Karl Nolle, MdL

Hannoversche Allgemeine Zeitung, 14.06.2001

"Vater der Revolution" verteidigt sein Amt

Oberbürgermeisterwahl in Dresden wird spannend
 
DRESDEN. Seit elf Jahr steht Herbert Wagner, promovierter Elektroingenieur, an der Spitze der sächsischen Landeshauptstadt Dresden – ein großer, jugendlich aussehender Mann, kein begnadeter Redner und Visionär, aber eine ehrliche Haut. „Pannen-Herbert“ nennen ihn seine Gegner wegen seines zuweilen hölzernen Auftretens. „Vater der Revolution“ sagen dagegen Freunde über den 53-Jährigen, denn Wagner war es, der im Herbst 1989 an der Spitze der „Gruppe der 20“ die SED-Führung in Dresden in die Knie zwang.

An diesem Sonntag nun entscheidet sich Wagners politische Zukunft. Zur Neuwahl des Oberbürgermeisters treten neben ihm drei weitere Bewerber an: der Freidemokrat Ingolf Roßberg und zwei Außenseiter. Auf Wagners Seite steht die CDU, hinter Roßberg haben sich mittlerweile SPD, PDS und Grüne versammelt – nicht aber seine FDP.

Agiler, kommunikativer und redegewandter als der Amtsinhaber wirkt Roßberg, der Anfang der neunziger Jahre Stadtplanungsdezernent in Dresden war und mittlerweile in der Stadtverwaltung von Wuppertal arbeitet. Eine „windige Gestalt“ sei er, meinen hingegen seine Kritiker. Denn Roßberg scheue die Anbiederung an die PDS nicht, wenn es um den Aufstieg in das Amt des Stadtoberhaupts gehe.

Das Dresdener Duell ist der spannendste Teil der Bürgermeister- und Landrätewahl in Sachsen am Sonntag. Die CDU hat ihre führende Rolle vor allem in den Landkreisen zu verteidigen, und bei manchen geht die Angst um, die Affäre Biedenkopf könnte zu Stimmeneinbußen führen. In Leipzig und Chemnitz, den beiden anderen sächsischen Großstädten, wird nicht gewählt, die jeweiligen SPD-Amtsinhaber sitzen fest im Sattel. Umso mehr richten sich die Blicke auf Dresden.

Wagner und Roßberg standen sich 1994 schon einmal gegenüber. Damals jedoch gab es eine lange Liste an Mitbewerbern. Im zweiten Wahlgang setzte sich Wagner gegen Christine Ostrowski von der PDS durch. Diesmal gibt es merkwürdige Personalkonstellationen. Da war zunächst Wolfgang Berghofer, der letzte SED-Oberbürgermeister vor der Wende in der DDR. Monatelang wurde spekuliert, er werde zur Direktwahl antreten – um zu testen, ob jemand mit einer Vergangenheit als hochrangiger SED-Funktionär eine zweite Chance für ein politisches Spitzenamt in Dresden bekommt. Ende April klebten überall in der Stadt Berghofer-Plakate, ein Hinweis aus sein Buch, dessen Erscheinungstermin unmittelbar bevorstand. Waren das Vorboten einer Kandidatur? Doch kurz vor Ablauf der Bewerbungsfrist verzichtete Berghofer überraschend.

SPD, Grüne und PDS wollten aus der leidvollen Erfahrung von 1994 lernen und diesmal einen gemeinsamen Kandidaten aufbieten. Ein zunächst ins Auge gefasster Dezernent der Stadtverwaltung sprang ab. Dann fand dich der aus Wunstorf bei Hannover stammende SPD-Landtagsabgeordneter Karl Nolle bereit. Doch Nolle polarisiert mit zugespitzten Formulierungen, mittlerweile ist er bundesweit bekannt wegen seiner massiven Angriffe auf Ministerpräsident Kurt Biedenkopf. Drei Tage vor der Nominierung in der SPD zog Nolle schließlich zurück.

Bald darauf präsentierte die Opposition den gebbürtigen Dresdener Roßberg, der wohl viel dafür gäbe, wenn er seinen ewigen Widersacher Wagner einmal besiegen könnte. „Roßberg kann´s“ oder „Roßberg wird´s“ ist nun auf den Plakaten zu lesen – die Sprüche sind aggressiver als 1994. Und auf ihren Internet-Seiten präsentieren sich Roßberg und Wagner betont fortschrittlich, aber ebenso familiär.

Ein Wendestimmung herrscht nicht in Sachsens Hauptstadt. Ein schlüssiges Verkehrskonzept fehlt zwar immer noch, die Stadt erstickt im Autoverkehr. Doch Dresden boomt – neue Firmen, neue Hotels, frisch sanierte Altbauten prägen die Stadt. Der Wiederaufbau der Frauenkirche hält nicht nur die Dresdner im Bann, die historische Innenstadt ist seit Jahren ein Touristenmagnet ohne Beispiel in den neuen Ländern. Dies alles lässt kaum Raum für Unzufriedenheit unter den Einwohnern.

Was die Affäre Biedenkopf angeht, haben Wagner und die Dresdner CDU eine besondere Rolle im Freistaat: Das Verhältnis zwischen dem Ministerpräsidenten und dem Oberbürgermeister ist nicht das beste. Wagner steht auf der Seite der ehemaligen DDR-Bürgerrechtler, die Biedenkopf mittlerweile kritisch beurteilen, eher dem Lager des einstigen Finanzministers Georg Milbradt zuneigen und ein betont freundschaftliches Verhältnis zu Altkanzler Helmut Kohl pflegen. Über einen erneuten Sieg des Oberbürgermeisters wäre Biedenkopf also vermutlich gar nicht so erfreut, wie man es eigentlich annehmen müsste.
(Klaus Wallbaum)

Karl Nolle im Webseitentest
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