Karl Nolle, MdL

Dresdner Morgenpost, 11.06.2001

Lange Gesichter bei der Dresdner CDU

Sie hatten so auf Herbert Wagners Sieg gehofft
 
DRESDEN. Dresden konnte sich nicht entscheiden. Am 24.Juni müssen rund 387 000 Wahlberechtigte noch einmal über ihr neues Stadtoberhaupt abstimmen. Kein Kandidat konnte die absolute Mehrheil holen. Schade: Die Wahlbeteiligung lag gerade mal bei 48,6 Prozent. Das ist ein schlimmer Minusrekord: 1994 gaben immerhin über 67 Prozent ihre Stimme ab.

Sieger ist ganz eindeutig Ingolf Roßberg. Er bekam 47,04 Prozent der Stimmen. Eine herbe Ohrfeige gab's für Amtsinhaber Herbert Wagner. Gerade mal 42,8Prozent wollten ihn wieder im Amt sehen. Toller Erfolg für Friederike Beier. Sie holte satte 8,67 Prozent. Ronald Galle (BüSo) schaffte gerade mal 1,49 Prozent.

Um 19.14 Uhr bebte das Rathaus: „Roßberg wird's", skandierten gestern die Anhänger des überraschenden Wahlsiegers der Höhepunkt eines Wahlabends, der von keinem Krimi-Autor besser hätte geschrieben werden können. Dabei hatte alles so schleppend angefangen...

Gerade mal 17 Prozent der Dresdner gingen bis mittags 12 Uhr wählen. Bei Wolken und Regen schien es so, als wenn die Wahl zur völligen Nebensache geraten würde. So war die Wahlbeteiligung auch erst mal das Thema Nummer 1 im Rathaus.

Gegen 17.30 Uhr kamen die ersten Dresdner in den Plenarsaal, um den Wahlausgang live an den Bildschirmen zu erleben. „Bloß nicht 40 Prozent Wahlbeteiligung wie in Chemnitz", schallte es aus allen Ecken.

„53 Prozent Wagner - 42 Prozent Roßberg", lautete das Probebild für die Fernseher, die überall im Plenarsaal aufgestellt waren. Viele CDU-Mitglieder freuten sich: „Das werd auch das Endergebnis."

Doch auch um 18.30 Uhr lagen immer noch keine Ergebnisse vor - die Spannung stieg immer mehr. Knut Ringat, Chef des Verkehrsverbundes Oberelbe: „Ich habe schon fünf Minuten lang eine Gänsehaut." Überall wurde spekuliert. Dann die ersten Gerüchte: Ingolf Roßberg hatte die Nase vorn.

18.40 Uhr: die ersten Zwischenergebnisse auf dem Bildschirm. 41,6 Prozent für Herbert Wagner, 9,3 Prozent für Friederike Beier, 1,7 Prozent für Ronald Galle und die Riesenüberraschung mit 47,4Prozent für lngolf Roßberg. Jubel bei den Roßberg-Anhängern, SPD-Chefin Marlies Volkmer riss die Arme hoch, Politiker von PDS, Grüne und SPD lagen sich in den Armen. Entsetzen auf der anderen Seite. CDU-Wahlchef Dietmar Haßler konnte es nicht fassen: „Das ist eine riesige Enttäuschung", stammelte nicht nur er. Immer finsterer wurden die Gesichter, als klar war, dass Wagner nicht mehr an Roßberg herankam. CDU-Chef Dieter Reimried: „Damit haben wir nicht gerechnet. Im Wahlkampf hatten wir ein so gutes Gefühl." Und in Richtung Kurt Biedenkopf, der Roßberg noch am Freitag als Schrott bezeichnet hatte: „Da hat sich der Ministerpräsident zu weit aus dem üblichen Rahmen gelehnt."

19.14 Uhr: Roßberg kam ins Rathaus und ließ sich lautstark feiern, der Jubel war riesengroß. Er selbst strahlte: „Wir können es schaffen." Schon zu diesem Zeitpunkt stand fest, dass es einen zweiten Wahlgang gibt.

19.24 Uhr: Wagner kam aus seinem Büro in den Plenarsaal. Er versuchte, Haltung zu bewahren, doch die Niederlage war ihm deutlich anzusehen. Er rang um Fassung. Bestürzt schaute er auf die Monitore.

Ganz still und leise feierte eine andere Siegerin dieser Wahl. Friederike Beier hatte als Außenseiterin alle Experten überrascht: „Ich selbst habe nur mit fünf Prozent gerechnet." Ronald
Galle (BüSo) war dagegen täuscht: „Ich dachte, ich würde mehr Stimmen bekommen.

Um 20 Uhr verließen CDU-Stadträte völlig enttäuscht den Saal, an Wahlparty war nicht zu denken. Dietrich Herrmann von der Roßberg-Initiative OB für Dresden: „Jetzt wird gefeiert!"
(Kai Schulz, Sven Kube und Enrico Locke)

Karl Nolle im Webseitentest
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