Karl Nolle, MdL

DNN, 02.06.2001

Oberbürgermeister Wagner hat vor Wahlendspurt die Nase vorn

Anhänger von Ingolf Roßberg glauben nur zu 42 Prozent an einen Erfolg
 
DRESDEN. Das Rennen um den Oberbürgermeisterposten ist weiterhin nicht klar gelaufen. Eine Woche vor der Wahl am 10. Juni kommt Amtsinhaber Herbert Wagner (CDU) nach einer repräsentativen Umfrage des Instituts für Kommunikationswissenschaften der TU Dresden im Auftrag der DNN auf 38 Prozent. Damit liegt er acht Prozentpunkte vor seinem Herausforderer Ingolf Roßberg, der mit Unterstützung von fünf Parteien für die Bürgerinitiative "OB für Dresden" antritt. Zum Sieg im ersten Wahlgang ist die absolute Mehrheit erforderlich, und noch ist über ein Viertel der Wählerschaft unentschieden. Rechnet man die „weiß nicht"- Antworten heraus, kommt Wagner auf 52,8 Prozent, Roßberg auf 41,6. Drei Prozent statistischer Fehlerspanne lassen ein knapperes wie ein klareres Ergebnis zu.

„Offen, mit Vorteilen für Wagner" lautet daher die Einschätzung im Institut für Kommunikationswissenschaften, das im Mai für die DNN 865 Wahlberechtigte befragt hat. Jetzt komme es darauf an, wer die Wähler seines eigenen Lagers besser mobilisiert und am 10. Juni an die Wahlurne bringt.

Den beiden anderen Kandidaten. der parteilosen Friederike Beier und Ronald Galle von der Bürgerrechtsbewegung Solidarität (Böse), bleibt mit zusammen vier Prozent die erwartete Randrolle neben dem Duell Wagner-Roßberg. Nach Einschätzung von Wahlmanagern und Beratern zieht Beier ihre Stimmen vorwiegend aus der potenziellen Wählerschaft Roßbergs und könnte damit für einen lokalen Ralph-Nader-Effekt sorgen. Nader, grüner Kandidat bei den US-Präsidentschaftswahlen im vergangenen Herbst, hatte den Demokraten Al Gore im Kopf-an-Kopf-Rennen mit George W Bush um die entscheidenden Stimmen gebracht.

Bei ihrer Plakatierung gehen beide Spitzenbewerber etwa gleich erfolgreich aus unserer Umfrage heraus. 84 Prozent haben die Plakate von Wagner gesehen, der einheitlich auf den blauen CDU-Schildern wirbt, 77 Prozent die unterschiedliche Roßberg-Werbung, die sich seine Bürgerinitiative und mehrere Parteien teilen. Exakt die Wage halten sich die Meinungen, welche Plakate ansprechender sind.

Auch wenn ihn auf seinen Wahlplakaten fünf Parteien und eine Wählervereinigung stützen, hat FDP-Mann Roßberg damit nicht zugleich deren volle Wählerschaft hinter sich. Am auffälligsten ist das bei der SPD. Parteichefin Marlies Volkmer sieht in den Sozialdemokraten zwar die Lokomotive des Roßberg-Bündnisses. Noch nicht einmal die Hälfte ihrer Anhängerschaft aber will ihn wählen, rund jeder Fünfte hingegen für Wagner stimmen. Anders hingegen die Grünen-Wähler, die in gleichem Maße hinter Roßberg stehen wie die CDU-Anhänger hinter Wagner.

Bei den Wählern der PDS, deren Vorstand mit den „Die Abwahl geht vor“ - Schildern dem Vernehmen nach für Unmut bei Roßberg sorgte, wollen 59 Prozent der Empfehlung der Parteispitze folgen. Bei den Liberalen ist die Wählerschaft weniger tief gespalten als es die FDP-Mitglieder bei ihrem Parteitag waren. War dort das Verhältnis knapp 60 zu 40 pro Roßberg, entscheidet sich bei den FDP-Wählern über die Hälfte für Roßberg und weniger als ein Sechstel für Wagner.

Roßberg, der wie der amtierende OB von einem Sieg am 10. Juni ausgeht, hat es bislang offenbar nicht verstanden, seine Zuversicht auch auf seine Anhänger zu übertragen. Bei unserer Frage, wer rein nach Gefühl die Wahl gewinnt, glaubten nur 42 Prozent der Roßberg-Wähler auch an seinen Sieg. Bei den Unterstutzern von Herbert Wagner hingegen gehen 77 Prozent von einem Erfolg ihres Favoriten aus. Bezogen auf alle Befragten erwarten bei diesem Aus-dem-Bauch-Gefühl 52 Prozent einen Wagner-Sieg, 18 Prozent sahen Roßberg vorn.

In der Bekanntheit liegen die beiden Spitzenbewerber nur wenig auseinander. Beier und Galle haben es mit einem unspektakulären Wahlkampf ohne große Promi-Auftritte geschafft, dass fast jeder zweite ihren Namen kennt.

Der Vorsprung Wagners bei der Wahlabsicht entspricht den Ergebnissen bei der vermuteten Kompetenz der Kandidaten. In vier von sechs Feldern liegt der Amtsinhaber hier vor Roßberg. Dem Herausforderer trauen die Befragten allerdings ausgerechnet beim Verkehr eher als Wagner zu, die Dresdner Probleme zu lösen. Gerade in diesem Feld hatte die CDU Roßberg als Verhinderer hingestellt. Am deutlichsten liegt Wagner in punkto Wirtschafts- -und Kulturförderung vor Roßberg. Der Amtsinhaber wird zudem vor allem bodenständiger, glaubwürdiger, sozialer und bürgernäher als Roßberg eingeschätzt - und anders als noch bei unserer März-Umfrage, wenn auch knapp, als durchsetzungsfähiger und gewandter. Der Herausforderer gilt lediglich als dynamischer.

Anders sah die Situation im März aus, als noch der frühere OB Wolf-gang Berghofer als Kandidat im Ge-spräch war. Ihn hielten die Befrag-ten damals für deutlich dynamischer, durchsetzungsfähiger, und ge-wandter als Wagner. Berghofer aber warf vor drei Wochen das Handtuch und machte dafür die PDS verant-wortlich. Der Vorsprung Wagners zeigt, dass Berghofers Anhänger keinesfalls - nach dem „Die Abwahl geht vor" - Motto - komplett zu Roß-berg wechselten. Im März hatten sich auf die Frage, wen sie am liebs-ten als Oberbürgermeister hätten, 23 Prozent für Wagner und je 18 Prozent für Roßberg und Berghofer ausgesprochen. Der Rest war unentschieden.

Auf einem hohen Niveau bewegen sich die Aussagen zur voraussichtlichen Wahlbeteiligung. Drei von vier Wahlberechtigten sagen, dass sie am 10. Juni ihre Stimme abgeben wollen. In Chemnitz hatte die Beteiligung bei der OB-Wahl Mitte Mai mit knapp über 40 Prozent einen Tiefpunkt für Sachsen erreicht. „Gehen Sie hin, und nehmen Sie noch welche mit", forderte am Mittwoch in der Prager Straße die frühere brandenburgische Sozialministerin Regine Hildebrandt. Vor sieben Jahren gaben bei der Dresdner OB-Wahl im ersten Wahlgang 67 Prozent ihre Stimme ab. Im zweiten Durchgang, in dem sich Wagner als OB behauptete, waren es nur noch 52 Prozent.

Wählen wollen überdurchschnittlich stark die älteren Bürger, nämlich 83 Prozent. Unterdurchschnittlich ist die Wahlbeteiligung voraussichtlich bei den 18- bis 24-Jährigen mit 58 Prozent. Frauen streben zudem stärker an die Wahlurne als Männer: 78 Prozent zu 74 Prozent ist hier das Verhältnis.
(Stefan Alberti)

Karl Nolle im Webseitentest
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