Sächsische Zeitung, 04.09.2001
Die Parteispitze duldet keine Abweichler
Geschlossenheit kontra Gewissensfreiheit/Drohung mit schlechten Listenplätzen
Berlin. Die SPD-Führung will künftig Niederlagen wie beim Mazedonien-Einsatz im - Bundestag nicht mehr hinnehmen und erhöht deshalb den Druck auf ihre Abgeordneten. Bundeskanzler Gerhard Schröder, Generalsekretär Franz Müntefering und Fraktionschef Peter Struck machten gestern vor den SPD-Parteigremien in Berlin deutlich, Geschlossenheit sei unverzichtbar, um die Regierungsfähigkeit nicht aufs Spiel zu setzen. In den SPD-Gliederungen regt sich allerdings Widerspruch gegen diese Pressionsversuche. Die Gewissensfreiheit von Abgeordneten dürfe nicht beschränkt werden.
„Ein solches Abstimmungsverhalten darf es nicht wieder geben“, sagte Müntefering nach Sitzungen von Präsidium und Parteirat. Wer für die SPD in den Bundestag einziehe, müsse wissen, welche Tragweite ein solches Votum habe. Einige der 19 SPD-Abgeordneten, die am vergangenen Mittwoch mit Nein stimmten, hätten offenbar die „Dimension" ihres Verhaltens nicht begriffen. Wer politische Macht wolle, müsse auch für die Mehrheitsfähigkeit sorgen. Müntefering kündigte an, dass am kommenden Montag die SPD-Landes- und Bezirksvorsitzenden in Berlin darüber sprechen werden, wie solche, Niederlagen künftig zu verhindern seien. Dies bedeute aber nicht, dass die Parteiführung direkt Einfluss auf die Aufstellung der Landeslisten für die Bundestagswahl in einem Jahr nehmen wolle.
Die baden-württembergische SPD-Vorsitzende Ute Vogt nannte die Drohungen Münteferings „falsch und überzogen". Der Einsatz von Bundeswehrsoldaten sei eine Gewissensfrage und unterliege daher nicht dem Fraktionszwang. Die Partei dürfe nicht an dieser Einzelentscheidung festmachen, ob ein Abgeordneter wieder einen Listenplatz erhalte oder nicht. Der Geschäftsführer der rheinland-pfälzischen SPD, Roger Lewentz, sagte, Sanktionen gegen SPD-Bundestagsabgeordnete kämen nicht in Frage. Auch der hessische SPD-Vorsitzende Gerhard Bökel unterstützte die Abweichler. Die Ablehnung des Mazedonien-Einsatzes durch einzelne Abgeordnete sei ,;durchaus zu respektieren".
(dpa)