Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 08.11.2000

"Provinzposse hat Dresden nicht verdient"

Wolfgang Berghofer hält Kandidatur offen / Keine linke Wirtschaftspolitik
 
DRESDEN. Der letzte Dresdner Oberbürgermeister in der DDR, Wolfgang Berghofer, will selbst bekannt geben, ob er zur OB-Wahl 2001 antritt. Gestern stellte er sich den Fragen der Sächsischen Zeitung.

SZ: Was sagen Sie zu den heftigen Auseinandersetzungen um einen gemeinsamen Kandidaten der Linken für die OB-Wahl im kommenden Sommer?
Wolfgang Berghofer: Ich kann darüber nur lächeln. Ich habe keine Lust, mich auf eine solche Provinzposse einzulassen, die Dresden nicht verdient hat.

SZ: Der designierte SPD-Kandidat KARL NOLLE verglich Sie mit Egon Krenz.
Wolfgang Berghofer: Das zeigt, dass er von der Realität der DDR keine Ahnung hat. Damit beleidigt er aber auch die Menschen hier. Im übrigen hat er mich, also Krenz, noch in der vergangenen Woche über einen Anwalt um Unterstützung gebeten.

SZ: Wie beurteilen Sie den Kandidaten der Union, Oberbürgermeister Herbert Wagner?
Wolfgang Berghofer: Ein anständiger Mann. Er hat sich 1989 verdient gemacht. Aber das ist Vergangenheit.

SZ: Wie real ist Ihre eigene Bewerbung um das Amt?
Wolfgang Berghofer: Ich habe nie die Möglichkeit ausgeschlossen, dass ich für eine Kandidatur zur Verfügung stehe. Es ist eine vage Option, die von vielem abhängt.

SZ: Mit welchen Parteien sind Sie im Gespräch?
Wolfgang Berghofer: Ich bin mit keiner Partei im Gespräch oder in Verhandlungen. Ich bin bestenfalls ein virtueller Kandidat, den aber offensichtlich einige fürchten.

SZ: Wann fällen Sie denn die Entscheidung, ob Sie antreten?
Wolfgang Berghofer: Wann es so weit ist, werde ich selber sagen. Jedenfalls werde ich dann den Dresdnern offen gegenübertreten und in die Augen schauen.

SZ: Sie haben eine gute Position in der Wirtschaft, Kontakte zu einflussreichen Leuten. Warum wollen Sie OB von Dresden werden?
Wolfgang Berghofer: Wirtschaftlich macht das keinen Sinn, und die Familie ist auch nicht nur begeistert von dieser Vorstellung. Vielleicht ist verletzte Eitelkeit dabei. Und als Oberbürgermeister hätte ich heute Möglichkeiten, in der Stadt etwas vorwärts zu bewegen, die ich vor 1990 nicht hatte.

SZ: Könnten Sie sich eine andere Stadt vorstellen, wo Sie Oberbürgermeister werden wollen?
Wolfgang Berghofer: Nein. Ich habe Dresden verinnerlicht, die Stadt lässt einen nicht mehr los.

SZ: Die PDS bringt Sie als gemeinsamen Kandidaten der Linken ins Spiel. Wären Sie ein linker OB?
Wolfgang Berghofer: Zunächst mal, ich habe meiner Austrittserklärung aus der PDS nicht hinzuzufügen. Aber ich würde vor allem in Fragen der Wirtschaft und Verwaltung keine als links bezeichnete Politik betreiben.

SZ: Was heißt das konkret?
Wolfgang Berghofer: Dresden hat enorme Standortvorteile, die genutzt werden müssen. Nach München, Hamburg und Frankfurt am Main hat Dresden die besten Entwicklungspotenziale. Aber es geht nicht voran. Die Entscheidungen darüber müssen jetzt gefällt werden, sonst werden wir überholt. Aber nein, es gibt immer wieder die Bauchnabelschnur in der Käseglocke.

SZ: Gibt es Beispiele?
Wolfgang Berghofer: Zwischen Torgau und Dresden sind in den letzten fünf Jahren fünf Brücken gebaut worden. Die waren zusammen so teuer wie die eine Waldschlösschenbrücke in Dresden, die noch nicht mal angefangen ist.

SZ: Welche Stadt überholen uns?
Wolfgang Berghofer: Allein in Sachsen gerät Dresden gegenüber Leipzig, aber langsam auch Chemnitz ins Hintertreffen.

SZ: Das wollen Sie ändern?
Wolfgang Berghofer: Das muss geändert werden, egal von wem. Wagner hat es bisher nicht vermocht, und mit Nolle geht das gleich gar nicht. Was dem einen an Kompetenz fehlt, hat der andere an Dummheit zuviel.
(Das Gespräch führte Markus Lesch)

Kommentar
Das Stadtoberhaupt dieser freiheitlichen demokratischen Gesellschaft sollte frei von Belastungen und persönlicher Schuld aus einer vordemokratischen Zeit sein und nicht vorbestraft. Ein solcher überparteilicher Spitzenrepräsentant der Bürger dieser Stadt kann nicht zugleich Repräsentant und damit Teil der Nomenklatura der alten DDR gewesen sein. Niemand ist zugleich Aufseher und Insasse, oben und zugleich unten. Das ändert nichts an seinem Sachverstand und der Selbstverständlichkeit zur sachlichen Zusammenarbeit mit ihm, wenn er denn Demokrat geworden ist und die notwendige Toleranz mitbringt. Mit persönlichen Beleidigungen Plattmachen gehört für mich in das Repertoire einer vergangenen Zeit. Schade, Herr Berghofer, so gibt man sich zu erkennen.
Ihr Karl Nolle

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