Sächsische Zeitung, 12.06.2001
CDU grübelt über "verheerenden" Erfolg
Unterschiedliche Bewertung der Wahlergebnisse
Dresden.Feiern oder Wunden lecken? Am Tag nach den Kommunalwahlen wollten sich führende Politiker der sächsischen Union partout nicht festlegen. Das ist ungewöhnlich und sagt mehr als tausend Worte. Nur Parteichef Fritz Hähle schlug demonstrativ positive Töne an. Hähle bemühte die Statistik sowie die Erfahrung, dass nach elf Jahren "einige Abstriche ganz normal sind". Ansonsten verwies er darauf, dass die CDU auch auf kommunaler Ebene eindeutig stärkste Kraft bleibt und weitere Siege bei den Neuwahlen nicht unmöglich sind - die Landeshauptstadt inklusive. "Polen ist noch nicht verloren", so der Landeschef.
Attestiert wurde er dabei von Ministerpräsident Kurt Biedenkopf, der eigens ein Sieben-Punkte-Fazit zur Kommunalwahl verfasste. Tenor: Die CDU liegt weiter vorn und für PDS und SPD war die Wahl ein Desaster, weil selbst die FDP mehr Bürgermeister stellt als die beiden Parteien zusammen. Die CDU hätte zudem dort die besten Ergebnisse erzielt, wo es in der Partei "keinen Streit gab". Das Zwischenergebnis in Dresden ist schmerzlich, aber reparabel, so die Botschaft ans Parteivolk. Dort will man in den Jubel nicht so recht einstimmen. Zunächst hatten der CDU-Bundestagsabgeordnete Arnold Vaatz und vor allem die Dresdner CDU kritisiert, dass Biedenkopfs Affären die Partei möglicherweise Stimmen gekostet haben. Gestern gab es neue Einwände. "Wenn wir auch in Dresden und Zwickau scheitern, haben wir endgültig alle sieben kreisfreien Städte verloren. Das ist doch verheerend und kein Erfolg", hielt ein einflussreiches Mitglied des CDU-Landesvorstandes den offiziellen Verlautbarungen entgegen.
Für viele in der sächsischen CDU verharrt die Partei nach Monaten voller Negativ-Schlagzeilen immer noch am Scheideweg. Die Kommunalwahlen haben sich bisher nicht als ersehnter und gleichzeitig gefürchteter Befreiungsschlag erwiesen. Das Führungsproblem über den künftigen Parteivorsitz und den Biedenkopf-Nachfolger bleibt weiter ungeklärt. Misstrauisch registrieren Anhänger von Ex-Finanzminister Milbradt, dass der angeschlagene Ministerpräsident wieder mehr nach den Zügeln greift. Nach der zügigen Bezahlung der offenen Forderungen aus den Gästehaus-Affäre hat Biedenkopf für heute die CDU-Kreisvorsitzenden nach Dresden zum Essen eingeladen. Erwartet wird, dass der Regierungschef dann für seine neue Einigkeit wirbt. Schritt für Schritt könnte er sich so aus dem Affärensog bringen und künftig wieder maßgeblich bei Personalfragen mitreden. Die Partei muss nun am Sonnabend entscheiden, ob sie den neuen Schmusekurs des Premiers akzeptiert oder auf die eigene Entscheidungsfreiheit besteht. Dann soll im Landesvorstand beraten werden, wie die Biedenkopf-Nachfolge in Zukunft entschieden werden soll. Zwar haben alle Lager erklärt, mit eigenen Vorstellungen in diese Diskussion zu gehen, doch wie hart man sie verteidigen wird, ist fraglich. Eine Mehrheit der Kreisverbände wählte am Wochenende gegenüber Biedenkopf jedenfalls die sanfte Tour: Ein kritisches Papier zur aktuellen Lage in Sachsen wurde an wichtigen Stellen entschärft.
(Gunnar Saft)