DNN, 22.12.2000
SED-Bürgermeister retour
Versteckspiel und politische Avancen
DRESDEN. Kurt Biedenkopf hat schon eine ganze Reihe von Nettigkeiten über seinen Freund Wolfgang Berghofer hören lassen. Der frühere SED-Oberbürgermeister von Dresden verfüge "über großes politisches Talent, eine klare Ausdrucksweise und die Fähigkeit, die wichtigsten Gesichtspunkte eines Arguments einleuchtend und überzeugend zusammenzufassen", schrieb Sachsens heutiger CDU-Ministerpräsident im März 1990 in sein Tagebuch. Es sieht so aus, als habe sich Berghofer auf sein politisches Talent besonnen. In Dresden gilt es als so gut wie sicher, dass der frühere OB wieder für sein altes Amt kandidiert.
Der 57-Jährige, der heute in Berlin arbeitet, hat in den vergangenen Monaten geäußert, dass ihn das Amt sehr reize. Er befinde sich weiterhin in einem "Abwägungsprozess", lässt er den DNN mitteilen. So ähnlich äußert er sich auch heute Abend im MDR-Riverboat - die Sendung wurde bereits vor zwei Wochen aufgezeichnet. Seine Entscheidung hänge davon ab, "was gut für Dresden ist".
Die sächsische Landeshauptstadt ließ Sympathien für den Alt-OB erkennen. Laut einer DNN-Umfrage hat er den Amtsinhaber bereits überholt. Am größten ist die Zustimmung aus den Reihen der PDS. Das ist zugleich Berghofers größtes Problem. Er ist zwar im Januar 1990 aus der SED/PDS ausgetreten. Die vier Wochen zuvor war er aber deren stellvertretender Bundesvorsitzender. Zudem wurde er 1992 wegen Wahlfälschung zu einer Bewährungs- und Geldstrafe verurteilt. Wagner dagegen war Mitglied der revolutionären "Gruppe der 20".
Daher will Berghofer vermeiden, in die Nähe der heutigen PDS gerückt zu werden, um in Dresden mehrheitsfähig sein zu können. "Herr Berghofer wird sich zu einer möglichen Kandidatur nicht erklären, bevor die PDS nicht einen eigenen Kandidaten aufgestellt hat", teilt sein Büro mit.
Dies wird vielfach als Zusage zur Kandidatur verstanden - nur die eine Bedingung muss noch erfüllt werden. Und die PDS hat sich nun auch entschlossen, am 3. Februar eine Kandidatin zu nominieren: voraussichtlich die Bundestagsabgeordnete Christine Ostrowski. Ostrowski hat zwar bei der letzten Wahl bereits 29 Prozent gegen Wagner geholt. Sie weiß aber, dass die PDS in Dresden kaum eine absolute Mehrheit erringen kann. Von Ostrowski ist bekannt, dass sie eine Kandidatur Berghofers begrüßen würde, um die ersehnte Ablösung Wagners zu erreichen.
Die Dresdner Oppositionsparteien scheiterten in dem Bemühen, sich auf einen gemeinsamen Kandidaten zu einigen. Diese Woche konnten sie sich aber darauf verständigen, eine gemeinsame Empfehlung für den zweiten Wahlgang zu geben - falls alle Kandidaten die absolute Mehrheit verfehlt haben sollten.
Der könnte Berghofer heißen - auch wenn sich der designierte SPD-Kandidat, der Landtagsabgeordnete
Karl Nolle, höchst abfällig über "den Wahlfälscher" äußert. Biedenkopf lässt dagegen gar nichts zu dem Thema hören. Berghofer sei ihm "auch persönlich sympathisch", schrieb der Ministerpräsident 1990. Und weiter: "Ich denke, dass wir noch viel miteinander zu tun haben werden."
(von Sven Siebert)
Kommentar: Seven Siebert behauptet wahrheitswidrig, ich hätte von Berghofer "dem Wahlfälscher" gesprochen. Das ist durch keine meiner bisherigen Aussagen, die ja vollständig in dieser Datenbank archviert sind, belegt. Das ist einfach erfunden (nicht das erste Mal). Im Übrigen kann jeder hier nachlesen "Suchwort Berghofer" was ich tatsächlich gesagt habe. Sehr wundern muß ich mich allerdings, daß ein Journalist der LVZ/DNN im Zusammenhang mit dem angeblichen Nolle-Zitat "Wahlfälscher" von abfälliger Äußerung spricht. Ist es Herrn Siebert nicht bekannt, daß Berghofer rechtskräftig verurteilt wurde, wegen Fälschung der Wahlergebnisse in Dresden. Ist diese Verurteilung eine Abfälligkeit, oder Herr Siebert gar ein Sympatisant dieses Rechtsbruches von Berghofer? KARL NOLLE