Sächsische Zeitung, 22.06.2001
Das letzte Duell - drei Kandidaten im Rundkino
Podiumsdiskussion der Sächsischen Zeitung mit Berghofer, Roßberg und Wagner
DRESDEN. Es war das letzte Duell der drei OB-Kandidaten vor der Wahl. Gar nicht weit von ihrem Ziel, dem Dresdner Rathaus, saßen sie auf der Bühne des vollbesetzten Rundkinos auf der Prager Straße. Herausforderer Ingolf Roßberg (FDP), mit 47 Prozent in der ersten Wahl erfolgreich und Favorit, Amtsinhaber Herbert Wagner (CDU) und Wolfgang Berghofer (parteilos), der am Sonntag zum ersten Mal antritt.
Seine Kandidatur kam für die Dresdner überraschend. Er wehrte sich heftig gegen den Vorwurf, er trete nur an, um im Lager Roßbergs zu räubern. "Wer mich kennt, weiß, ich will Oberbürgermeister werden", sagte Berghofer. "Als Bürgermeister in der DDR konnte ich nur Mangel verwalten, heute könnte ich etwas gestalten." Die Investoren kämen nicht nach Dresden, weil es so schön ist, sondern weil es Zukunft habe. "Und da ist einiges zu verbessern, die Konkurrenz in Leipzig, Prag und Wien schläft nicht." Er sei nicht von Parteien abhängig, "es muss künftig eine Kommunalpolitik geben, die frei von Parteifilz ist."
Roßberg selbst zeigte sich zur Kandidatur Berghofers zurückhaltend: "Dazu äußere ich mich nicht", sagte er. Wagner versicherte, er fürchte seine Herausforderer nicht. "Ich muss bis zum Sieg zwei Berge überwinden, den Roßberg und den Berghofer."
Ohne Geld kann kein Oberbürgermeister regieren. Wie wollen die drei als OB ihre Ziele bezahlen? Roßberg hat einen Kassensturz angekündigt. "Auch mit mir wird es keine wundersame Kassenvermehrung geben", sagte er. "Aber ich will wissen, wo noch solche schwarzen Finanzlöcher lauern wie das am Wiener Platz. Wichtig ist die Liquiditätslage, wie sehen Ein- und Ausgaben im Jahr aus. Da erwarte ich klare Aussagen des Kämmerers." Roßberg beklagte auch, Dresden habe versäumt, Fördermittel aus Brüssel zu kassieren.
Auch Berghofer sagte, die Lage des Dresdner Haushaltes sei nicht gut. "Es geht darum, Einnahmen zu organisieren, damit sich Handwerker, Unternehmertum und Tourismus aus sich heraus beschleunigen." Wagner konterte, Roßberg hätte als Dezernent in den ersten Jahren nach 1990 sogar 90 Prozent Fördermittel holen können, damals habe er selbst auf der Bremse gestanden.
Beim Thema Privatisierung städtischer Betriebe waren die Bewerber zurückhaltend. Auch die Schätzung eines Unternehmers, ein Verkauf der Drewag könnte bis zu einer Milliarde Mark bringen, lockte sie nicht aus der Reserve. Er sehe die Lage des Dresdner Haushaltes nun auch nicht so verzweifelt, dass nichts anders übrig bleibt, als Verkäufe, sagte Berghofer. Und die Drewag könnte in zehn Jahren möglicherweise mehr Gewinne einbringen, als bei einem Verkauf erzielt würden. "Die öffentliche Hand hat Verpflichtungen, die in bestimmten Bereichen Privatisierungen unmöglich machen." Bei anderen Sektoren könne er sich vorstellen, dass etwa Nutzungsrechte vergeben werden. "Die Preise für die Bürger müssen sinken, die Qualität steigen."
Roßberg musste sich fragen lassen, wie er Privatisierungen umsetzen will, die seine FDP will, die PDS als seine stärkste Unterstützungspartei aber ablehnt. "Ich komme mir vor wie auf dem Sommerschlussverkauf", sagte er. Das Problem sei zu vielschichtig, als dass man es auf einer Podiumsdiskussion lösen könne. "Es geht doch dabei nicht nur darum, ein paar Woba-Wohnungen zu verkaufen. Wenn das nötig wird, dann zu allerletzt. Und wenn etwas übrig ist, stecken wir es in die Schulen." Konkrete Angaben, wo er denn das Geld für seine Projekte hernehmen wolle, machte Roßberg jedoch nicht.
Wagner sagte dazu, "wenn wir Straßen reparieren und Schulen schnell sanieren wollen, benötigen wir zusätzliche Mittel." Privatisierungen seien kein Verscherbeln von Tafelsilber. "Wenn wir damit Schulen und Kitas sanieren, entsteht neues städtisches Vermögen."
Erst beim Problemfeld Jugend beharkten sich die bis dahin ziemlich disziplinierten Kandidaten doch noch. "Wir geben für die Jugend im Jahr 500 Millionen Mark aus", sagte Wagner. "In Dresden werden 61 Jugendprojekte durch Kürzung der Mittel gestrichen", hielt Roßberg dagegen, der die Mittel für freie Träger über 16 Millionen Mark im Jahr anheben will. "Oberste Priorität muss die Sanierung unserer Schulen sein, in die alle gehen müssen", schlug Wagner zurück.
Da kam auch Berghofer aus der Deckung, polterte gegen Roßbergs Finanzpolitik: "Wie wollen sie denn das alles durchsetzen als Leiter einer Parteiholding mit rot-grün und weiß ich was?" Zur Jugendförderung gehöre im übrigen auch der Sport: "Da war Dresden schon einmal viel besser."
(Markus Lesch)