Karl Nolle, MdL

Wiesbadener Kurier, 16.01.2001

Kein "durchgeknallter Apparatschik"

Ex-SED-Oberbürgermeister Berghofer will wieder kandidieren
 
DRESDEN. Wird die Landeshauptstadt Dresden demnächst vom früheren Dresdner SED-Oberbürgermeister Wolfgang Berghofer regiert werden? Mit dieser spannenden Frage beschäftigen sich die Bürger der sächsischen Metropole, seit Berghofer öffentlich mit dem Gedanken spielt, bei der nächsten OB-Wahl im Juni als parteiloser Kandidat anzu-"Zum Wohle Dresdens" treten. "Ich werde mir die Sache überlegen", ließ der inzwischen als freier Unternehmensberater tätige Berghofer verlauten. Und fügte vieldeutig hinzu: "Sollte ich zu dem Ergebnis gelangen, dass meine Kandidatur zum Wohle Dresdens und seiner Bürger geschieht, dann werde ich dies rechtzeitig und eindeutig zur Kenntnis bringen."

Berghofer kann in der Stadt seines einstigen Wirkens schließlich mit breiter Zustimmung rechnen: Umfragen ergaben, dass der in der Stadt immer noch beliebte frühere SED-Mann allerbeste Chancen hat, das amtierende CDU-Stadtoberhaupt Herbert Wagner schon im ersten Wahlgang zu schlagen. Möglicherweise kann Berghofer sogar mit der Unterstützung der Opposition rechnen: Sowohl SPD als auch PDS haben durchblicken lassen, dass sie einen Kandidaten Berghofer "für durchaus vorstellbar" halten.

Mit Berghofer versucht ein schon zu DDR-Zeiten angesehener Politiker sein Comeback. Der in Bauzen geborene Arbeitersohn und gelernte Maschinenbauer und zeitweilige inoffizielle Stasi-Mitarbeiter war 1986 zum Dresdner Oberbürgermeister ernannt worden. Berghofer gehörte Ende der 80er Jahre zu den Hoffnungsträgern der SED. "Er war jedenfalls nicht so ein durchgeknallter Apparatschik wie andere führende Genossen", heißt es in Dresden. Im Wendeherbst 1989 diskutierte Berghofer mit den Demonstranten und hoffte sogar auf ein Ministeramt im ersten Kabinett Biedenkopf. Doch der ließ ihn wie eine heiße Kartoffel fallen, als Berghofers Verstrickungen in die Wahlfälschungen bei den DDR-Kommunalwahlen bekannt wurden.

Berghofer resignierte: Er trat aus der SED/PDS aus. Anfang der 90er Jahre wurde er dann vom Landgericht Dresden wegen Wahlfälschung zu einem Jahr Haft auf Bewährung sowie zu einer Geldbuße in Höhe von 36 000 Mark verurteilt. Er nahm das Urteil an - und gilt seitdem als vorbestraft.

Dass der frühere SED-Mann überhaupt als ernsthafter Kandidat gehandelt wird, ist vor allem auf das Ungeschick des bisherigen SPD-OB-Kandidaten Karl Nolle zurückzuführen, der nach einer Pannenserie vor einer Woche das Handtuch warf. Der aus Hannover nach Dresden übergesiedelte Druckereiunternehmer trat von einem Fettnäpfchen ins andere: Er sprach im Zusammenhang mit den Vorfällen in Sebnitz von "ethnischer Stoiberung" und versprach zum Entsetzen seiner Parteifreunde jedem jungen Deutschen, der nach Sachsen umziehe, aus der Stadtkasse ein "Begrüßungsgeld" in Höhe von 5000 Mark.

Zum Schluss war auch der SPD die "Politgurke Nolle" (so die Grünen) unheimlich geworden und sie zwang den West-Import zum Rückzug von der Kandidatur. Jetzt wollen die Sozialdemokraten möglichst zusammen mit der PDS und den Grünen nach einem gemeinsamen Kandidaten für das Amt des Oberbürgermeisters suchen. Ob die drei Parteien sich dabei auf Berghofer einigen können, ist noch offen. Die PDS ist jedenfalls kompromissbereit: sie hat zwar in der Zwischenzeit ihre Bundestagsabgeordnete Christine Ostrowski zur OB-Kandidatin gewählt. Aber die hat bereits durchblicken lassen, dass sie im Fall einer Bewerbung Berghofers von ihrer Kandidatur zurücktreten könnte . . .
(Dieter Stäcker)

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