DNN, 11.11.2000
Berghofer oder Nolle oder wer?
Von Woche zu Woche, Kommentar zum Wochenende
DRESDEN. Für die, US-Amerikaner folgte die Qual nach der Wahl, in Dresden ist es umgekehrt. Sonst gibt es da nicht viel zu berichten. Oder doch? Amerikanischer Wahlkampf soll das neue Zaubermittel sein, um die Herzen und/oder Hirne der traditionsbewussten Dresdner zu gewinnen. Zwei Protagonisten überbieten sich jetzt schon, unabhängig von fachlicher Eignung, beim Erzeugen ganz unterschiedlich gemischter Gefühle im Wahlvolk.
Wie Phönix aus der Asche des Wahlbetrugs und der Immobilienspekulation stieg ein ehemaliger SED-Genosse. über den um so mehr geredet und geschrieben wird, je widerlicher (angeblich?) der Gedanke, er könnte ein zweites Mal und nun als tatsächliches Stadtoberhaupt antreten. Höhere Diplomatie, dem Kandidaten das Prädikat "virtuell" anzuheften, das sowohl der "Möglichkeit nach" als auch „scheinbar nicht wirklich“ bedeuten kann. Nischt Genaues weeß mer ni, sagt der Dresdner.
Als „nominiert" bezeichet sich der zweite Kandidat. Was schlicht „benannt" und nicht etwa offiziell ins Rennen geschickt bedeutet. Doch in Anbetracht außerordentlichen Selbstbewusstseins, dicken ... was denken Sie? Portmonees und höherer Gunst scheint der Rest nur eine Frage der Zeit. Schließlich hat sich der erfolgreiche Unternehmer „die Modernisierung der sächsischen SPD hin zu einer ideologiefreien Partei der sozialen Marktwirtschaft mit professionellem Management" vorgenommen. Wie das in den Ohren derer klingt, die in der DDR von einem SPD-regierten Land träumten, kann ich mir vorstellen.
Ja sicher, Dresden ist eine etwas konservative Stadt, ihr kultureller Leitstern „die Wiederherstellung eines barocken Marktplatzes“, um ihre Ämter bewirbt man sich am besten probehalber oder wenn man seinen Zenit überschritten hat.
Dass Berghofer 1989 ein paar Tausend Gegenstimmen unter den Tisch fallen ließ, war schlimm genug, ließ aber letztlich auch das berühmte Fass überlaufen. Ein Schaubuden-Wahlkampf unter Polit-Athleten würde wohl statt der einst heiß ersehnten Demokratie vor allem die Fraktion der Nichtwähler stärken.
Und letztlich bliebe wohl alles beim alten, sprich derzeitigen Amtsinhaber. Vielleicht Nostalgie zu denken, wer auch immer diesen Stuhl besetzt, sollte erster Bürger seiner Kommune und vom Vertrauen der Mehrheit getragen sein. Aber doch ein Armutszeugnis für die Stadt, wenn sich niemand fände, der genau
in diesem Sinne als Herausforderer antritt. Tut mir leid, da kann ich bisher niemanden erkennen. Trotzdem ein schönes Wochenende. Ihr Thomas Pätzold
Kommentar
Entschuldigung, ich muß Thomas Päzold etwas korregieren.
1) Niemand von uns hat gesagt, wir wollten einen amerikanischen Wahlkampf. Aber von der Beobachtung des Präsidentschaftswahlkampfes wird man sicher nicht dümmer, oder? Die eine oder andere neue Idee könnte Dresden sicher auch gebrauchen. Deshalb haben wir das gemacht.
2) Karl Nolle ist ein designierter Kandidat, durch den dafür zuständigen Stadtausschuss der Dresdner SPD mit 86 % Zustimmung bestimmt. Mit der Designierung wird er bis zur satzungsgemäßen Wahl durch die Mitgliedervollversammlung der SPD am 6.01.01 üblicherweise als Kandidat arbeiten und auftreten, was sonst ist Designierung?. Päzolds Wortspiel um "nominiert" liegt daneben.
3) Was an "dem Ziel einer ideologiefreien Partei der sozialen Marktwirtschaft
mit professionellem Management", ein Nolle-Zitat aus dem Sommer 99, auszusetzen ist, kann ich nicht nachvollziehen. Ideologiefrei heißt doch, eine Politikkonzeption ohne Anspruch auf eine geschlossenes System letzter Wahrheiten. Was ist daran nicht ok, Herr Päzold? Was ist am grundsätzlichen Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft nicht ok, Herr Päzold?
Ich bin nicht der Meinung, wir hätten diese schon, schon garnicht ausreichend.
Manchmal denke ich, das einige in unserem Lande mehr "freiheitliche Gewerbeordnung" als soziale Marktwirtschaft meinen oder verstehen wollen, besonders die Sächsischen Marktwirtschafts"anarchisten" um Minister Schommer und MP Biedenkopf.
4) Der OB soll erster Bürger der Kommune und vom Vertrauen der Mehrheit getragen sein. Das finde ich auch, Herr Päzold.
5) Der OB muß Ober-bürger-meister nicht Ober-parteien-meister sein, als Person getragen von einer breiten Bürgerallianz. Deshalb bewerbe ich mich um dieses anspruchsvolle und bedeutsame überparteiliche Amt.
6) Bei dem dicken ... meinten Sie sicher meinen dicken Erfolg als sozialer Unternehmer, Herr Päzold, oder nicht?
Ihr KARL NOLLE, MdL