DNN, 13.01.2001
Die Qual der Wahl
Von Woche zu Woche von Bernd Hempelmann
DRESDEN. Die Qual der Wahl – wer diesen schönen Ausdruck erfunden hat, der muss an Dresden gedacht haben. Die Wahl, die hier demnächst ansteht, wird langsam, aber sicher für viele zur Qual. Und das „demnächst“ ist durchaus angebracht. Denn selbst wenn der Termin für die Wahl des Dresdner Oberbürgermeisters erst am 10. Juni ist – die Zeit wird knapp.
Für die Parteien in der Opposition, die noch „ihren“ oder am liebsten einen gemeinsamen Kandidaten stellen wollen, ist noch eher Schluss: Am 14. Mai müssen die Vorschläge im Rathaus sein. Und nach den hektischen Zwischenspurts in diesem Tagen, noch viel mehr aber nach all den Ausfällen im OB-Rennen, darf man sagen: Derzeit ist Amtsinhaber Wagner – oder sollen wir ihn, um im Bild zu bleiben, als „Titelträger“ bezeichnen? – so allein auf weiter Flur, dass er das Ziel selbst dann als Erster erreichen würde, wenn er sich gar nicht mehr bewegt.
Kurzum: Die Lage ist desolat. Zum Verzweifeln geradezu. Nicht nur für die, die nicht in der Lage sind, aus ihren Reihen Erfolg versprechende oder wenigstens austrainierte Teilnehmer an den Start gehen zu lassen. Sondern genau so für die, die gerne eine wirklichen Wahl hätten. Würden die Wahlzettel jetzt gedruckt, dann stünde dort nur ein „Ja“ oder „Nein“ – und das hinter einem einzigen Namen.
Neben dem politischen Unwohlsein, das eine solche Zwangslage hinterlässt, hat sie aber auch etwas Beschämendes: Da leben wir nun in einer fast 500 000 Einwohner zählenden Stadt, einer Stadt mit Geschichte, Kultur, Tradition, einer Stadt mit selbstbewussten Bewohnern, der dazu auch noch ein besonderes Ambiente und ein reizvolles Umland nachgesagt werden, einer Stadt, die stabile Verhältnisse aufzuweisen und ihre Wirtschaftskraft auch in schweren Zeiten behalten sogar bestärkt hat.
Was zum Teufel ist also der Grund, warum sich offenbar niemand findet, der bereit ist, dafür zu kämpfen, dass er in dieser Stadt an der Spitze von Rat und Verwaltung stehen kann? Die CDU hat Wagner im Amt und sich damit einstweilen zufrieden gegeben. Alle anderen haben weder auch ihren hiesigen Reihen noch von anderswo derzeit etwas vorzuweisen – und dabei geht es noch nicht einmal um einen Top-Kandidaten oder einen hoch qualifizierten oder einfach nur geeigneten, noch nicht einmal um einen schlechten. Es geht schlicht und einfach darum, es ist – offiziell und nominiert – gar keiner da.
In diesem Sinne ein nachdenkliches Wochenende, Ihr Bernd Hempelmann