spiegel-online, EINESTAGES,16:20 Uhr, 20.01.2012
70 Jahre Wannsee-Konferenz - Die kalten Bürokraten des Genozids
Fröhliche Zustimmung": Am 20.01.1942, vor 70 Jahren, trafen sich 15 Männer, um den Massenmord an den Juden zu organisieren. Heydrich, Freisler und Eichmann wurden zu Symbolen entmenschlichter Bürokratie.
" Wer aber waren die anderen zwölf, die bei Cognac den Genozid diskutierten?
(Siehe im Anhang unten)
PDF Dokumentation > Das vollständige Protokoll der Wannsee-Konferenz
Die Todesanzeige, die am 2. Februar 1987 in der Ulmer "Südwest Presse" erschien, war knapp gehalten. "Wir trauern um Dr. jur. Gerhard Klopfer, Rechtsanwalt", stand dort, "nach einem erfüllten Leben zum Wohle aller, die in seinem Einflussbereich standen." Es verabschiedeten sich die Ehefrau des Verstorbenen, dessen Schwester und die Töchter. Klopfers Beerdigung, so hieß es am Ende, habe bereits im engsten Familienkreis stattgefunden.
Der Tote, der zuletzt zurückgezogen in einem Haus in Ulm gelebt hatte, war vier Tage zuvor mit 81 Jahren gestorben. Und vielleicht hätte niemand von seinem Tod Notiz genommen, wäre da nicht diese Sterbeanzeige gewesen und dieser Satz - "zum Wohle aller, die in seinem Einflussbereich standen". So aber empörten sich erst die Leser der Zeitungen und dann die Zeitungen selbst. Es empörte sich der Zentralrat der Juden und schließlich ermittelte der Staatsanwalt, ob die Todesanzeige möglicherweise einen strafbaren Inhalt hatte.
Denn Doktor Klopfer, den Ulmer Bekannte später als freundlichen, aber farblosen Biedermann beschrieben, war nicht irgendwer: Der Jurist hatte im "Dritten Reich" steile Karriere gemacht und es bis zum Staatssekretär unter Hitlers Stellvertreter Martin Bormann gebracht. Und er hatte in dieser Position an der berüchtigten Wannsee-Konferenz teilgenommen, wo am 20. Januar 1942 15 Männer mit bürokratischer Kälte die "Endlösung der Judenfrage" berieten.
"Ein Wohltäter?"
Gerhard Klopfer, der Mann mit dem "Einflussbereich zum Wohle aller", hatte damit in Wahrheit Einfluss auf den Tod von Millionen genommen. Die Anzeige klang deshalb wie ein grausamer Scherz.
Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Heinz Galinski, war fassungslos. "Ein Wohltäter?", fragte die "Zeit" ironisch-verbittert. Der Historiker Markus Heckmann zeigt in seiner 2006 eingereichten Magisterarbeit aber auch, wie sich die Witwe des Verstorbenen bemühte, die Kritiker zu beschwichtigen. Gemeint seien doch "in erster Linie die Bekannten und Klienten aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg" gewesen.
Gleichwohl habe der Text aber auch denen gegolten, "die uns so oft erklärt haben, wie anständig er sich stets verhalten hat" - ausdrücklich meinte sie damit sein Wirken im Nazi-Staat. Schließlich habe Klopfer dort gegenüber oberen Stellen Bedenken gegen Dinge angemeldet, "die unanständig waren und für die er anständige Lösungen suchte." War Klopfer ein Kämpfer gegen das Unrecht? Ein aufrichtiger Mann, der sich am Ende nichts hatte zuschulden kommen lassen?
Als es bei Cognac um die Vernichtung der Juden ging, habe jedermann "fröhlich seine Zustimmung" gegeben.
In den folgenden Tagen puzzelten die Zeitungen die Biografie eines Muster-Nazis zusammen. Die "Südwest Presse" veröffentlichte am 4. Februar ein Porträt, in dem sie Klopfers bemerkenswerten Aufstieg im "Dritten Reich" rekonstruierte. Neben den Stationen des Juristen ("durchläuft alle Beförderungsstufen vom SS-Untersturmführer bis zum SS-Gruppenführer") fand auch seine Teilnahme an der Wannsee-Konferenz Erwähnung. Über die sollte der Angeklagte Adolf Eichmann später vor dem Gericht in Israel zu Protokoll geben: Als es bei Cognac um die Vernichtung der Juden ging, habe jedermann "fröhlich seine Zustimmung" gegeben.
PDF Dokumentation > Das vollständige Protokoll der Wannsee-Konferenz
Und es war vor allem Klopfers Teilnahme an dieser berüchtigten Konferenz, die die Empörung in Deutschland so groß machte. Denn die 90-minütige Sitzung in der Villa am Großen Wannsee wurde nach dem Krieg zu dem Symbol für die Detailplanung des fabrikmäßigen Massenmordes an den Juden - und die Entmenschlichung der Bürokratie.
Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass die Bedeutung der Wannsee-Konferenz nie so groß war wie behauptet: Hier wurde nichts entschieden, was nicht schon entschieden war - am Wannsee ging es um die Koordination der verschiedenen Behörden beim Genozid. Am 31. Juli hatte Reichsmarschall Hermann Göring den Chef der Sicherheitspolizei Reinhard Heydrich mit den "Vorbereitungen für eine Gesamtlösung der Judenfrage in Europa" beauftragt, die ersten Deportationen aus dem Reichsgebiet gab es am 15. Oktober 1941. Der Massenmord war bereits seit dem deutschen Überfall auf Polen und die Sowjetunion in vollem Gange. Lange vor der Konferenz.
Klopfers Tod brachte dieses dunkelste Kapitel deutscher Geschichte noch einmal mit ganzer Wucht an die Öffentlichkeit. Und plötzlich gab es auch ein Bild zu einem Namen, den bis dahin allenfalls Historiker gekannt hatten. Heydrich, Eichmann oder Roland Freisler, der berüchtigte Präsident des Volksgerichtshofs - das waren die Männer, mit denen man ein Gesicht verbinden konnte. Jetzt also Klopfer, Gerhard, ein Bild zeigt ihn als Ministerialdirektor in der Reichskanzlei, strenger Seitenscheitel, weicher Blick, ein junger Mann von 36 Jahren. 1942 war er im Zentrum der Macht angekommen. Martin Bormann machte ihn zum Staatssekretär in der "Parteikanzlei des Führers".
Bei Kriegsende flüchtete Klopfer, 1946 wurde er aufgegriffen und verhört. Als Zeuge im Wilhelmstraßen-Prozess, dem vorletzten der zwölf Nürnberger Nachfolgeprozesse, wollte er sich nicht mehr an die Inhalte der Wannsee-Konferenz erinnern. Er sei immer davon ausgegangen, dass die Juden "nur umgesiedelt" werden sollten. 1949 wurde er in Nürnberg als "minderbelastet" eingestuft, auch der Einspruch des Generalanklägers scheiterte. Klopfers ruhiges Leben in Ulm begann.
Als er 1987 starb, war er der letzte der 15 unmittelbar an der Wannsee-Konferenz Beteiligten. Aber er war nicht der Einzige, der nach dem Krieg ein relativ unbehelligtes Leben führen konnte. Auch der in Innsbruck geborene Weinhändler Otto Hofmann, zur Zeit der Konferenz SS-Gruppenführer aus dem Rasse- und Siedlungshauptamt, ließ es entspannt angehen. Aus ihm wurde ein unauffälliger kaufmännischer Angestellter im württembergischen Künzelsau.
"Mischlingsproblem endgültig bereinigen"
Während der Besprechung in der Villa Wannsee hatte sich Hofmann weit weniger unauffällig verhalten: So forderte er etwa, dass im Fall der "Mischlinge", also Nachkommen aus deutsch-jüdischen Verbindungen, von der "Sterilisierung weitgehend Gebrauch gemacht werden muss".
Mit dieser Zwangsmaßnahme planten die NS-Bürokraten das "Mischlingsproblem endgültig zu bereinigen", wie es an anderer Stelle hieß, schließlich stellte es sie vor komplexe Probleme: Denn nach ihrer Definition gab es "Mischlinge" ersten und zweiten Grades. Je nachdem, ob sie untereinander heirateten, Kinder hatten oder eine Ehe mit "reinrassigen" Deutschen eingingen, sollten sie unterschiedlich behandelt werden - ein großer Teil des Protokolls widmete sich allein solchen Fragen.
Vielsagend fügte Hofmann in dieser Diskussion hinzu, dass "der Mischling, vor die Wahl gestellt, ob er evakuiert oder sterilisiert werden soll, sich lieber der Sterilisierung unterziehen würde". Es war ein typischer Satz aus dem Wannsee-Protokoll, bei dem sich die mörderische Logik erst beim zweiten Lesen erschließt: Denn das Wort "Evakuierung", so glauben Zeithistoriker, war ein Tarnwort für "Deportation" oder "Ermordung". Dieser Meinung waren 1948 auch die Richter im Wilhelmstraßen-Prozess: "Soviel steht aber fest," urteilten sie über Hofmanns Einwendung zur Sterilisierung, "dass niemand die Unfruchtbarmachung als das kleinere Übel vorgeschlagen hätte, wenn er nicht vollständig überzeugt gewesen wäre, dass die Deportation das größere Übel gewesen wäre und den Tod bedeutet hätte."
So wurde Hofmann indirekt der Mitwisserschaft an dem Mordplan überführt - und kam trotzdem glimpflich davon: 1948 wurde er zwar zu 25 Jahren Haft verurteilt, bereits 1954 aber wieder begnadigt und aus dem Zuchthaus Landsberg entlassen. Bis zu seinem Tod 1982 warteten noch 28 Jahre Freiheit auf ihn.
"Es war eine übliche Besprechung"
Noch unbegreiflicher ist der Fall des Diplomaten und Russlandexperten Georg Leibbrandt, auch er wie Klopfer und Hofmann ein gebildeter Mann mit Doktortitel, der vor dem Krieg Theologie und Philosophie studiert hatte. Dr. phil. Leibbrandt war zwar als Ministerialdirektor für die besetzten Ostgebiete sogar schon vor der Wannsee-Konferenz bei einer Besprechung mit Heydrich über den geplanten Massenmord an den Juden eingeweiht worden, doch nach dem Krieg wurde er im Wilhelmstraßen-Prozess - für viele völlig unverständlich - lediglich als Zeuge befragt. Und dabei prompt von Ankläger Robert Kempner der Lüge überführt.
Der Dialog zwischen Leibbrandt und Kempner beweist, wie hohe NS-Bürokraten später unter plötzlichen Erinnerungslücken litten. Kempner ahnte das und begann seine Befragung betont harmlos.
Kempner: Waren Sie am Wannsee? Da hatte das Reichssicherheitshauptamt eine Sitzung?
Leibbrandt: Ja, da war mal eine Besprechung, ein Mittagessen. Heydrich hatte wohl dazu eingeladen, soviel ich weiß.
Kempner: Was wurde da besprochen?
Leibbrandt: Meines Wissens alles Mögliche ... Über den ganzen Kampf im Osten wurde gesprochen.
Kempner: Was hatte Heydrich damit zu tun?
Leibbrandt: (schweigt)
Kempner: Hatte das auch mit Juden zu tun?
Leibbrandt: Das ist wohl auch zur Debatte gekommen.
(Jetzt zog Kempner seinen Joker. Denn inzwischen hatte der unermüdliche Ankläger eine Kopie des Wannsee-Protokolls aufgetrieben. In den Hauptkriegsverbrecher-Prozessen war das Dokument noch unbekannt gewesen. Auch Leibbrandt wusste nichts von dem Fund - und lief in die Falle:)
Kempner: Da hat der Herr Leibbrandt an einer entscheidenden Sitzung über die Endlösung der Judenfrage teilgenommen? Das Protokoll habe ich.
Leibbrandt: Über die Endlösung der Judenfrage?
Kempner: Ja, lesen Sie aus dem Dokument die zweite Zeile. Was steht da?
Leibbrandt: Mein Name ... Es war eine übliche Besprechung, ohne genau zu wissen, was los ist, und dann wird ein Protokoll aufgesetzt.
Kempner: Läuft Ihnen nicht noch ein kalter Schauer herunter, wenn Sie an die Sitzung denken? Waren Sie erschüttert damals oder nicht?
Leibbrandt: Das kann man wohl sagen.
Binnen weniger Minuten hatte der Zeuge seine Taktik geändert, die Erinnerungslücken waren wie weggeblasen. Jetzt mimte er lieber den Betroffenen. Nicht gerade glaubwürdig, zumal Leibbrandt schon zwei Tage nach der Wannsee-Konferenz eifrig zu einer Dienstbesprechung lud. Das Thema: Die Definition des "Juden" in den Ostgebieten.
Doch die peinliche Befragung schadete nicht. Leibbrandt wurde 1949 aus der Internierung entlassen und nie als Beschuldigter vor ein Gericht gestellt. In bemerkenswerter Geschwindigkeit hatte das Landgericht Nürnberg-Fürth seine Voruntersuchungen 1950 innerhalb von sieben Monaten abgeschlossen.
Bis zu seinem Tod 1982 wurde Leibbrandt nicht mehr strafrechtlich verfolgt - und gelangte, wie in der NS-Zeit, schnell in eine Führungsposition: diesmal wurde er Leiter des Bonner Büros der damals bundeseigenen Salzgitter AG.
Von Christian Gödecke und Christoph Gunkel
"Fröhliche Zustimmung": Vor 70 Jahren trafen sich 15 Männer, um den Massenmord an den Juden zu organisieren. Heydrich, Freisler und Eichmann wurden zu Symbolen entmenschlichter Bürokratie. Wer aber waren die anderen zwölf, die bei Cognac den Genozid diskutierten?
Dr. Georg Leibbrandt: Weil er als Russlandexperte galt, wurde Leibbrandt gleich nach seinem Eintritt in die NSDAP 1933 zum Leiter der Ostabteilung im Außenpolitischen Amt (APA). Neben dem NS-Chefideologen Alfred Rosenberg war Leibbrandt der wichtigste außenpolitische Vordenker des APA.
Über die nächsten Jahre besetzte er mehrere führende Positionen im APA und im 1941 gegründeten Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete (RMfdbO), die beide der Leitung Rosenbergs unterstanden. Leibbrandt nahm an mehreren Besprechungen über die Vernichtung der Juden teil und erschien bei der Wannseekonferenz als Vertreter des RMfdbO.
Obwohl er in hohem Maße an der Organisation des Holocaust beteiligt war, wurde er, nachdem er 1945 interniert worden war, bereits 1949 wieder freigelassen. Im Januar 1950 leitete das Landgericht Nürnberg-Fürth ein strafrechtliches Verfahren (Beihilfe zum Mord) gegen ihn ein, stellte die Ermittlungen aber nach nur sieben Monaten wieder ein.
Bis zu seinem Tod 1982 wurde Leibbrandt nicht mehr strafrechtlich verfolgt - und gelangte, wie in der NS-Zeit, schnell in eine Führungsposition: diesmal wurde er Leiter des Bonner Büros der damals bundeseigenen Salzgitter AG. Leibbrandt starb 1982 im Alter von 82 Jahren in Bonn.
Dr. Gerhard Klopfer: Der Jurist trat 1933 in die NSDAP und die SA ein und 1935 auch in die SS. Der Bürokrat stieg bis zum Leiter der Staatsrechtlichen Abteilung III in der Parteikanzlei der NSDAP und Stellvertreter Martin Bormanns auf. Sein Zuständigkeitsbereich waren "Rasse- und Volkstumsfragen", Wirtschaftspolitik, Zusammenarbeit mit dem RSHA und Grundsatzfragen der Besatzungspolitik.
Klopfer floh nach Kriegsende aus Berlin, wurde aber 1946 festgenommen und interniert. In Nürnberg wurde er 1949 für "minderbelastet" erklärt und erhielt nur eine Geldstrafe und eine dreijährige Bewährungsfrist. Später arbeitete er als Rechtsanwalt und starb 1987 in Ulm.
Otto Hofmann: Im April 1923 trat der Weinhändler der NSDAP bei und im April 1931 schließlich auch der SS. Der Veteran des Ersten Weltkriegs wurde 1933 SS-Führer. Ab Dezember 1939 leitete er das SS-Rasse- und Siedlungshauptamt. Damit war er zuständig für die Germanisierungspolitik in den besetzten Gebieten in Polen und der Sowjetunion. Unter anderem leitete er die "Rasseprüfungen", nach denen "Nichtarier" vertrieben oder deportiert wurden, um die Gebiete mit Deutschen neu zu besiedeln.
Im März 1948 wurde Hofmann wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen zu 25 Jahren Haft verurteilt. Nach seiner Begnadigung 1954 arbeitete er als kaufmännischer Angestellter. Hofmann starb 1982 im Alter von 86 Jahren in Baden-Württemberg.
Adolf Eichmann: Der spätere SS-Obersturmbannführer war bereits 1932 der NSDAP beigetreten und zunächst beim Sicherheitsdienst (SD) in Berlin tätig. Ab Juni 1935 war er dort für "Judenangelegenheiten" zuständig und koordinierte in enger Zusammenarbeit mit der Gestapo die Vertreibung der Juden aus Deutschland.
Im Dezember 1939 begann seine Karriere im Reichssicherheitshauptamt, wo er schließlich die Enteignung, Deportation und Ermordung der Juden aus Deutschland und den besetzten europäischen Gebieten organisierte und koordinierte. Er war damit einer der Hauptorganisatoren des Holocaust.
Während der Wannsee-Konferenz war er der Protokollführer und verfasste zudem einige Redevorlagen für Reinhard Heydrich.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs floh Eichmann nach Argentinien, wo er vom israelischen Geheimdienst Mossad aufgespürt und im Mai 1960 verhaftet wurde. Nach einem Aufsehen erregenden Prozess in Israel wurde er schließlich zum Tode verurteilt und in der Nacht zum 1. Juni 1962 gehenkt.
Reinhard Heydrich: Der Leiter der Wannsee-Konferenz war im Juni 1931 der NSDAP und der SS beigetreten. Kurz darauf begann er mit dem Aufbau eines Nachrichten- und Überwachungsdienstes für die Partei, aus dem später der Sicherheitsdienst (SD) wurde. Ab 1936 leitete er die Sicherheitspolizei und den SD. In dieser Zeit wurde zudem die politische Polizei der Länder zur Gestapo zusammengefasst und seiner Führung unterstellt. Alle diese Stellen wurden 1939 schließlich im Reichssicherheitshauptamt zusammengefasst, dessen Chef er war.
Heydrich ordnete nach Beginn des Zweiten Weltkriegs nicht nur die Ghettoisierung der Juden an, sondern befahl den Einsatzgruppen auch den systematischen Massenmord an der jüdischen Bevölkerung in den besetzten Ostgebieten.
Mit einem auf den 31. Juli 1941 datierten Schreiben von Göring wurde Heydrich mit der Durchführung der "Endlösung der Judenfrage", beauftragt. Um alle daran beteiligten Stellen zu koordinieren, organisierte er die Wannsee-Konferenz.
Heydrich starb am 4. Juni 1942 in Prag an den Folgen eines Attentats tschechischer Widerstandskämpfer.
Dr. Josef Bühler: Der Bäckersohn hatte 1932 in Rechtswissenschaften promoviert und war gleich 1933 in die NSDAP eingetreten. Es folgte eine steile Karriere im NS-Staat. Bereits 1935 stieg er zum Oberstaatsanwalt in München auf. Seit Juni 1941 war er ständiger Stellvertreter des Generalgouverneurs Hans Frank auf dem Gebiet des besetzten Polens.
Bühler war daher auch mitverantwortlich für die Verbrechen an der polnischen Bevölkerung und insbesondere an der Verschleppung und Ermordung der polnischen Juden.
Wie aus dem Protokoll der Wannsee-Konferenz hervorgeht, forderte Bühler Reinhard Heydrich auf, mit der "Endlösung" im Generalgouvernement zu beginnen, da es hier keine "Transportprobleme" gebe. Zudem drängte er darauf, die "Judenfrage in diesem Gebiet so schnell wie möglich zu lösen".
Bühler wurde im Mai 1945 verhaftet und im April 1946 als Zeuge in Nürnberg vernommen. Anschließend wurde er an Polen ausgeliefert, wo er im Juli 1948 zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde.
Wilhelm Kritzinger: Der Jurist war erst im Januar 1938 in die NSDAP eingetreten, übernahm aber bereits im Februar des gleichen Jahres die Leitung einer Abteilung der Reichskanzlei. 1939/40 arbeitete er an der Verordnungen gegen "Volksschädlinge" mit und an der "11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz", die die Grundlage für die Beschlagnahmung des Vermögens jüdischer Deutscher bildete. 1942 stieg er zum Staatssekretär auf. An der Wannsee-Konferenz nahm er als Vertreter der Reichskanzlei teil.
Kritzinger floh im April 1945 von Berlin nach Flensburg, wo er im Mai verhaftet wurde. Nachdem er im April 1946 aus der Haft entlassen wurde, sollte er im Dezember erneut interniert werden, bekam aber aufgrund seines schlechten gesundheitlichen Zustands eine Haftverschonung. Er starb im April 1947.
Dr. Rudolf Lange: Auch er war Jurist und seit 1937 Mitglied der NSDAP, nachdem er seit 1933 bei der Gestapo und seit 1936 Mitglied der SS war. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion wurden Einsatzgruppen gebildet, um die dort lebenden Juden zu ermorden. Lange führte in dieser Zeit das Einsatzkommando 2, das für die Ermordung von etwa 60.000 Juden in Lettland verantwortlich war. Er kommandierte dabei immer wieder persönlich Massenhinrichtungen und war zuständig für die Errichtung des Lagers Salaspils bei Riga.
An der Wannsee-Konferenz nahm er als "erfahrener Praktiker" von Massenexekutionen teil. Im Januar 1945 wurde Lange noch zum Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD im Warthegau befördert. Nach einer Verletzung beging er im Februar Selbstmord, um nicht gefangengenommen zu werden.
Martin Luther: Der spätere Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt war bereits im März 1932 in die NSDAP eingetreten. Ab 1936 leitete Luther die Parteiberatungsstelle des Beauftragten der NSDAP für außenpolitische Fragen, Joachim von Ribbentrop. Nachdem dieser 1938 zum Außenminister aufgestiegen war, wurde Luther Leiter der Abteilung D im Auswärtigen Amt.
Auf der Wannsee-Konferenz erschien er mit einem Papier mit dem Titel "Wünsche und Ideen des Auswärtigen Amtes zur vorgeschlagenen Gesamtlösung der Judenfrage in Europa". Darin gab das Auswärtige Amt seine Zustimmung zum Holocaust.
Nachdem Luther sich an einem missglückten Putsch zur Entmachtung Ribbentrops beteiligt hatte, wurde er im Februar 1943 verhaftet und saß als "privilegierter Schutzhäftling" im KZ Sachsenhausen ein. Dort wurde er im Mai 1945 von der Roten Armee befreit. Luther starb kurz darauf, vermutlich an Herzversagen.
Dr. Roland Freisler: Der Jurist trat 1925 der NSDAP begann noch im Oktober 1933, eine NS-Rechtsreform vorzubereiten. Auf seinen Veröffentlichungen der folgenden Jahre basierten große Teile der NS-Justiz. Er setzte sich dabei vor allem für die Ausweitung der Kompetenzen von Richtern und Beschneidung der Rechte von Angeklagten ein.
1942 wurde Freisler Präsident des Volksgerichtshofs. Er ließ Tausende Regimegegner willkürlich in Schauprozessen zum Tode verurteilen - unter anderem die Geschwister Scholl und die Attentäter des 20. Juli 1944.
Bei der Wannsee-Konferenz vertrat er das Justizministerium, das durch die Nürnberger Gesetze von 1935 für die juristische Verfolgung und systematische Entrechtung der deutschen Juden verantwortlich war.
Freisler kam am 3. Februar 1945 während eines Luftangriffs auf Berlin ums Leben.
Dr. Alfred Meyer: Er hatte bereits 1912 eine Offizierslaufbahn eingeschlagen, wurde aber 1920, nachdem er aus französischer Kriegsgefangenschaft freigekommen war, aus der Reichswehr entlassen. Er promovierte daraufhin in Staatswissenschaften und trat im April 1928 der NSDAP bei.
Meyer machte eine steile Parteikarriere, wurde bereits 1931 von Hitler zum Gauleiter Westfalen-Nord ernannt und stieg schließlich 1941 zum Stellvertreter des Reichsministers Alfred Rosenberg auf. In dieser Stellung wirkte er mit an der Unterdrückung und Ermordung der Juden in den besetzten sowjetischen Gebieten. Im Mai 1945 beging Meyer Suizid.
Heinrich Müller: Der spätere Chef der Gestapo, auch "Gestapo-Müller" genannt, hatte gleich nach dem Ersten Weltkrieg bei der Polizei in München angefangen. Da er bereits seit 1929 als Sekretär bei der Politischen Polizei im Einsatz gegen kommunistische Organisationen war, wurde er gleich im Frühjahr 1933 in die gerade erst gegründete Bayerische Politische Polizei übernommen.
Nachdem Reinhard Heydrich 1934 zum Leiter der Gestapo ernannt worden war, nahm er seinen Vertrauten Müller mit nach Berlin. Über die Jahre leitete er verschiedene Referate und trat 1938 schließlich auch der NSDAP bei. 1939 inszenierte er den Überfall auf den Rundfunksender Gleiwitz, den Hitler als Vorwand für den Angriff auf Polen nutzte. Kurz darauf wurde er selbst zum Chef der Gestapo und war damit an fast allen im Reichssicherheitshauptamt geplanten, vorbereiteten und organisierten Gräueltaten beteiligt. Er gilt als einer der mächtigsten Schreibtischtäter des Nationalsozialismus.
Müller, der als Chef der Gestapo an der Wannsee-Konferenz teilnahm, gilt seit Mai 1945 als verschollen. Die CIA geht davon aus, dass Müller noch 1945 in Berlin starb.
Erich Neumann: Der Wirtschaftsfachmann trat im Mai 1933 in die NSDAP ein. Im Oktober 1936 nahm er als Leiter der Geschäftsgruppe Devisen die Arbeit im Amt des Beauftragten für den Vierjahresplan, Hermann Göring, auf. Im Juli 1938 stieg er zum Staatssekretär auf und befasste sich unter anderem mit der "Arisierung der Wirtschaft" und der Kennzeichnung und Isolierung der Juden.
Auf der Wannsee-Konferenz trat er als Vertreter der Ministerien für Wirtschaft, Arbeit, Finanzen, Ernährung, Verkehr sowie für Bewaffnung und Munition auf.
Neumann wurde 1945 verhaftet, aber bereits 1948 aufgrund seines Gesundheitszustands wieder entlassen und starb bald darauf.
Dr. Eberhard Schöngarth: Der Jurist war bereits 1922, gleich nach dem Abitur, der NSDAP und der SA beigetreten. 1933 wurde er dann auch Mitglied der SS. Nachdem Schöngarth 1935 bei der Gestapo angefangen hatte, leitete er in den folgenden Jahren verschiedene Polizeidienststellen, bis er am 30. Januar 1941 zum Befehlshaber der Sicherheitspolizei (BdS) und des SD für das Generalgouvernement ernannt wurde. Er war in dieser Stellung an allen Verbrechen gegen die jüdische Bevölkerung in Polen beteiligt.
An der Wannsee-Konferenz nahm Schöngarth als BdS teil. Schöngarth, der im Mai 1944 noch als BdS in die Niederlande versetzt worden war, wurde im Februar 1946 von einem britischen Militärgericht zum Tode verurteilt und im Mai des selben Jahres hingerichtet.
Dr. Wilhelm Stuckart: Der Jurist war seit Dezember 1922 NSDAP-Mitglied. 1936 trat er in die SS ein. In den ersten Jahren des NS-Staats war er als Staatssekretär in verschiedenen Ministerien beschäftigt und beteiligte sich an der Formulierung etlicher antisemitischer Gesetze. In Zusammenarbeit mit Hans Globke verfasste er 1936 den "Kommentar zur deutschen Rassengesetzgebung" zu den Nürnberger Gesetzen. Während des Zweiten Weltkriegs befasste er sich dann mit den nationalsozialistischen Plänen für Europa nach dem "Endsieg".
Ein Vorschlag Stuckarts auf der der Wannsee-Konferenz war, eine Zwangssterilisierung von "Mischlingen" einzuführen. Nach dem Krieg stellte er diese Forderung als eine Art bürokratische Verzögrungstaktik dar - und behauptete, er habe damit die "Mischlinge" vor Deportation und Ermordung bewahren wollen.
Im Mai 1945 wurde Stuckart noch kurzzeitig zum Innenminister der Regierung Dönitz, als er dann auch interniert wurde. Im April 1949 wurde er zu drei Jahren und zehn Monaten Gefängnis verurteilt, die jedoch durch seine vorherige Haft als verbüßt galten. Stuckart wurde 1950 als Mitläufer eingestuft und 1952 lediglich zu einer geringen Geldstrafe verurteilt. Er starb 1953 bei einem Autounfall.