer lange Verkehrszug vom Olbrichtplatz bis zur Fetscherstraße. Im Juli beginnen wir mit der Stauffenbergallee, im 1. Quartal 2002 mit dem Bau der Brücke auf Neustädter Seite. Wie geplant geht die Brücke im 4. Quartal 2004 in Betrieb, Restarbeiten bis 2005.

Roßberg: Die Brücke ist viel zu teuer geworden. Aber jetzt ist es für große Umplanungen zu spät. Wir müssen die Kosten bei den jetzt angesagten 280 Millionen Mark deckeln, die Brücke bauen und bei der nächsten Elbbrücke von Anfang an richtig planen.

Galle: Eine Kalkulation der tatsächlich anfallenden Baukosten kann nicht das Problem sein. Danach sollte die Gesamtfinanzierung durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) übernommen werden. Wir brauchen die Brücke schließlich zum Überqueren der Elbe und nicht zum Zahlen hoher Zinsen an Privatbanken.

Beier: Die Waldschlösschenbrücke ist deshalb noch nicht gebaut, weil es die konfliktreichste Variante für Dresden ist. Sie zerstört einen sensiblen Bereich der Elbaue und vernachlässigt den ÖPNV. Die geplanten Kosten sind jetzt schon zu hoch und fehlen im sozialen Bereich. Deshalb wird es mit mir keine Waldschlösschenbrücke geben.



3. Schulen und Kindergärten warten auf Sanierung, Straßen auch. Was Ist Ihnen wichtiger, wo geben Sie im Zweifelsfalle das Geld zuerst aus?

Wagner: Wie müssen natürlich immer beides im Haushalt unterbringen. Der jeweilige Schwerpunkt hängt auch davon ab, wie viele Fördermittel wir jeweils mobilisieren können. Bei der Schulsanierung müssen wegen des größeren Defizits die Steigerungsraten am höchsten sein. Für neue Projekte haben im Zweifelsfall die Schulen Vorrang.

Roßberg: Hier kann es kein „entweder-oder", sondern nur ein "sowohl-als“ auch geben. Für die Schulen und Kitas haben wir ein immobilienwirtschaftliches Modell entwickelt. Und wir müssen die Substanz der Dresdner Straßen erhalten. Wenn wir die zur Verfügung stehenden Mittel richtig einsetzen, wird das Geld für beide Aufgaben reichen.

Galle: Schulen, Kindergärten und Straßen müssen sich in einem zumindest zweckdienlichen Zustand befinden. Mehr ist wohl zur Zeit nicht zu erwarten. Im Zweifelsfall infolge Finanznotstandes haben Schulden und Kindergärten zunächst Vorrang.

Beier: Eindeutig für Schulen und Kindergärten und bei Strassen angemessene Sanierung vor Neubau, Königsbrücker Straße stadtteilverträglich, zwei Fahrbahnen, Fußwege und Radwege.



4. Die Entwicklung der Innenstadt stagniert weitgehend: Wiener Platz, Ferdinandplatz, Georgplatz und Postplatz warten seit Jahren auf Investoren, die tatsächlich bauen und nicht nur Luftschlösser errichten. Wie wollen Sie Bewegung in die Sache bekommen?

Wagner: Die Entwicklung stagniert nicht! Die Prager Straße hat drei Kaufhäuser bekommen, der Altmarkt ist fast fertig. An der Webergasse entsteht die elegante Altmarkt-Galerie, im Juni ist Richttest. Am Neumarkt haben wir drei Grundstücksareale zur Bebauung vergeben. Zu Ferdinandplatz, Georgplatz und Postplatz laufen Investorengespräche.

Roßberg: Wir werden Investoren in die Stadt holen, die auch tatsächlich investieren wollen. Diesen ermöglichen wir transparente und zügige Verwaltungsverfahren.

Galle: Auf eine ausreichende Zahl finanzkräftiger Investoren können wir unter den gegenwärtigen Bedingungen wohl noch lange warten. Zunächst brauchen wir eine grundlegend veränderte Industriepolitik. Dann können wir über dieses Thema debattieren.

Beier: Aktive Vermarktung an Investoren, die die Innenstadt beleben, in Richtung Tourismus, Kunst und Kultur, Gastronomie, Handel und Dienstleistung. Förderung des lokalen Einzelhandels. Es werden Erfahrung von Partnerstädten einbezogen. Dabei kommen dem von mir zu berufenden Expertenrat und Bürgerbeteiligung eine große Bedeutung zu.



5. Konkret zum Wiener Platz: Erst wenige Grundstücke sind verkauft, weitere Investoren nicht in Sicht. Wie soll es weitergeben, gerade im Verhältnis zur Deutschen Hypotheken- und Pfandbriefbank, an die die Stadt (noch) vertraglich gebunden Ist?


Wagner: Am Wiener Platz haben wir den Tunnel fertiggestellt. Die Tiefgarage ist durch den Investor Dürr im Bau. In wenigen Tagen beginnt Zoega & Lauschke mit dem Bau seines Geschäftshauses. Oelschläger plant konkret den Baubeginn für den zweiten Hochbau.

Roßberg: Ich denke über eine Vertragsänderung oder -kündigung wegen positiver Vertragsverletzung nach und werde eine Erfolgshonorierung nachverhandeln. Das heißt: Wenn Grundstücke erfolgreich verkauft werden, gibt es Honorar - sonst nicht. Und dies war der Fehler des Wagner-Vertrages von 1996 - nicht des 1992er Roßberg Modells!

Galle: Da sich keine Investoren finden, sollte das Bebauungskonzept neu überdacht werden. Der vorgesehene Verkauf der Grundstücke als Bauland basiert vordergründig auf der finanziellen Situation der Stadt. Städteplanerisch wäre es sinnvoller, den Einblick vom Hauptbahnhof in die Prager Straße offenzuhalten.

Beier: Selbstbewusstes und aktives Marketing der Grundstücke in Richtung eines touristischen Zentrums. Einbeziehung der Überprüfung des Vertrages und daraus Ableitung von Konsequenzen, die kurzfristig umgesetzt werden müssen. Zügiges Fortsetzen des Baus der Tiefgarage mit Einbeziehung von Fahrrad-Abstellplätzen.



6. Geld könnte kurzfristig durch Verkauf von städtischen Gesellschaften oder Eigenbetrieben herein kommen. Kritiker sehen in der derzeit beabsichtigten Privatisierung von Stadtentwässerung und Stadtreinigung das Verscherbeln von Tafelsilber. Gäbe es mit Ihnen als OB einen Verkauf?

Wagner: Der Verkauf von Anteilen an Private ist kein Verscherbeln von Tafelsilber, sondern eine Umwandlung kommunalen Eigentums: Ruhendes Vermögen verwenden wir für dringend notwendige Aufgaben. Die Verkaufserlöse sollen ausschließlich zur Sanierung von Straßen und Schulen sowie zur Schuldentilgung verwendet werden.

Roßberg: Nicht, wenn der Ertrag nur zum Stopfen von kurzfristigen Haushaltslöchern benutzt wird. Und an einige Eigenbetriebe wie z. B. Krankenhäuser werden wir keine Hand anlegen: Diese müssen in städtischer Verantwortung bleiben.

Galle: Der Verkauf von städtischen Gesellschaften und Eigenbetrieben kann nicht in Betracht kommen. Die finanziellen Probleme der Stadt löst man damit nicht ansatzweise. Ganz im Gegenteil, sie würden langfristig werter verschärft.

Beier: Nein, ich bin für den Erhalt der Eigenbetriebe und städtischen Gesellschaften. Durch den Verkauf verliert die Stadt wichtige Einflussnahme auf die Kommunalwirtschaft. Der Verkauf bringt momentan Geld in die Stadtkasse, geht aber zu Lasten der Dresdner von morgen.



7. Um die Jugendförderung gab es in den vergangenen beiden Jahren große Diskussionen. Würden Sie als OB im Stadtrat darauf hinwirken, mehr oder weniger Geld dafür auszugeben?

Wagner: Wir bleiben bei den beschlossenen 13 Millionen Mark für die Förderung freier Träger wie im Vorjahr. Im Übrigen geben wir für Kinder und Jugendliche viel mehr Geld aus, nämlich insgesamt rund 500 Millionen Mark.

Roßberg: Wir werden mehr Geld für die präventive Arbeit zur Verfügung stellen. Denn dann können wir Erziehungshilfen einsparen, die nur greifen, wenn es eigentlich schon zu spät ist. Und wir brauchen die Förderung über Mehrjahresverträge, damit die Träger Sicherheit haben.

Galle: Ich würde im Bereich der Jugendförderung mehr Geld in gezielte Projekte in den Bereichen Bildung, Kultur und Sport investieren.

Beier: Kinder und Jugend bedürfen einer aktiven Förderung. Das bedeutet nicht nur mehr Geld, sondern auch Vernetzung, Erleichterung der Formalitäten und die gesetzlich verankerte Gleichbehandlung freier und öffentlicher Einrichtungen. Dazu gehören Schaffung von Qualitätsstandards und abgestimmte Förderrichtlinien.



8. Ohne Stadion, das Ansprüchen des Weltverbands genügt, geht Internationaler Fußball auch zukünftig an Dresden vorbei. Setzen Sie sich für einen solchen Neubau ein; und wenn, wie wollen Sie Ihn bezahlen? Gleiches gilt für die marode Eissporthalle: Was soll dort passieren?

Wagner: Das Heinz-Steyer-Stadion soll schrittweise in ein FIFA-normgerechtes Fußballstadion umgebaut werden. Über die Finanzierungskonzeption sind wir mit dem DSC im Gespräch. Die Eissporthalle muss in den nächsten zehn Jahren verschwinden und durch einen Neubau, möglicherweise als Mehrzweckhalle im Ostragehege, ersetzt werden.

Roßberg: Das Finanzierungskonzept hätte schon längst stehen können, ja müssen. Die Fußball-WM 2006 wäre für Dresden eine Chance gewesen. Umso mehr verfolge ich die Olympiabewerbung. Wir brauchen eine neue Eishalle. Unter anderem mit der „Eispatenschaft" gelingt es, die Mitte dafür aufzubringen.

Galle: An den Neubau eines Stadions ist gegenwärtig leider nicht zu denken. Über Finanzierungsmöglichkeiten zur Sanierung der Eissporthalle sollte im Rahmen der Jugendförderung nachgedacht werden.

Beier: Ich setze mich für einen solchen Neubau ein. Über die Realisierung werde ich Kontakt aufnehmen mit den Verantwortungsträgern aus Sport, Wirtschaft und bekannten Fußballern, die in Dresden Fußball spielen gelernt haben. Ähnliches gilt für die Eissporthalle und die Schwimmhalle auf der Freiberger Straße.



9. Bei der Wahl ergibt sich die pikante Situation, dass jeder vierte Dresdner älter als 60 Ist, aber nur Bewerber unter 65 Jahren antreten können. Was tun Sie als OB, um den Interessen dieser Immer größeren Gruppe der Stadtbevölkerung gerecht zu werden?

Wagner: Dresden ist eine Stadt, in der sich Senioren viel sicherer als in anderen Großstädten fühlen können, denn wir haben eine beispiellos niedrige Kriminalitätsrate. Das Wohnungsproblem haben wir gelöst, davon profitieren Jung und Alt. Aber ich setze mich für noch mehr altersgerechtes und betreutes Wohnen ein.

Roßberg: Ich bin seit 15 Jahren Mitglied der "Volkssolidarität Dresden" und habe viel für und mit Senioren gearbeitet. Ich kenne ihre Wünsche und Sorgen also gut: Wir müssen die Stützpunkte der Volkssolidarität erhalten, mehr Angebote bei Betreuung und Gesundheit schaffen und die Arbeit des „Runden Tisches" aufwerten: Hilfe zur Selbsthilfe!

Galle: Die beste Interessenvertretung für unsere älteren Bürger ist es, schnell Maßnahmen einzuleiten, um die Abwanderung der Jugend zu stoppen. Dazu benötigen wir eine Vielzahl neuer gut bezahlter Industriearbeitsplätze.

Beier: Unsere Senioren haben ein großes Potential an Wissen und Kraft, diese Ressource wird bislang zu wenig genutzt wird. Deshalb halte ich unter anderem für erforderlich: finanzielle und strukturelle Absicherung von Seniorenbasisarbeit. Schaffung und Ausbau von Begegnungsmöglichkeiten und eine Beauftragtenstelle für Senioren.



10. Dresden hat zwar die niedrigste Arbeitslosenquote in Sachsen, liegt aber dennoch deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Wie würden Sie als OB versuchen, das zu ändern?

Wagner: Nur Unternehmen schaffen Arbeitsplätze, also müssen wir die Wirtschaft fördern! Wir müssen das heimische Gewerbe vernetzen und um Neuansiedlungen werben, Ich setze auf den weiteren Ausbau des Hochtechnologie-Standortes und will die Erfolgsstory der Mikroelektronik in der Biotechnologie fortsetzen.

Roßberg: Ganz einfach: Wirtschaft muss zur Chefsache des OB werden. Im übrigen müssen wir die Arbeitslosenquote senken, nicht nur "ändern`.

Galle: Hierfür brauchen wir große Infrastrukturprojekte vor Ort. Eine Transrapidstrecke Dresden - Berlin bietet sich für den Anfang geradezu an, um vor allem die ortsansässige Bauwirtschaft mit Aufträgen zu versorgen.

Beier: Durch klare Ausrichtung auf Dresden als Kunst und Kulturstadt, Förderung des Tourismus, des Mittelstandes und Einzelhandels, Einbeziehung der Bildungs- und Forschungseinrichtungen zur Standortbindung von Existenzgründern, Berufung eines Arbeitslosenbeauftragten zur Recherche von Konzepten zur Senkung der Arbeitslosigkeit.



11. Bei der Kultur sind vor allem zwei Punkte strittig. Soll zum einen die Philharmonie einen neuen Saal im Kulturpalast oder ein eigenes Gebäude bekommen? Und zum anderen: Wo soll zukünftig die Operette stehen?

Wagner: Die Philharmonie soll durch Umbau des Kulturpalastes einen akustisch perfekten Saal bekommen, Vorher müssen wir das Kongresszentrum fertig haben, denn die Philharmonie soll dort ja in der Übergangszeit musizieren. Für die Operette laufen zurzeit Untersuchungen für verschiedene Standorte. Die Ergebnisse müssen wir abwarten.

Roßberg: Ob Kulturpalast oder eigenes Gebäude - das Wichtigste ist, dass die Philharmonie bis 2006 ein adäquates Zuhause hat. Auch für die Operette: Wo am schnellsten und günstigsten gebaut werden kann, soll sie hin. Die Debatte war übrigens 1993 schon entschieden - Herr Wagner hätte sich nur an die Beschlüsse halten müssen.

Galle: Die Philharmonie sollte einen Saal im Kulturpalast bekommen. Über den Standort der Staatsoperette sollte sich zunächst die Landesregierung Gedanken machen.

Beier: Ich halte es für Dresden als Kunst und Kulturstadt für selbstverständlich, dass die Philharmonie ein eigenes Haus hat und dass die Staatsoperette erhalten bleibt. Als Standort für die Operette favorisiere ich den Wiener Platz.

Karl Nolle im Webseitentest
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