Sächsische Zeitung, 30.12.2000
Sächsisch betrachtet - eine Vorschau auf 2001
Vorwärts immer, rückwärts nimmer, Nolle speckt ab
JAHRESRÜCKBLICKE sind doof. Schließlich wissen doch alle, was im Laufe eines Jahres so passiert ist. Mehr oder weniger jedenfalls. Aber wissen Sie auch, was passieren wird? Wir können es Ihnen sagen. Und alles wird auch so kommen - mehr oder weniger.
JANUAR. CDU-Chef Fritz Hähle gewinnt die Wiederwahl zum Fraktionsvorsitzenden mit sagenhaften 99,9 Prozent der Stimmen und meldet spontan seinen Anspruch auf den Stuhl des Ministerpräsidenten an. Daraufhin fordert Amtsinhaber Kurt Biedenkopf den Aufmüpfigen zum Rededuell. Hähle gibt kleinlaut bei.
FEBRUAR. Die Angst vor BSE greift um sich, doch Sachsens Landwirtschaftsminister Steffen Flath lässt sich nicht beirren und beißt bei jeder Gelegenheit lustvoll in Wurst, Rindersteak und Gummibärchen. Bald gibt es Gerüchte um seinen Rücktritt: Die Honorare für Fernsehwerbung übertreffen sein Ministergehalt um ein Vielfaches.
MÄRZ. Die Ministerin für die Gleichstellung von Frau und Mann, Christine Weber, erklärt den 8. März zum Internationalen Frauen- und Männertag. "Es war nicht alles schlecht in der DDR", sagt sie zur Begründung, "aber wir können vieles besser machen."
APRIL. Wirtschaftsminister Kajo Schommer begibt sich auf Dienstreise, um wichtige Investoren nach Sachsen zu holen. Anders als sonst kann er nach seiner Rückkehr keine großen Erfolge verkünden. Bis die Bild-Zeitung die ganze Wahrheit enthüllt: Schommer war in den April geschickt worden.
MAI. Der Landtag beschließt eine erneute Diätenerhöhung und bekommt dafür in der Presse nur Lob. Zuvor hatten die Abgeordneten nämlich in Aussicht gestellt, das zusätzliche Salär für wohltätige Zwecke auszugeben. Freiwillig, versteht sich.
JUNI. Wolfgang Berghofer löst Herbert Wagner als Dresdner Oberbürgermeister ab. Erst Wochen später wird bekannt, dass es nicht Wolfgang Berghofer war, sondern
Karl Nolle. Der ehemals schwergewichtige SPD-Kandidat hatte sein Versprechen wahr gemacht und im Wahlkampf täglich ein Kilo abgespeckt.
JULI. Kultusminister Matthias Rößler gewinnt bei Günther Jauch eine Million Mark. Noch in der gleichen Sendung gesteht Rößler, er habe die Fragen und Antworten schon vorher gekannt: "Das habe ich mir bei unseren Abiturienten abgeguckt."
AUGUST. Ministerpräsident Kurt Biedenkopf bleibt der ersten Kabinettssitzung nach der Sommerpause unentschuldigt fern. In seiner Abwesenheit kommt es zu Handgreiflichkeiten unter den Ministern, in deren Folge Helmut Kohl um Hilfe gerufen wird. Bei seiner Ankunft wird Kohl von den Dresdnern gefeiert, und er vermerkt in seinem Tagebuch: "Jetzt ist die Sache wirklich gelaufen."
SEPTEMBER. Kultusminister Matthias Rößler verliert vor Gericht seine Million. Kurt Biedenkopf nutzt die Gelegenheit, um den Widersacher aus dem Amt zu entlassen. Duz-Freund und Landessportbund-Präsident Hermann Winkler versorgt Rößler mit dem Job des amtierenden Leiters des provisorischen Org-Büros für die Olympischen Spiele 2012 in Sachsen.
OKTOBER. Innenminister Klaus Hardraht präsentiert sein Modell für die nächste Kreisreform und findet sofort breite Zustimmung. Der Plan sieht vor, die Landkreise in ihren Grenzen von 1990 wieder zu errichten und die Ministerien durch die Regierungspräsidien zu ersetzen. Als Hardraht bemerkt, dass er damit seinen eigenen Stuhl absägt, korrigiert er sich: Das Modell sei nur eine denkbare Variante und frühestens in zehn Jahren zu verwirklichen.
NOVEMBER. Der PDS-Abgeordnete Heiko Hilker wird statt auf seinem Fahrrad in einem BMW gesehen. Nachforschungen ergeben, dass er die Staatsregierung erpresst hatte: Hilker stellt keine Kleine Anfragen mehr, im Gegenzug zahlt die Staatsregierung dem Abgeordneten das Geld, das sie bei der Nicht-Beantwortung sparte, in bar aus.
DEZEMBER. Die sächsischen Beamten rufen zum Generalstreik auf, weil ihre Gehälter und Pensionen ab 2002 nahezu halbiert werden sollen. Nur mühsam kann Finanzminister Georg Milbradt die Staatsdiener davon überzeugen, dass die vermeintliche Kürzung lediglich Folge der Umstellung auf den Euro ist.
(von Steffen Klameth)