Karl Nolle, MdL

DNN, 05.09.2001

SPD-Basis wehrt sich gegen Drohung der Parteiführung

Union wirft Müntefering Verfassungswidrigkeit vor
 
Berlin. In der SPD wird zunehmend heftiger über die Bundestags-Abstimmung zum Mazedonien-Einsatz der Bundeswehr gestritten. Während die Partei- und Fraktionsspitze ihren Druck auf die Abweichler verstärkte, formiert sich Widerstand gegen solche Einschüchterungsversuche, die bis zu offenen Drohungen mit einem Mandatsverlust gehen.

Auch immer mehr SPD-Abgeordnete, die trotz Bedenken für den Einsatz gestimmt hatten, verwahrten sich scharf gegen die anhaltenden Angriffe auf die Unabhängigkeit von Parlamentariern. Nach Ansicht von SPD-Fraktionsvize Joachim Poß haben sich die 19 SPD-Abgeordneten, die mit Nein stimmten, aber nicht an Spielregeln gehalten. Sie hätten den Mehrheitswillen in der SPD-Fraktion respektieren müssen.

Demgegenüber argumentierte Ute Vogt, die Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, solche Abstimmungen dürften nicht immer unter dem Aspekt der „Machtfrage, reicht die Mehrheit für die Regierung oder nicht", diskutiert werden. Es sei notwendig, dass die Fraktion eine Linie vorgebe, sagte die baden-württembergische SPD-Landeschefin. Aber letztlich entscheide jeder für sich.
„Absolut unangemessen" nannte der Vorsitzende der SPD-Arbeitnehmerorganisation (AfA), Ottmar Schreiner, das Vorgehen der SPD-Führung.

Die SPD-Vorsitzenden von Bayern, Bremen und Thüringen warfen Generalsekretär Franz Müntefering mangelndes Fingerspitzengefühl im Umgang mit den Abweichlern vor. Sie betonten, deren Abstimmungsverhalten werde bei der Aufstellung der Kandidatenlisten für die Bundestagswahl keine Rolle spielen. Müntefering hatte gedroht, dass die Abweichler bei der Kandidatenaufstellung bestraft werden könnten. Morgen will die Fraktion auf einer Klausur in Berlin darüber beraten.

Nach Ansicht der Union sind „Münteferings Zwangsandrohungen verfassungswidrig". Abgeordnete seien nicht dem Kanzler hörig, sagte ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Hans-Peter Repnik. Wer nur mit „Angst und Schrecken“ regieren könne, habe den Anspruch auf die politische Mitte verloren. „Die harte Hand nach innen kann die schlaffe Hand nach außen nicht ersetzen."

19 SPD-Parlamentarier und fünf Grünen-Abgeordnete hatten am Mittwoch vergangener Woche gegen den Mazedonien-Einsatz gestimmt. Die Koalition verfehlte deshalb erstmals eine eigene Mehrheit.
(dpa/rtr)

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