Karl Nolle, MdL

DNN, 13.11.2000

"Die Abneigung gegen die PDS sitzt bei der SPD einfach zu tief"

DNN-Interview mit TU-Politikwissenschaftler Prof. Werner J. Patzelt
 
DRESDEN. Der Kandidatenstreit bei den linken Parteien prägt die Vorphase der Oberbürgermeisterwahl 2001, die CDU kann in Ruhe zuschauen. Wie stellt sich die Lage für einen Politikwissenschaftler dar? DNN-Redakteur Stefan Alberti sprach darüber mit einem der führenden Parlamentarismusforscher, TU-Professor Werner J. Patzelt.

Patzelt: Sie wissen schon, dass ich CDU-Mitglied bin und mich auch im Wahlkampf engagiert habe?

DNN: Nachdem Sie Stargast beim PDS-Jubiläum waren und im Sommer von Ihrer Partei wegen ihrer wenig schmeichelhaften Umfrageergebnisse zu OB Wagner Haue bekommen haben, ist das für uns kein Problem.

Für mich auch nicht.

DNN: Zentrale Frage scheint zu sein: Die Linke weiß, dass sie mit einem Bündnis gewinnen kann, kriegt aber bislang nichts auf die Reihe - wieso?

Der Schlüssel zur Erklärung ist für mich, dass die Dresdner SPD in großer Aufrichtigkeit nicht mit der PDS zusammenarbeiten will. Sonst hätte überhaupt nichts dagegen gesprochen, gerade bei dem pragmatischen Dresdner PDS-Flügel, sich rechtzeitig zusammenzusetzen und sich auf einen gemeinsamen Kandidaten zu einigen.

DNN: Warum sollte die Partei sehend in die Wahlniederlage steuern?

Die Abneigung gegen die PDS sitzt bei der SPD einfach zu tief. Und in einer solchen Situation ist man dann entweder Gesinnungsethiker oder Machttechniker. Die Sozialdemokraten hier sind eher gesinnungsethisch als machiavellistisch. Wobei ich gespalten bin, ob ich das bedauern oder begrüßen soll. Denn dass einer in der Politik sagt: ,Wir könnten es anders machen, aber wir wollen es aus Prinzip nichtÔ - das ist eigentlich eine so honorige Haltung, dass man nicht noch sagen muss: "Mein Gott, seid Ihr ungeschickt!"

DNN: Links ist kein Bündniskandidat in Sicht, und in der CDU kritisierte man Wagner und hatte doch keinen Besseren - ist doch im Grunde ein Armutszeugnis für die Parteienlandschaft.

Das ist die Diagnose für alle neuen Bundesländer. Es gibt viel zu wenig Leute, die gerne Politik machen, die politische Ämter anstreben, die in die Parteien gehen. Das heißt, dass das politische System ein Stück weit von den Bürgern im Stich gelassen wird. Man erwartet, dass möglichst gute Kandidaten kommen, bloß man selber hält sich zurück.

DNN: Immerhin zeigt sich gerade in den USA, dass ein paar Stimmen entscheiden können. Wird das im nächsten Jahr bei uns zumindest für eine höhere Wahlbeteiligung sorgen?

Das hängt vor allem von der Frage ab: Habe ich als Wähler den Eindruck, dass ich wirklich etwas zu entscheiden habe? Wenn das Bild vor dem Wahltag ist, dass Wagner gegen den Nolle und die Ostrowski antritt, dann ist für den normalen Bürger ziemlich klar, dass Wagner gewinnt. Dann mobilisiert das nicht allzu sehr.

DNN: So muss das Bild ja nicht aussehen.

Angenommen, die SPD und die PDS einigen sich und nominieren den Berghofer. Und der präsentiert sich dann als Lichtgestalt, die immer schon perfekt war, die lediglich durch die widrigen Systemumstände - von denen er sich natürlich auf das Heftigste distanziert - gehandicapt war, die jetzt auch noch gute Kontakte in die Wirtschaft hat: Wenn dann die CDU noch schmutzige Wäsche bei sich wäscht, dann kann ich Ihnen garantieren, dass es sehr spannend und die Wahlbeteiligung sehr groß wird.

DNN: Malen wir mal ein anderes Szenario: Ein Bündnis scheitert, auch Berghofer kommt nicht, und im zweiten Wahlgang tritt nur Ostrowski gegen Wagner an. Was passiert dann?

Dann hängt auf der CDU-Seite alles von zwei Faktoren ab. Erstens: Ob die CDU im Wahlkampf anfängt, ihre internen Streitigkeiten auszutragen und manche Leichen, die es angeblich gibt, auszugraben beginnt. Und zweitens: Ob Wagner es schafft, eine Imageänderung hinzukriegen, ob er es also schafft, so zu werden, wie normalerweise ein langjähriger Oberbürgermeister ist, ein bisschen volkstümlicher halt. Gelingt beides, dann kann er einer Auseinandersetzung mit Frau Ostrowski getrost entgegen sehen.

DNN: Und wenn aus der Imageänderung nichts wird?

Sprödigkeit allein wird ihn nicht verlieren lassen. Wenn zur Sprödigkeit aber eine von Gegnern glaubhaft gemachte Erschütterung seiner persönlichen Integrität käme, dann wäre da eine Achillesferse. Als derzeitiges Fazit kann man sagen: Es schaut für die CDU wesentlich weniger schlecht aus, als man im Frühjahr argwöhnen konnte.

Karl Nolle im Webseitentest
der Landtagsabgeordneten: