DNN, 05.10.2000
SPD-Spitze setzt auf Karl Nolle
PDS-Fraktionschef rechnet noch mit Berghofer
DRESDEN.
Karl Nolle ist der Mann, mit dem die SPD-Spitze in die Oberbürgermeisterwahl im Juni 2001 gehen will. Im Stadtausschuss der Partei haben sich 15 von 18 Mitgliedern für den 55-jährigen Landtagsabgeordneten und Druckereibesitzer als Kandidaten ausgesprochen. Endgültig nominieren soll ihn voraussichtlich Anfang Januar eine Vollversammlung der rund 600 Dresdner Sozialdemokraten. Bereits vergangene Woche war durchgesickert, dass eine Findungskommission der Partei Nolle favorisierte (DNN berichteten).
Für Stadtausschuss-Chef René Vits verkörpert Nolle eine Mischung aus Biedenkopf und Gysi und kann sowohl in der PDS-Wählerschaft als auch im Bürgertum Stimmen sammeln. Eine Partei-Etage höher zeigt die Chefin des SPD-Unterbezirks Dresden-Elbe-Röder, Nolles Landtagskollegin Marlies Volkmer, weiter Interesse an einem Wahlbündnis mit PDS und Grünen. Aus der PDS-Spitze waren vergangene Woche massive Zweifel an Nolles Mehrheitsfähigkeit gekommen. Von Nolle nach diesen Reaktionen und verhaltenem Echo bei den Grünen abzurücken, stand laut Volkmer nicht zur Diskussion.
Nolle will in den Monaten bis zur Nominierungsversammlung durch die SPD-Ortsvereine touren und mit PDS und Grünen sprechen. Trotz der heftigen Kritik von PDS-Chef Michael Schrader - "nicht mehrheitsfähig" - setzt er auf Unterstützung aus dessen Partei. Im Landtag habe schließlich er entscheidend dazu beigetragen, das Verhältnis zwischen SPD und PDS zu entkrampfen. Schrader mochte gegenüber den DNN gestern nicht von seiner ablehnenden Haltung abrücken. Der PDS-Stadtvorstand soll sich übernächste Woche mit dem Thema Nolle beschäftigen, aber noch keine Entscheidung treffen.
Deutlicher als noch vergangene Woche äußerten sich die Grünen: "Zur Zeit sieht es nicht so aus, dass Nolle ein gemeinsamer Kandidat im ersten Wahlgang sein könnte", sagte Eva Jähnigen, Sprecherin der Stadtratsfraktion.
Schon zuvor rechnete PDS-Fraktionschef Ronald Weckesser damit, dass bis Ende Herbst eine Wählerinitiative Dresdens letzten SED-OB Wolfgang Berghofer nominiert. Berghofer, der im Frühjahr bei der SPD als Kandidat gehandelt wurde, habe inzwischen "Blut geleckt" und sei noch nicht vom Tisch, sagte Weckesser den DNN. Berghofer, der in Berlin ein Beratungsbüros hat, sei auffallend oft in Dresden. Unter anderem ist er am 9. Oktober für ein Podiumsgespräch beim "Runder Tisch Altstadt" angekündigt. "Das macht der doch nicht von Berlin aus als Privatier", sagte Weckesser. Berghofer hatte eine Kandidatur für eine parteiunabhängige Initiative nicht ausgeschlossen.
(von Stefan Alberti)