Sächsische Zeitung, 05.01.2001
SPD: Berghofer denkbarer OB-Kandidat
Kommunal-Wahl: Wagner-Herausforderer gesucht
DRESDEN. Sachsen wählt am 10. Juni Bürgermeister und Landräte. Wer in der Landeshauptstadt gegen Oberbürgermeister Herbert Wagner antritt, ist offen:
Karl Nolle (SPD) will nicht mehr. Nun kommt Wagners Vorgänger zu DDR-Zeiten, Wolfgang Berghofer, ins Gespräch.
DRESDEN. Die Such der sächsischen SPD nach einem neuen Kandidaten für die Dresdner Oberbürgermeisterwahl am 10. Juni läuft immer mehr auf den früheren Amtsinhaber Wolfgang Berghofer hinaus.
„Ich halte einen parteiübergreifenden Kandidaten Berghofer durchaus für vorstellbar“, sagte die SPD-Landesvorsitzende Constanze Krehl gegenüber der SZ. Es sei nicht von der Hand zu weisen, dass Berghofer derzeit der aussichtsreichste Herausforderer sei, um den jetzigen (CDU) abzulösen. Wer ernsthaft daran interessiert sei, dass Wagner abgewählt werde, „müsse Gedanken in einen Kandidaten Berghofer investieren“. Anlass für die Personaldebatte gibt der bisherige SPD-Kandidat für die OB-Wahl, Karl Nolle. Der Landesabgeordnete verkündete vor seiner am Wochenende geplanten Nominierung überraschend seinen Rückzug.
Krehl räumte ein, dass Berghofers Verurteilung als Fälscher bei den DDR-Kommunalwahlen 1989 eine hohe Hürde darstellt. Insofern könne sie nicht beurteilen, ob sich die Dresdner SPD zu Berghofer durchringt. Deren Vorsitzende Marlies Volkmer lehnt Berghofer zurzeit ab. Der frühere SED-Politiker Wolfgang Berghofer war von 1986 bis 1990 Dresdner Oberbürgermeister. Eine Kandidatur des heute parteilosen 57-jährigen Unternehmensberaters war auch von der PDS in Gespräch gebracht worden. In Umfragen liegt Berghofer, der seine Bereitschaft zu Kandidatur bisher offiziell nicht bestätigt hat, zum Teil vor Wagner.
(SZ/gs)
Kommentar
Die SPD-Landesvorsitzende hat am 4.1.01, ohne sich mit der Dresdner SPD ins Benehmen zu setzen, die Wählbarkeit von Berghofer ins Spiel gebracht.
Eine Meinungsbildung zu Berghofer kann aber in der Dresdenr SPD solange nicht stattfinden, als von ihm keinerlei Aussagen über Inhalte und Politikstil vorliegen und ebenfalls keine Antwort auf eine Kandidatur gegeben wurde. Sollte der Versuch gemacht werden, von wem auch immer, ohne Prüfung, Würdigung und Bewertung aller bekannten und noch abzufordernden Fakten eine Berghoferunterstützung der Dresdner SPD mehrheitlich aufzuzwingen, so ist das die Zerreissprobe der Partei, abgesehen davon dass zahlreiche Mitglieder mit zusammen einigen zehn Jahren Bautzen nach der Wende ihre politische Heimat in der SPD gefunden haben.
Mit den Altlasten von Berghofer wird kein Amtsbote, Referent oder Referatsleiter bei der Stadt oder sonstwo im öffentlichen Dienst eingestellt.
Um nicht mißverstanden zu werden, es geht um die Spitze der Stadt, an die andere Maßstäbe angelegt werden müssen. Berghofer als OB, das wäre ein Schlag ins Gesicht der tausenden Kleinen, die man "hängte" um die Großen laufen zu lassen.
Wäre das nicht gerade das falsche Signal 10 Jahre nach dem Ende der SED-Diktatur? Ich bin gespannt auf die demokratischen Verrenkungen, die uns in den nächsten Monaten noch zugemutet werden und auf die überzeugenden Erklärungen, warum mit Berghofer alles gut werden wird. Einige U-Boote, auch in der SPD, haben ihre Sehrohre zum Auftauchen schon ausgefahren. Da wird es seltsame Koalitionen geben.
KARL NOLLE