Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 18.01.2001

Aufstieg und Fall des Wolfgang B.

Der Weg des Herrn Berghofer
 
DRESDEN

DER FUNKTIONÄR
Wolfgang Berghofer wurde 1943 als Arbeitersohn geboren und stieg schnell die sozialistische Kariereleiter empor: erst lernte er Maschinenbauer, dann studierte er Geschichte. 1964 trat Berghofer in die SED ein, war hauptamtlich im Jugendverband FDJ tätig. Als Abteilungsleiter im Zentralrat der FDJ in Berlin organisierte er die Weltfestspiele 1973 und das Pioniertreffen 1982 in Dresden mit. Für seine Arbeit durfte er sich mit dem Vaterländischen Verdienstorden in Bronze schmücken. Die Stasi warb ihn als IM an, kündigte aber 1981 die Zusammenarbeit wegen "Unehrlichkeit" auf. 1986 löste Berghofer den seit 1961 amtierenden Dresdner OB Gerhard Schill ab.

DER REFORMER
Berghofer äußerte immer wieder vorsichtig Reformgedanken, was ihm bei den Dresdnern den Spitznamen "Bergatschow" einbrachte. 1987 besiegelte er mit Hamburgs Bürgermeister Klaus von Dohnanyi die Partnerschaft beider Elbstädte. Bei dieser Gelegenheit sprach er offen Probleme im Wohnungsbau an. Als einer der ersten SED-Funktionäre stellte er sich gemeinsam mit Hans Modrow im Oktober 1989 dem Dialog mit Andersdenkenden. Im Dezember 1989 leitete Berghofer den "Reformparteitag" der SED, ließ sich als Stellvertreter von Parteichef Gregor Gysi wählen. Am 20. Januar 1990 jedoch trat er aus der SED/PDS aus, was viele seiner Anhänger als opportunistisch kritisierten. Berghofer damals wörtlich: "Die alte SED und ihre Führung haben die DDR in beschämender und unverantwortlicher Weise ruiniert. Dadurch wurden alle Mitglieder der Partei, auch die kritischen, reformwilligen, sittlich in Verruf gebracht und ihrer politischen Heimat beraubt. Wir, die wir uns persönlich aktiv für die radikale Erneuerung der SED/PDS einsetzten, sehen nicht die politische Kraft dieser Partei, sich grundsätzlich zu verändern und die tiefe Krise im Land an der Seite der demokratischen Kräfte zu überwinden." Nach dem Austritt begann der Sympathie-Fall Berghofers. Die SPD wollte ihn nicht in ihren Reihen haben, und die "Gruppe der 20" lehnte es ab, seine erneute OB-Kandidatur zu unterstützen.

DER WAHLFÄLSCHER
Nach der Kommunalwahl im Mai 1990 ließ sich Berghofer von der Marktwirtschaft bekehren. Lothar Späth hatte ihm einen Job als Generalbevollmächtigter der Stuttgarter Häussler-Gruppe versorgt. Im Juni 1991 erhob die Staatsanwaltschaft gegen Berghofer Anklage wegen Wahlfälschung. Im Prozess gab Berghofer zu, auf Betreiben von SED-Stadtsektretär Werner Moke die Wahlbeteiligung geschönt und die Gegenstimmen von rund zehn auf 2,51 Prozent gedrückt zu haben. Er wurde dafür im Februar 1992 zu einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung und 36 000 Mark Geldbuße verurteilt. Weder die Berufung durch seinen Anwalt Otto Schily ("DDR-Wahlen waren undemokratisch, und was falsch ist, kann man nicht fälschen"), noch eine Verfassungsbeschwerde hatten Erfolg.

DER UNTERNEHMER
Nachdem im Januar 1992 auch noch Stasi-Vorwürfe gegen Berghofer laut geworden waren, ging die Häussler-Gruppe auf Distanz. Berghofer, der inzwischen in Berlin lebte, wurde Unternehmensberater für den Ost-Handel. Über seine weitere Entwicklung ist sehr wenig bekannt. Nach einem "Spiegel-Bericht" sei er Beauftragter der Geschäftsführung der Firma Kommunal Investition Treuhand und Beratung. Das Unternehmen berate verschuldete Kommunen, entwickele Sanierungskonzepte und organisiere Kapital. Außerdem soll Berghofer "diverse Beteiligungen an ostdeutschen Start-ups halten und als Türöffner für westdeutsche Firmen in Russland fungieren". Seine wirtschaftlichen Nachwende-Erfolge hat er in einem Buch niedergeschrieben, aus dem er bei einem Treffen beim Dresdner Notar Peter Horn de la Fontaine im Dezember erste Kostproben gab. Es soll voraussichtlich noch vor der OB-Wahl in Dresden erscheinen. (SZ/saf)
(SZ/saf)

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