Stenografisches Protokoll SLT, 16.10.2001
TEIL 1 (S.1 - S.19) Anhörung 27.08.2001: Rechtskonformität, Büro Frau Biedenkopf` und die Haushaltskapitel ...
Wortprotokoll als Ergänzung der Niederschrift nach § 36 der Geschäftsordnung Verfassungs- und Rechtsausschuß
SÄCHSISCHER LANDTAG
VERWALTUNG
Stenografischer Dienst
Stenografisches Protokoll
(Wortprotokoll als Ergänzung der Niederschrift nach § 36 der Geschäftsordnung des Sächsischen Landtages)
Verfassungs- und Rechtsausschuß
Protokollgegenstand:
Anhörung
„Rechtskonformität, Büro Frau Biedenkopf` und die
Haushaltskapitel 0201, Titel 51152, in Zusammenhang
mit dem HH-Kapitel 0201, Titel 422 01 und 425 01"
Drucksache 3/4039
am 27. August 2001, 10.05 Uhr bis 12.20 Uhr
im Landtagsgebäude, A 600
Inhalt:
37 Seiten insgesamt (engzeilig)
Seite 2 ############ (Seitenzahlen wie im Original-Protokoll)
(Beginn: 10.05 Uhr)
Vors. Schimpff: Meine Damen und Herren! Ich begrüße Sie zum ersten Teil der planmäßigen 21. Sitzung des Verfassungs- und Rechtsausschusses des Sächsischen Landtages. Dieser erste Teil ist die öffentliche Anhörung zum Antrag mehrerer. Abgeordneter „Rechtskonformität“ Büro Frau Biedenkopf und die Haushaltskapitel 0201, Titel 511 52, in Zusammenhang mit dem HH-Kapitel 0201, Titel 422 01 und 425 02".
Die Anhörung ist im Rahmen der Behandlung dieses Antrages vom Verfassungs- und Rechtsausschuß angesetzt worden. Ich begrüße die Mitglieder des Ausschusses und die Mitglieder der mitberatenden Ausschüsse. Der Vorsitzende des Haushalts- und Finanzausschusses ist ebenfalls hier. Herr Weckesser, guten Tag.
Ich freue mich, daß die Staatsregierung mit einem Minister und mit vielen Beamten vertreten ist.
Ganz besonders freue ich mich darüber, daß die drei Sachverständigen pünktlich angekommen sind und nicht in irgendwelchen Flugkorridoren stecken. Herr Prof. Karpen ist Ausschußvorsitzender in der Hamburgischen Bürgerschaft. Er ist uns schon sehr vertraut. Wir sind es Ihnen hoffentlich auch.
Herr Dr. Lunau aus Dresden ist anwesend. Ich sehe auch Herrn Prof. Musall von der Verwaltungsfachhochschule des Freistaates in Meißen.
Vielen Dank, daß Sie gekommen sind. Ich möchte mich nicht lange mit Vorreden aufhalten. Zunächst habe ich eine Bemerkung zum Ablauf zu machen. Ich bitte Sie, den Kern Ihrer Stellungnahme in ungefähr zehn Minuten vorzutragen. Ich klopfe nicht ab, wenn es elf Minuten werden. Nach 16 Minuten werde ich aber nervös. Es soll schließlich noch Gelegenheit sein, die Fragen der Abgeordneten des Verfassungs- und Rechtsausschusses sowie des Haushalts- und Finanzausschusses zu erörtern.
Die zweite Vorbemerkung: Wir haben geradezu einen Jahrhundert-August. Es ist sehr warm. Ich erlaube Marscherleichterung. Wer das Jackett ausziehen möchte, kann es tun.
Sie haben sich in alphabetischer Reihenfolge gesetzt. Ich schlage vor, daß wir es auch in dieser Reihenfolge mit den Statements halten. Herr Prof. Karpen beginnt, dann spricht Herr Dr. Lunau, und dann erhält Prof. Herr Musall, das Wort.
Herr Prof. Dr. Karpen: Herr Vorsitzender! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Wir sind aufgefordert worden, zur Drucksache 3/4039 und zu den darin enthaltenen sieben Fragen Stellung zu nehmen.
Ich beginne mit der ersten Frage hinsichtlich der Verfassungskonformität des Büros von Frau Biedenkopf und des Einsatzes öffentlicher Mittel für ein solches Büro.
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Meine Damen und Herren! Nach Art. 35 der Verfassung des Freistaates hat jede Person das Recht, sich schriftlich mit Bitten und Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden. Letzteres ist durch das sächsische Petitionsausschußgesetz differenziert worden.
Für Eingaben und Petitionen, Anfragen und Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern gibt es in diesem Lande drei Verfahrenswege. Erstens ist es das Petitionsrecht im engeren Sinne. Das ist der Weg zum Petitionsausschuß des Landtages. Zweitens haben alle Behörden und insbesondere die Staatskanzlei in ihrer Stabsstelle Beauftragte für Bürgerangelegenheiten. Das ist in Ziffer 6 der Dienstordnung für die Behörden des Freistaates Sachsen vom 14.1.1999 geregelt. Publiziert - darauf lege ich Wert - wurde es im Sächsischen Amtsblatt 1999, Seite 100.
Diese Stabsstelle und die Beauftragten für Bürgerangelegenheiten sind in Ziffer 13 Abs. 4 der Dienstordnung für die Behörden ausdrücklich erwähnt. Das gilt nicht für den dritten Weg, nämlich den Weg in das Büro von Frau Biedenkopf. Frau Biedenkopf bearbeitet als Ehefrau des Ministerpräsidenten Angelegenheiten der Bürger, die an sie herangetragen werden. Ihr Büro ist in der Dienstordnung nicht ausdrücklich erwähnt.
Rechtsgrundlage ist Ziffer 13 Abs. 2 Satz 2 der Dienstordnung, in der es allgemein heißt, daß andere Organisationseinheiten im Rahmen der Bildung der Regierung und der Verwaltung, außer Referaten und Abteilungen, gebildet werden können,
wenn es die Eigenart der Aufgabe rechtfertigt. Im allgemeinen wird das als ein Ausdruck der Organisationsgewalt der Regierung erkannt, nach der drei Mitarbeiter und 35.000 DM - das ist Ihnen bekannt - für das Büro zur Verfügung stehen. Sie sind im Einzelplan des Haushalts 02 ausgebracht.
Zusammenfassend möchte ich sagen: Sowohl die Beauftragten für Bürgerangelegenheiten als auch das Büro von Frau Biedenkopf sind zuständige Stellen im Sinne des Artikels 35. Die Abgrenzung von Eingaben wird oftmals nicht einfach sein. Oft ist es erkenntlich, daß Bürgeranliegen direkt an die Exekutive gehen. Oft will der Bürger direkt an den Landtag. Dann ist der Petitionsausschuß richtig. Wenn Frau Biedenkopf direkt angeschrieben ist, geschieht das in der Absicht, den Zugang zum Ministerpräsidenten und zur Staatsregierung zu erhalten. Hier wird sortiert werden. Ich habe mir berichten lassen, daß ein vernünftiger Weg der Abgrenzung gefunden worden ist, der vielleicht noch ausgeformt werden sollte.
Die Kernfrage zu Punkt 1 lautet: Wie, ist es mit den Rechten des Parlamentes? Strittig ist, ob die Regierung aus ihrer eigenen Organisationsgewalt das so einrichten kann und konnte oder ob es dazu eines ausdrücklichen Aktes des Parlamentes bedarf.
Diese Bedenken sind besonders vom Abgeordneten Prof. Porsch in der Sitzung der Versammlung des Plenums vom 16. Mai 2001 geäußert worden. Dort hat er nicht nur wie früher den in der Verfassung nicht vorgesehenen Sohn des , Reichspräsidenten Paul von Hindenburg erwähnt, sondern auch gesagt, die Frau des Ministerpräsidenten sei in der Landesverfassung nicht vorgesehen. Er hat,
darüber hinaus gefragt, ob das verfassungskonform sei. Dazu sollen wir heute Stellung nehmen.
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Ich möchte das in vier Punkten tun. Ich möchte zunächst das materielle und das organisatorische Kabinettsbildungsrecht und die Organisationgewalt der Regierung etwas näher beleuchten und dann fragen, ob es einen parlamentarischen Vorbehalt gibt, sei es im Sinne eines Gesetzesvorbehalts, eines parlamentarischen Zugriffsrechtes oder einer Ausformung des Budgetrechts.
Nach Art. 60 der Landesverfassung, der fast wortgleich mit dem Art. 64 des Grundgesetzes ist, liegt die Bildung des Kabinetts zunächst im organisatorischen Sinne beim Ministerpräsidenten bzw. beim Bundeskanzler. Der Ministerpräsident - so heißt es - beruft und entläßt die Staatsminister und Staatssekretäre. Er bestellt seinen Stellvertreter.
Das ist zunächst ein organisatorisches Kabinettsbildungsrecht. Der Ministerpräsident muß wissen, wo er Schwerpunkte setzt und wen er beruft. Aber letztlich steht dahinter ein materielles Kabinettsbildungsrecht. Das heißt, daß die Gesamtgeschäfte der Regierung des Freistaates Sachsen vom Ministerpräsidenten geordnet werden.
Das gilt vor allem für die Einrichtung und die Kompetenzausstattung der nachgeordneten Ämter. Man kann sagen, daß der Ministerpräsident des Freistaates Sachsen eine sehr starke Stellung hat. Wir haben eine gouvernementale Zielrichtung der Sächsischen Verfassung nach dem Vorbild der Baden-Württembergischen Verfassung - diese hat hier Pate gestanden - und des Grundgesetzes. Wir bezeichnen das als Organisationgewalt der Regierung, die in der Gewaltenteilung zwischen Legislative und Exekutive zunächst der Exekutive zugeteilt ist und gewissermaßen ein Hausgut des Regierungschefs ist.
Kann das Parlament sich daran beteiligen? Das Parlament hat grundsätzlich drei Möglichkeiten, sich an Regierungsgeschäften und an den Vorgaben für die Regierung zu beteiligen. Das ist das, was wir den sogenannten institutionellen Gesetzesvorbehalt, den grundrechtlichen Gesetzesvorbehalt und den rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehalt nennen. Ich will darauf nicht im einzelnen eingehen. Es ist eindeutig, daß der institutionelle Gesetzesvorbehalt - Errichtung von Körperschaften, Anstalten, Stiftungen, Gemeinden, Kammern usw. - nicht einschlägig ist.
Das gilt auch für den grundrechtlichen Gesetzesvorbehalt. Eingriffe in Art. 14 - Eigentumsgarantie -, in Art. 12 - Berufsfreiheit - und in Art. 2 liegen nicht vor. Bleibt die Frage, ob ein rechtsstaatlicher Gesetzesvorbehalt für das Parlament gegeben sein könnte.
Das Bundesverfassungsgericht sagt in seiner Weisheit seit längerem: Wesentliche Entscheidungen im Staat müssen durch das Parlament getroffen werden. Das ist rechtsstaatlich, gewaltenteilend und vor allem demokratisch in Ordnung.
Zu der Frage, ob das Einzelheiten der Regierungsorganisation auf der unteren Ebene betrifft, ist zu sagen, daß das Büro der Frau Ministerpräsidentin nicht auf der hohen Ebene der Regierung angesiedelt ist. Es ist eher eine nachgeordnete Stelle. Fragen der Regierungsorganisation sind damit wohl nicht gemeint. Vielmehr geht es im wesentlichen um das Parlamentsrecht, um die Rechte von Strafgefangenen, so die Rechtsprechung, oder um die Frage des gesetzlichen Richters.
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Es gibt eine Entscheidung, die sehr umstritten ist. Der Nordrhein-Westfälische Verfassungsgerichtshof hat gesagt, soweit es die Zusammenfassung von Innenministerium und Justizministerium angehe, könne das Parlament einschreiten; die Regierungsorganisation sei nicht allein Hausgut der Exekutive.
Diese Entscheidung ist aber sehr umstritten, und sie betrifft sicherlich nicht den. sächsischen Fall von Frau Biedenkopf, denn hierbei ging es darum, ob die Exekutive - im Kern betrifft es den Innenminister, früher „Polizeiminister“ genannt, und die Justiz - unabhängig sein soll. Diesbezüglich kann man allenfalls, wenn man dem Gericht folgen will, äußern, daß das Parlament sagen könnte: Nein, so geht es nicht; die beiden dürfen nicht zusammengelegt werden.
Ich möchte mich kurz fassen - auf Nachfragen kann ich gern Näheres ausführen - und sagen, daß ich ein parlamentarisches Zugriffsrecht ad-hoc auf das Büro der Frau Biedenkopf nicht sehe. Die Veröffentlichung des Organisationserlasses durch die Sächsische Dienstordnung gibt die Transparenz, die die parlamentarische Debatte schaffen soll, wenn es einen Parlamentsvorbehalt gäbe. Das ist Sinn der Sache. Es geht nicht nur darum, daß die Abgeordneten, die über vieles reden, auch darüber reden sollen. Vielmehr geht es darum, daß vor laufenden Kameras und vor den Augen der Öffentlichkeit über die Dinge diskutiert werden kann.
Aus dem Parlamentarischen Budgetrecht folgt: Jeder Pfennig für das Büro muß bewilligt werden. Das kann kontrolliert werden, aber daraus folgt sicherlich nicht, daß das Parlamentarische Budgetrecht dem Parlament das Recht gibt, alle einzelnen Organisationsschritte der Regierung zu überwachen. Das sind vielmehr der erste und der dritte Schritt. Der erste Schritt ist die Bewilligung des Geldes für dieses Büro, der zweite Schritt ist die Organisation durch den Ministerpräsidenten oder die Regierung, und der dritte Schritt ist die Kontrolle durch den Rechnungshof und das Parlament. Darauf lege ich Wert.
Wenn wir sagen würden, es gäbe einen allgemeinen Parlamentsvorbehalt, wäre es so, daß das Parlament in jeder Einzelheit mitreden könnte. Das kann nicht Sinn der Gewaltenteilung sein.
Zu der zweiten Frage, welche anderen Beispiele der Ausstattung von Büros es gibt, die „Ministerpräsidentinnengattinnen“- ein Gatte kann es auch sein - auf Rechnung der öffentlichen Hand unterhalten, ist folgendes zu sagen: Meine Recherchen haben ergeben, daß in fast allen Bundesländern - das gilt nicht nur für den Freistaat Sachsen, sondern auch für andere Länder - das Büro des Ministerpräsidenten, bei uns des Ersten Bürgermeisters oder in Bremen des Senatspräsidenten, Hilfsdienste für die Frau des Regierungschefs leistet. Immerhin hat der Ehepartner des Regierungschefs Anteil am Amt und dafür auch gewisse Aufwendungen.
Das beste Beispiel ist die Frau des Bundespräsidenten. Meine Damen und Herren! Alle Frauen der Bundespräsidenten, von Elly Heuss-Knapp, über Wilhelmine Lübke, Hilde Heinemann bis zu Marianne von Weizsäcker, hatten ein Büro mit zwei Referenten, einer Sekretärin, einem Fahrer und einem Dienstwagen. Ich habe bis heute morgen um 9.30 Uhr versucht, mit dem Bundespräsidialamt darüber zu verhandeln. Es ist interessant zu wissen, daß mir das Büro des Bundespräsidenten
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auch im Hinblick auf diese Anhörung die Auskünfte verweigert hat. Das ist ein Beispiel für mangelnde Transparenz.
Ich möchte es beispielhaft sagen: Wenn die Frau des Hamburger Ersten Bürgermeisters Repräsentationsaufgaben übernimmt, beispielsweise gegenüber unserem sehr großen Konsularischen Korps, braucht sie selbstverständlich die Unterstützung, die regelmäßig durch das Büro des Regierungschefs gegeben, wird.
Bezüglich der Fragen 3 bis 7 kann ich eine knapper gefaßte Antwort geben.
Auf welche Weise können Amtsanmaßung und Mißbrauch ausgeschlossen werden? Dies kann erstens durch das Parlamentarische Kontrollrecht geschehen. Sie können Kleine und Große Anfragen stellen. Sie können debattieren und kritisieren. Zweitens ist das durch den Haushalt und drittens durch den Rechnungshof möglich.
Zu Frage 4: Wie stellt die Staatsregierung sicher, daß auch die öffentliche Kontrolle des Büros von Frau Biedenkopf möglich ist? Erstens geschieht es durch die Dienstordnung. Das ist eine Verwaltungsanweisung, die publik gemacht ist und kontrolliert werden kann. Zweitens geschieht das so gut wie möglich durch eine parlamentarische Kontrolle; denn das Büro von Frau Biedenkopf ist in die Staatskanzlei eingeordnet.
Notwendig und dringlich ist es, die Empfehlung des Rechnungshofberichtes schnellstens umzusetzen. Ich höre, daß das bereits geschieht.
Für empfehlenswert halte ich es, daß das Büro von Frau Biedenkopf regelmäßig über Probleme und Problemkomplexe öffentlich berichtet, also vor der Presse, vor Rundfunk, Fernsehen und dem Parlament, und darstellt, welche Beschwernisse an das Büro herangetragen werden, so daß deutlich wird, daß hier Arbeit für die Bürgerinnen und Bürger des Freistaates Sachsen geleistet wird.
Zu Frage 5. Wie geschieht die Prüfung durch die Finanzbehörden? Das geschieht durch den Rechnungshof.
Zu Frage 6. Welche Einnahmearten, also Spenden und Geschenke, sind dem Büro zugegangen? Das kann ich nicht beantworten. Das müssen Sie herausfinden. Sie können durch Anfragen jederzeit jedes Geschenk ausforschen.
Ich will nur sagen, daß Zuwendungen an Frau Biedenkopf als eine Quasi-Amtsträgerin - das gilt wie bei einem Minister und dem Regierungschef - keine persönlichen Zuwendungen sind. Vielmehr sind es dienstliche Zuwendungen, die ab einer gewissen Höhe verzeichnet werden müssen und in das Eigentum des Freistaates übergehen. Das war beim alten König so, und das ist auch heute so. Darauf ist Wert zu legen, und das kann kontrolliert werden.
Die Frage 7 ist ein bißchen komisch: Wie sieht die Staatsregierung die Möglichkeiten des Landtages zur Kontrolle öffentlicher Mittel für das Büro von Frau Biedenkopf? Wie schätzt sie die finanziellen Möglichkeiten ein? Ist das ausreichend? Meine Damen und Herren Abgeordneten, es liegt allein an Ihnen zu sagen, ob es ausreichend ist oder nicht. Sie sind der Vertreter des Souveräns. Wenn Sie die Kontrolle, so wie sie stattfindend, nicht für ausreichend halten, dann fassen Sie
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nach! Das ist eine Frage, die sich an Sie selbst richtet. Die Antwort müssen Sie selbst geben.
Vielen Dank.
Herr Dr. Lunau: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Meine Damen und Herren! Ich möchte gleich an den Anfang stellen, daß ich hinsichtlich der finanziellen Ausstattung des Büros von Frau Biedenkopf erhebliche rechtliche Bedenken habe.
Das einzige Beispiel, das ich hinsichtlich der finanziellen Ausstattung für das Büro des Ehegatten oder der Ehegattin eines Ministerpräsidenten gefunden habe, ist ein Beispiel in Berlin, nämlich das Büro der Ehegattin des Bundeskanzlers. Dabei ist mir klar - das zeigt sich vor allem, wenn man vom Werdegang der Dinge ausgeht -, daß das auf Anregung des früheren Bundeskanzlers Helmut Kohl so entstanden ist und für die Repräsentation auf Bundesebene angedacht ist. Allerdings möchte ich dazu sagen, daß die Einrichtung dieses Büros meine rechtlichen Bedenken in dieser Hinsicht keinesfalls zerstreuen kann.
Wenn die Staatsregierung in ihrer Stellungnahme zum Fragenkomplex darauf hinweist, daß der Landtag formell über den Haushalt beschlossen habe, muß ich sagen: Auch dies ist für mich kein Argument, meine rechtlichen Bedenken zu zerstreuen. Zwar erzeugt die Beschlußfassung durch den Landtag zunächst die Vermutung einer materiell-formellen Rechtmäßigkeit, allerdings weist das Rechtsinstitut der Normenkontrolle darauf hin, daß auch Entscheidungen des Landtags durchaus kontrollfähig und gelegentlich auch kontrollbedürftig sind.
Ich möchte auf die Punkte eingehen, die meine Bedenken begründen. Zunächst zu meinen materiell-rechtlichen Bedenken. An den Anfang möchte ich stellen, daß wir in dieser Anhörung - das wird auch in der Stellungnahme der Staatsregierung sehr deutlich sichtbar - nicht über Repräsentationsaufgaben sprechen.
Es ist sicherlich eine völlig unproblematische Erscheinung und völlig unstrittig - es wird wohl von keinem Bürger des Freistaats in irgendeiner Weise angefochten -, daß die Ehegattin des Ministerpräsidenten in bestimmten Repräsentationssituationen mit in Erscheinung tritt und daß sie an der Seite des Ministerpräsidenten bestimmte Aufgaben wahrnimmt.
Aber in der Anhörung geht es darum, daß die Ehegattin des Ministerpräsidenten in einer Art und Weise tätig wird, wie es mein Kollege soeben dargestellt hat. Es ist praktisch eine Tätigkeit, die der Tätigkeit des Petitionsausschusses sehr nahe kommt, wenn nicht sogar in dessen Bereich hineinwirkt. Es geht hierbei nicht um Repräsentationsaufgaben. Hinzu kommt, daß wir bei den Repräsentationsaufgaben im Haushalt entsprechende Titel haben. Die dazu notwendigen Ausgaben sind bewilligt und diese können kontrolliert werden. Der Landtag hat auch mit seiner Entscheidungsbefugnis über das Budget entschieden, in welcher Höhe Ausgaben dafür zur Verfügung stehen.
Insofern haben wir ein grundsätzliches Problem und müssen fragen: Inwieweit ist die Tätigkeit von Frau Biedenkopf überhaupt materiell-rechtlich legitimiert? Welche
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Tätigkeit ist das? Ist es eine Tätigkeit, die es gestattet, dafür finanzielle Mittel des Freistaats zur Verfügung zu stellen?
Es ist festzustellen, Frau Biedenkopf ist in keinem irgendwie gearteten legislatorischen Verhältnis zum Freistaat. Sie ist nicht gewählt. Die Wahl des Landtags bezieht sich allein auf den Ministerpräsidenten. Der Amtseid bezieht sich ausschließlich auf den Ministerpräsidenten. Sie befindet sich weder in einem Beamten- noch in einem Anstellungsverhältnis. Das heißt, sie hat eigentlich keinerlei rechtliche Verbindung zum Freistaat. Sie hat - das ist die Konsequenz daraus - vor allem keine Verantwortung für das, was sie tut. Es gibt im Prinzip für ihre Tätigkeit kein Gremium, das berechtigt ist, sie inhaltlich zu kontrollieren und sie für bestimmte Dinge zur Verantwortung zu ziehen.
An dieser Stelle wird deutlich sichtbar, daß das, was hierbei geschieht, aller Ehren wert ist - das will ich überhaupt nicht in Frage stellen -, daß es aber keine Tätigkeit des Freistaates ist. Es ist auch keine Tätigkeit, die durch den Freistaat und seine Verfassungsorgane in irgendeiner Form legitimiert ist.
An dieser Stelle möchte ich auch meinem Kollegen Sachverständigen widersprechen: Das ist aus meiner Sicht kein Problem der Kabinettsbildung oder der Organisationshoheit des Ministerpräsidenten. Die Frau des Ministerpräsidenten gehört dem Kabinett nicht an. Sie befindet sich weder in einem Beamtenverhältnis, noch ist sie vereidigt oder als öffentlich-rechtliche Angestellte Mitglied des Kabinetts. Das heißt, es ist aus meiner Sicht kein Problem der Kabinettsbildung.
Die rechtliche Konstruktion, das Büro von Frau Biedenkopf in den Haushalt einzustellen und zu sagen, man organisiere das Büro als Organisationseinheit der Staatsregierung, ist aus meiner Sicht das, was man ein Umgehungsgeschäft nennt. Einerseits gehört Frau Biedenkopf keinem Organ bzw. keiner Verwaltungseinheit des Freistaats an. Andererseits ist das Büro ohne sie nicht denkbar. Das Büro ist keine leere Hülle. Es ist aus meiner Sicht eine künstliche Konstruktion, wenn gesagt wird, es gäbe ein Büro ohne Frau Biedenkopf, und es mag ein Zufall sein, daß Frau Biedenkopf in diesem Büro arbeitet. Das Büro ist auf sie zugeschnitten. Das Büro soll für sie da sein. Das steht im Haushalt ausdrücklich drin. Dort heißt es nicht einmal: „Büro der Frau Ministerpräsidentin" oder „Büro der Frau des Ministerpräsidenten“, sondern es heißt „Büro Frau Biedenkopf°. Das heißt, es ist auf eine konkrete Person zugeschnitten. Ich habe große Bedenken, daß das materiell-rechtlich in irgendeiner Form legitimiert ist.
Die Argumentation der Staatsregierung, daß Frau Biedenkopf Funktionen ausübt, die der Petitionsausschuß oder die Stabsstelle der Staatsregierung nicht ausfüllen können, überzeugt mich nicht. An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, daß wir zumindest im Land Thüringen und im Land Berlin die Situation haben, daß es dort keine Gattin des Ministerpräsidenten gibt. Es stellt sich die Frage: Welche Funktionen sollen dort unbearbeitet sein? Sollten die Aufgaben dort bearbeitet werden, ist zu fragen, durch wen und durch welche Strukturen dies geschieht. Dann muß in Sachsen gegebenenfalls darüber nachgedacht werden, auch Strukturen dieser Art zu schaffen. Ich habe große Zweifel, daß das rechtlich nachvollziehbar ist - wohl gemerkt rechtlich, mir geht es nicht darum, Frau Biedenkopf bezüglich ihrer Tätigkeit in irgendeiner Form persönlich zu nahe zu treten. Diese ist, wie in der Stellungnahme der Staatsregierung hinreichend und zutreffend dargestellt, unter
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anderem durch die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes angemessen gewürdigt würden. Jetzt geht es um die rechtlichen Konstruktionen. Ich habe große Bedenken, daß das, was hier geschieht, rechtlich nachvollziehbar ist.
Das Fazit ist aus meiner Sicht: Im republikanischen und demokratischen Staat gibt es keine Staatsaufgaben, die an eine Person gebunden sind. Schon aus diesem Grunde habe ich große Bedenken, daß die Konstruktion, die haushaltsrechtlich gewählt wurde, durchzuhalten ist.
Ein zweites Problem, das ich sehe, ist haushaltsrechtlicher Natur. Ich möchte anfügen, daß die rechtlichen Vorschriften dafür wohl nicht im Verfassungsrecht zu finden sind. Im Handbuch zur Verfassung des Freistaates Sachsen hat Herr Innenminister Hardraht zu Recht ausgeführt, daß die Spielräume des Verfassungsgebers im Haushaltsrecht denkbar eng waren, da es zumindest durch das Haushaltsgrundsätzegesetz und andere rechtliche Vorschriften praktisch bundesrechtliche Leitlinien gab, die der Verfassungsgeber letztlich nicht durchbrechen konnte. Er konnte keine eigenen Gestaltungsspielräume ausschöpfen.
Um das, was wir vorliegen haben, rechtlich zu bewerten, möchte ich sagen, daß die Vorschriften wohl eher im Bereich des Bundesrechts zu finden sind, das heißt vor allem im Haushaltsgrundsätzegesetz. Ich muß hinzufügen, daß für den Freistaat Sachsen das Haushaltsgrundsätzegesetz, zumindest in bezug auf den Teil 1, weitgehend wörtlich in der Sächsischen Haushaltsordnung aufgegriffen worden ist. Wenn ich berücksichtige, was ich vorangeschickt habe, ist festzuhalten: Wir haben es hierbei eindeutig mit Zuwendungen zu tun. Das heißt, der Freistaat gewährt außerhalb der Verwaltung des Bundes oder des Landes - so heißt es im Haushaltsgrundsätzegesetz - oder des Landes - so heißt es in der Sächsischen Haushaltsordnung - zur Erfüllung bestimmter Zwecke finanzielle Leistungen in Form von Ausgaben oder Verpflichtungsermächtigungen, hier ausschließlich in Form von Ausgaben. Das sind Zuwendungen. Das ist sowohl auf Bundesebene als auch auf Landesebene eindeutig legal definiert.
Wie gesagt: Hier ist von Verwaltung die Rede. Dabei ist der Verwaltungsbegriff sicherlich sehr weit zu fassen. Unter Verwaltung im haushaltsrechtlichen Sinne ist auch die Verwaltung der Verfassungsorgane zu fassen. Der Umstand, daß im Haushalt auch für den Landtag Mittel zur Verfügung stehen, macht die Mittel für den Landtag nicht zu Zuwendungen. Trotzdem handelt es sich insofern eindeutig um Zuwendungen, da Frau Biedenkopf keinem Verfassungsorgan angehört. Im Haushaltsgrundsätzegesetz und in der Sächsischen Haushaltsordnung sind relativ strenge Vorschriften enthalten.
Zu der Frage, unter welchen Umständen und in welchem Verfahren Zuwendungen zu gewähren sind. Diese Vorschriften sind nun aus meiner Sicht eindeutig und der Reihe nach abzuarbeiten. In § 14 des Haushaltsgrundsätzegesetzes - das entspricht § 23 der Sächsischen Haushaltsordnung - heißt es, es müsse ein erhebliches Interesse des Staats an der Erfüllung der Aufgaben geben, und ohne die finanziellen Mittel müsse keine oder eine nur mangelhafte Befriedigung dieser Aufgaben möglich sein. Diese Dinge müssen geprüft werden.
Formell ist in § 26 des Haushaltsgrundsätzegesetzes - das entspricht § 44 der Sächsischen Haushaltsordnung - vorgesehen: Es muß eine Bestimmung über die
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zweckentsprechende Verwendung der Mittel gegeben sein, und es muß vor allem ein Prüfungsrecht festgelegt sein.
Nun haben wir das Problem, daß Zuwendungen in einem förmlichen. Verwaltungsverfahren gewährt werden. Das heißt, es gibt zum Schluß einen Zuwendungsbescheid mit Rechtsmittelbelehrung und mit entsprechenden Auflagen usw.
Das heißt, der Antragsteller muß zuvor über die Ziele, Aufgaben, erforderlichen Mittel, Strukturen usw. einen Plan vorlegen. All dies ist in diesem Fall nicht geschehen.
Einmal abgesehen davon, daß ein Bescheid dieser Art wohl nicht durch den Landtag ergehen kann. Der Landtag kann lediglich Mittel zur Verfügung stellen, die Ausreichung von Zuwendungen geschieht dann aber über die Verwaltung, und zwar in diesem Falle über die Verwaltung im engeren Sinne. Es handelt sich nämlich dann eindeutig um Leistungsverwaltung.
Die entscheidende Konsequenz scheint mir vor allem zu sein, daß hier auch der Dreh- und Angelpunkt liegt, nicht nur ein Kontrollrecht ausüben zu können, sondern vor allem das Kontrollrecht auch mit scharfen Mitteln der Durchsetzbarkeit zu verbinden. Es gibt nämlich in § 49 Verwaltungsverfahrensgesetz eine Vorschrift, wonach dann, wenn die Bedingungen und vor allem der Zweck nicht erfüllt werden, der Leistungsbescheid auch zurückgenommen werden kann. Das ist natürlich eine sehr einschneidende Möglichkeit, Leistungsempfänger entsprechend in die Schranke zu weisen, wenn sie den von ihnen selbst bestimmten und durch die Verwaltung geprüften Zwecken nicht entsprechend gerecht werden.
Nur am Rande anreißen möchte ich das Problem, daß wir es bei Zuwendungen natürlich mit einem Phänomen zu tun haben, bei dem die Verwaltung Leistungen an Dritte im privaten Bereich ausreicht. Und sobald die Verwaltung nach außen hin tätig wird, haben wir es sofort mit Themen zu tun wie Gleichbehandlung, Anspruch anderer auf ähnliche Mittel, Ausschreibung von Leistungen, Fortsetzung der Leistungsgewährung - das wäre sozusagen eine der denkbaren Konsequenzen - nach dem Ende der Amtszeit des Ministerpräsidenten, bis hin zu der Frage des Rechtsschutzes. Wenn wir einen Bescheid mit einer Rechtsmittelbelehrung haben, hat das natürlich auch die Konsequenz, daß Frau Biedenkopf die Möglichkeit hätte, den Rechtsweg zu beschreiten. All dies ist, glaube ich, in der gegenwärtigen Konstruktion weder denkbar noch gedacht, aber meines Erachtens ist eindeutig eine Konsequenz, daß die Dinge so unzulässig sind.
Zum Schluß möchte ich auf formelle Bedenken eingehen. Die ersten formellen Bedenken habe ich hinsichtlich der Spezifizierung der Ausgaben. Es ist in der Titelgruppe vor allem hinsichtlich der Angestellten nur auf Titel 422 01 und Titel
425 01 verwiesen. Diese Titel enthalten die Bezüge aller planmäßigen Beamten der Staatskanzlei und aller Angestellten der Staatskanzlei. Das heißt, im Prinzip enthält der Haushalt keine Aussage, wie viele Angestellte und Beamte im Büro Frau Biedenkopf tatsächlich angestellt sind, wie viele dort beschäftigt sind, wie viele für Frau Biedenkopf tätig werden.
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Das hat natürlich weitreichende Konsequenzen zu den Kontrollrechten. Ich stimme meinem Kollegen Sachverständigen zu: Die Prüfung erfolgt durch den Landesrechnungshof. Das ist bei Zuwendungen durch den Staat in § 43 Abs. 1 Nr. 3 Haushaltsgrundsätzegesetz eindeutig geregelt. Das Problem ist nur: Wie will der Landesrechnungshof prüfen, ob zum Beispiel die eingesetzten Angestellten und Beamten tatsächlich entsprechend dem gesetzten Zweck tätig geworden sind, wenn er noch nicht einmal weiß, wie viele es denn nun sind? Das heißt, der Prüfungsumfang ist überhaupt nicht zu bestimmen, weil der Haushalt keine präzise Aussage über die Frage trifft, wie groß die eingesetzten Mittel sind. Vor allem im personellen Bereich ist dies nicht bestimmt, da, wie gesagt, nur der Verweis auf die allgemeine Auflistung aller Angestellten- und Beamtenstellen in der Staatskanzlei erfolgt.
Und zum Schluß eine Ausführung zu der Frage, inwieweit der Landtag kontrollieren kann. Hierzu ist aus meiner Sicht Folgendes auszuführen: Der Landtag hat Kontrollrechte, die in der Form von Fragerechten der Abgeordneten, Zitierrechten in Ausschüsse und auch in das Plenum ausgestaltet sind und natürlich in seinem Recht, Untersuchungsausschüsse zu bilden. Wenn man diese Kontrollrechte einmal näher betrachtet, wird deutlich, daß es sich ausschließlich um Kontrollrechte innerhalb des Systems der Verfassungsorgane handelt.
An dieser Stelle komme ich an den Ausgangspunkt meiner Ausführungen zurück. Die Kontrollrechte des Landtages sind natürlich Kontrollrechte zur politischen Verantwortlichkeit von Ministern, eines Ministerpräsidenten und anderer politischer Amtsträger. Und genau das ist Frau Biedenkopf nicht. Das heißt, es gibt letztlich kein Kontrollrecht des Landtages in der Hinsicht, daß im Büro von Frau Biedenkopf das geschieht, was als Zweck dieses Büros möglicherweise von den Abgeordneten irgendwann einmal bestätigt worden ist. - Danke.
Vors. Schimpff, CDU: Vielen Dank, Herr Lunau. Nun kommt, last but not least, der Rektor der Verwaltungshochschule Meißen. Herr Musall, Sie haben das Wort.
Herr Prof. Dr. Musall: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Ausschusses! Sehr geehrte Damen und Herrenl Ich möchte vorweg deutlich machen, daß ich mich bei meiner Stellungnahme auf die Frage der Rechtskonformität des Büros von Frau Biedenkopf konzentrieren möchte und daß ich mich als Maßstab ausschließlich an der sächsischen Verfassung orientieren möchte. Fragen der politischen Zweckmäßigkeit scheinen mir nicht das Thema zu sein, sondern ich möchte von vornherein deutlich machen, daß es mir um eine verfassungsrechtliche Bewertung geht.
Dabei möchte ich auf vier Punkte eingehen: erstens auf die Frage, inwieweit der Grundsatz der Gewaltenteilung verletzt sein könnte; zweitens auf die Frage, inwieweit die Budgethoheit des Parlamentes verletzt sein könnte; drittens auf Fragen der Kontrolle und viertens auf die Frage, inwieweit durch das Büro von Frau Biedenkopf das Petitionsrecht nach Artikel 35 der Verfassung beeinträchtigt sein könnte.
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Zum ersten Punkt: Meine Kollegen haben in ihren Stellungnahmen deutlich gemacht, daß bei der Frage der Einrichtung des Büros von Frau Biedenkopf von entscheidender Bedeutung ist, inwieweit die Organisationshoheit der Staatsregierung diese Entscheidung rechtfertigt bzw. inwieweit durch diese Organisationsentscheidung unter Umständen das Recht des Sächsischen Landtages verletzt sein könnte.
Aus meiner Sicht ist Ausgangspunkt Artikel 83 der sächsischen Verfassung, wonach der Landtag durch Gesetz festlegen kann, wie die Landesverwaltung aufgebaut wird und welche Zuständigkeiten ihr zukommen. Daß die Tätigkeit des Büros von Frau Biedenkopf eine Verwaltungstätigkeit im Sinne dieser Regelung ist, also zur Landesverwaltung gehört, scheint aus meiner Sicht völlig außer Frage zu stehen. Insofern könnte der Landtag durch eine gesetzliche Regelung eine entsprechende Entscheidung treffen, was er allerdings nicht getan hat.
Für diesen Fall, wenn also der Gesetzgeber von dieser verfassungsrechtlichen Ermächtigung keinen Gebrauch macht, greift nach meiner Auffassung der zweite Satz des Artikels 83, wonach die Einrichtung der staatlichen Behörden im Einzelnen der Staatsregierung obliegt. Und die Rechtsgrundlage für die Einrichtung des Büros Frau Biedenkopf ist in der Ausnahmeregelung zu sehen, daß, wenn der Landtag keine gesetzlichen Vorgaben der Exekutive gegenüber erlässt, die Exekutive selbst, nämlich die Staatsregierung, die staatlichen Behörden organisieren kann.
Das ist geschehen und konkretisiert worden - da möchte ich auf das hinweisen, was Herr Karpen ausgeführt hat - durch die sächsische Dienstordnung, in der in Nr. 13 Abs. 2 Satz 2 eine weitere Konkretisierung erfolgt. Es scheint mir wichtig, diese Regelung im Detail zu zitieren. Nach dieser Regelung in Nr. 13 Abs. 2 Satz 2 können andere Organisationseinheiten gebildet werden, wenn es die Eigenart der Aufgabe rechtfertigt.
Die Formulierung "wenn es die Eigenart der Aufgabe rechtfertigt" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Die Ausfüllung dieses unbestimmten Rechtsbegriffes obliegt der verantwortlichen Leitung des jeweiligen Ministeriums.
Die Entscheidung, dieses Büro in die Staatskanzlei zu integrieren, ist aus meiner Sicht von der Organisationsgewalt der Staatsregierung umfaßt. Die Entscheidung, die in einer Bekanntmachung der Staatsregierung getroffen worden ist, welche Aufgaben welches Ministerium zu erfüllen hat, ist gedeckt von der Organisationsgewalt der Regierung gemäß Artikel 83 der sächsischen Verfassung. Die Entscheidung, eine Organisationseinheit zu bilden und diese mit öffentlichen Aufgaben zu versehen, ist aus meiner Sicht gedeckt durch diese Regelung in der Dienstordnung für die staatlichen Behörden des Freistaates Sachsen.
Die Gewaltenteilung ist aus meiner Warte nicht verletzt. Es wäre dem Landtag möglich, diesen Status durch eine entsprechende gesetzliche Regelung zu verändern. Es ist also möglich, in einem Gesetz zu regeln, wie neben den anderen Möglichkeiten - da möchte ich auf das hinweisen, was Herr Karpen ausgeführt hat - Bürgeranliegen an die Staatsgewalt herangetragen werden können. Dies ist nicht geschehen. Insofern ist die Staatsregierung berechtigt, diesen Spielraum auszuschöpfen, den die Verfassung eindeutig der Regierung zuweist.
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Zusammenfassend zum ersten Punkt möchte ich deshalb noch einmal betonen: Eine Verletzung des Grundsatzes der Gewaltenteilung liegt nicht vor. Der Landtag könnte eine andere Regelung treffen. Dies hat er bisher nicht getan.
Zum zweiten Aspekt: Wird durch die Einrichtung des Büros Frau Biedenkopf das Budgetrecht, die Budgethoheit des Landtages beeinträchtigt oder gar verletzt? Dies ist aus meiner Sicht nicht der Fall. Der Landtag hat durch die Verabschiedung des jeweiligen Haushaltgesetzes dokumentiert, daß er die in dem Einzelplan 02 veranschlagten Haushaltsmittel sowohl hinsichtlich der personellen als auch hinsichtlich der sächlichen Mittel mitträgt.
Ich teile nicht die Bedenken, die Herr Lunau vorgetragen hat, daß durch die pauschale Ausweisung unter Umständen haushaltsrechtliche Bedenken erwachsen würden. Der Haushalt wird ja in den Ausschüssen intensiv vorberaten und es obliegt dem einzelnen Landtagsabgeordneten und dem Parlament insgesamt, sich die Informationen zu besorgen, die benötigt werden, um zu einer abschließenden Entscheiden zu kommen. Und ich denke, das ist kein verfassungsrechtliches Argument, das zulasten der Exekutive vorgetragen werden kann. Der Landtag ist Herr des Verfahrens und kann sich insoweit vor der förmlichen Verabschiedung des Haushaltsgesetzes alle Informationen beschaffen, die für den einzelnen Abgeordneten erforderlich sind.
Also insoweit sehe ich auch das Budgetrecht des Parlamentes in keiner Weise beeinträchtigt. Die Mittel sind entsprechend ausgewiesen. Auch hier könnte der Landtag, wollte er, eine andere Entscheidung treffen. Durch eine entsprechende Kürzung der Mittel könnte er im Ergebnis erreichen, daß die Einrichtung dieses Büros nicht möglich wird. Insofern ist eine Beeinträchtigung oder eine Verletzung des Budgetrechtes des Parlamentes aus meiner Sicht also nicht gegeben.
Zum dritten Punkt, zur Frage der Kontrolle: Ausgehend von der These, es handele sich bei dem Büro um eine Organisationseinheit in der Sächsischen Staatskanzlei, greifen die Kontrollinstrumente, die generell für Einrichtungen der Exekutive vorhanden sind. Das beginnt bei der Dienstaufsicht innerhalb des Ministeriums und setzt sich fort in den anderen Kontrollmechanismen, die die Verfassung vorsieht, insbesondere auch die Kontrolle durch den Rechnungshof.
Der Rechnungshof kontrolliert das Büro Frau Biedenkopf in gleicher Weise wie andere Organisationseinheiten der staatlichen Verwaltung. Auch hier möchte ich den Ausführungen des Kollegen Lunau widersprechen. Der Sächsische Rechnungshof ist sehr wohl in der Lage, im Detail zu überprüfen, ob die Mittel, die eingesetzt worden sind, entsprechend dem gegebenen Zweck verwendet wurden oder nicht. Der Rechnungshof verfügt über intensive Kontrollinstrumente, hat Akteneinsicht in sämtliche Unterlagen. Es liegt an dem einzelnen Prüfer, mit welcher Intensität er die Aufgabe wahrnimmt. Und die Ereignisse der letzten Monate haben ja deutlich gezeigt, daß der Rechnungshof dieses Kontrollrecht sehr intensiv ausübt. Also, ich habe keine Bedenken, daß insoweit die Kontrollmöglichkeiten des Rechnungshofes durch die jetzt gewählte Konstruktion des Büros Frau Biedenkopf gefährdet sein könnten.
Der vierte Punkt scheint aus meiner Sicht der verfassungsrechtlich schwierigste Punkt zu sein. Da würde ich mich auch dem anschließen, was Herr Kollege Lunau
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gesagt hat. Allerdings würde ich im Ergebnis eine andere Bewertung vornehmen und sagen, daß keine Verletzung des Artikels 35 der Verfassung vorliegt bzw. kein Umgehungsgeschäft, wie Sie das genannt haben, gegeben ist, wenngleich in der Tat eine Oberschneidung mit den Funktionen des Petitionsausschusses nicht von der Hand zu weisen ist.
Das ist sicherlich eine auch verfassungsrechtlich kritische Situation, die allerdings aus meiner Sicht deshalb hinnehmbar ist, weil durch das Büro Frau Biedenkopf keine Entscheidungen in dem Sinne getroffen werden, wie das vom Petitionsausschuß getan wird. Ich sehe diese Einrichtung als eine Unterstützungseinheit zugunsten des Bürgers. Und wenn ich von Sinn und Zweck des Artikels 35 ausgehe, soll ja durch die Verfassung ein umfassender Schutz des Einzelnen gewährleistet werden, sich gegen Maßnahmen der staatlichen Gewalt zur Wehr setzen zu können. Es wird ihm durch dieses Büro nicht etwas genommen, sondern zusätzlich gegeben.
Insofern sehe ich keine Beeinträchtigung der Aufgaben des Petitionsausschusses, weil sich lediglich eine weitere Institution ebenfalls mit Anliegen der Bürger auseinander setzt. Es ist ja jedem einzelnen Bürger unbenommen, sich zusätzlich noch an den Petitionsausschuß zu wenden. Das heißt also, es gibt keine Regelung, die zu einer Ausschlußwirkung führen würde, daß also anstelle des Petitionsausschusses der Bürger an das Büro von Frau Biedenkopf verwiesen würde, sondern er bekommt eine zusätzliche Möglichkeit, sich außerhalb der verfahrensrechtlichen und gerichtlichen Abwehrmöglichkeiten mit der Staatsgewalt auseinander zu setzen. Das beeinträchtigt nicht seine Rechte aus Artikel 35.
Also, ich würde im Ergebnis auch zu dem vierten Punkt sagen: Verfassungsrechtlich ist die Einrichtung des Büros Frau Biedenkopf mit dem Artikel 35 der sächsischen Verfassung vereinbar.
Zusammengefaßt bin ich der Auffassung, daß die Entscheidung, dieses Büro einzurichten, gedeckt ist durch die Organisationsgewalt der Staatsregierung. Sowohl haushaltsrechtliche als auch petitionsrechtliche Bedenken halte ich für unbegründet.
Die Frage, ob der Landtag eine andere politische Entscheidung treffen will, ist ihm unbenommen. Die Verfassung gibt insoweit den rechtlichen Rahmen, die Entscheidung ist allerdings eine rein politische. - Danke schön.
Vors. Schimpff, CDU: Ich danke auch Ihnen, Herr Musall. Ich muß sagen, alle drei Sachverständigen haben augenscheinlich eine innere Uhr, die minuten- und in Ihrem Falle, Herr Lunau, sekundenscharf, bevor der Zeitpunkt eintritt, von dem ich sagte, daß ich nervös werde, die Stellungnahme beendet.
Das waren die Vorträge der drei Sachverständigen. Die Mitglieder des Hohen Hauses haben jetzt die Möglichkeit, mit Fragen nachzuhaken. Zuerst hat sich Herr Bartl gemeldet. Herr Kollege Bartl, bitte.
Bartl. PDS: Ich möchte zunächst Herrn Prof. Karpen und Herrn Prof. Musall fragen, inwieweit die von Herrn Dr. Lunau geäußerten Bedenken geteilt werden - oder inwieweit man das anders sieht -, daß die Kontrollrechte des Parlaments schon
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deshalb nicht gewährleistet sind, weil Frau Biedenkopf respektive selbiges Büro nicht im Bereich der Verfassungsorgane liegt.
Ich will weiter fragen, ob es unstreitig ist, daß es sich bei der Tätigkeit selbigen Büros um eine solche handelt, die eindeutig in der Reichweite des Artikels 35 liegt, also im Petitionsrecht, verfassungsmäßig normiert, vergleichbar mit dem Petitionsrecht, wie es in Artikel 17 des Grundgesetzes geregelt ist, und ob mir darin Recht gegeben wird, daß sich dieses Petitionsrecht schon in der Definition des geschützten Verhaltens immer auf bestimmte Verhaltensweisen von staatlichen Verwaltungsstellen richtet.
Ich verweise auf Pieroth, Kommentar zum Grundgesetz, Artikel 17 und Nr. 2: "Geschütztes Verhalten, Bitten bzw. Beschwerden, die voneinander nicht genau abgegrenzt und zusammen als Petitionen bezeichnet werden können, werden dadurch charakterisiert, daß sie ein bestimmtes Verhalten staatlicher Stellen wünschen bzw. erbitten." Es geht also um staatliche Stellen!
Und eine dritte Frage: Es ist sicherlich unbestreitbar, daß Sachsen kein Landesorganisationsgesetz hat. Der Landtag hat keines erlassen. Das gibt selbstverständlich der Regierung die Möglichkeit, Organisationseinheiten zum Beispiel über die Dienstordnung zu regeln. Ich will auch nicht über den unbestimmten Rechtsbegriff "wenn es die Eigenart der Aufgabe rechtfertigt" philosophieren. Meine Frage ist aber: Kann eine Organisationseinheit geschaffen werden, der quasi eine Privatperson vorsteht, also weder ein Beamter noch ein öffentlich Bediensteter noch ein Beliehener, sondern eine Privatperson mit allen Konsequenzen, also auch der fehlenden Möglichkeit, Pflichtenlagen zu schaffen, Verantwortungen geltend zu machen, Zuwendungsbescheide zurückzuziehen und dergleichen mehr?
Vors. Schimpff, CDU: Ja, meine Damen und Herren, Sie haben ein ganzes Konvolut von drei ausführlichen Fragen bekommen. Ich schlage vor, Herr Karpen, Sie fangen an, weil Herr Musall bis eben geredet hat und sich dann noch etwas erholen kann.
Herr Prof. Dr. Karpen: Vielen Dank, Herr Abgeordneter.
Die erste Frage, die von Herrn Professor Musall ausgiebig behandelt worden ist, ist die Frage, ob das Petitionsrecht in Artikel 35 vielleicht über den Rahmen, den die Verfassung vorgibt, hinaus eingeschränkt, modifiziert wird.
Ich bin von dem Wortlaut ausgegangen und möchte ihn wiederholen: "Jede Person hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden."
Das Petitionsrecht kennen wir im Allgemeinen als ein wichtiges Recht des demokratischen Bürgers, sich direkt an die Exekutive zu wenden, und zwar, um sich Erleichterungen bei seinen Repräsentanten - und das ist das Parlament - zu verschaffen.
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In der Regel ist es so, daß zwei Wege offen sind. Ich will das wiederholen: Es gibt Bürgeranliegen, die direkt an die Exekutive gehen: "Sehr geehrter Herr Minister, ich möchte darauf hinweisen, daß mein kleines Häuschen..." usw. Es gibt aber auch Petitionen - und das ist der klassische Fall -, die direkt an das Parlament gehen: "Sehr geehrter Herr Parlamentspräsident, ich möchte darauf hinweisen, daß das Ministerium mir in hohem Maße..." usw.
Außerdem gibt es - und wer die Praxis kennt, weiß, daß das die häufigsten Fälle sind - Eingaben, die nicht sehr spezifiziert sind, sondern wo die Bürger sich einfach Luft machen. So soll es ja auch sein. Sie können von dem Bürger in Meißen oder wo auch immer nicht erwarten, daß er die Abgrenzungen der Kompetenzen zwischen dem Petitionsausschuß und einem Minister genau kennt, sondern er erwartet in gewisser Weise die Lösung seines Problems dadurch, daß sein Problem zu Ohren des Ministers oder noch besser des Ministerpräsidenten kommt. Und da bekanntlich der Weg zum Ministerpräsidenten über den Hund - so sagte man früher - oder über die Ehefrau führt, erwartet der Bürger etwas Besonderes von der fürsorglichen Fürsprache durch die Frau des Ministerpräsidenten.
Wir wollen es doch einmal so sehen, wie es ist. Da wird abends am Tisch gesagt: Da hat mir eine Bürgerin geschrieben. Kannst du dich nicht einmal darum kümmern? Ich habe den Eindruck, daß das nicht in Ordnung ist. Ich gebe das an den Minister weiter, aber ich möchte gern, daß du das weißt. –
Es ist außerordentlich schwierig, das in einem Petitionsausschuß - in Hamburg bekommen wir Hunderte von Eingaben - so zu sortieren. Ich verstehe es so: Wenn eindeutig klar ist, daß der Minister Hardraht, weil der Polizeibeamte an der Ecke etwas falsch gemacht, das wissen sollte, dann geht es an den Minister Hardraht. Wenn eindeutig klar ist, daß das Parlament es wissen sollte, geht es an den Petitionsausschuß.
Wenn aber dieses wenig differenzierte, aber doch wichtige und - lassen Sie es mich so sagen - ein bißchen "gefühlige" Anliegen so formuliert wird: "Frau Biedenkopf, Sie sind sozusagen in der Spitze der Regierung, können Sie mir nicht helfen?", dann ist es Aufgabe des Büros, der Petentin oder dem Petenten zu sagen: Ich habe das erhalten, ich will mich darum kümmern und es dann weitergeben. –
Mit anderen Worten: Ich sehe es genauso wie Herr Musall, daß hier eine Form gefunden worden ist, die vielleicht in der Verfassung so nicht vorgesehen ist - das ist ja richtig, was Herr Porsch gesagt hat, daß in der Verfassung die Frau Biedenkopf nicht vorgesehen worden ist, auch nicht die Frau Vogel, weil es die Frau Vogel gar nicht gibt in Ihrem schönen Nachbarland -, aber daß doch eigentlich versucht werden sollte, das einzubauen.
In der Praxis, über die ich mich schlau gemacht habe, ist es wirklich so, daß das Büro der Frau Biedenkopf versucht, die Seele zu befrieden, eine Zwischennachricht zu geben und im Übrigen die Dinge an die Ministerien - Herr Kolbe sitzt ja hier - weiterzugeben und um eine gute Bearbeitung zu bitten oder sie dem Landtag zuzuleiten, der hier einen eigenen Stab hat.
Insofern meine ich, daß diese drei Institutionen - der Bürgerbeauftragte, der Petitionsausschuß und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Frau Biedenkopf -
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gesehen werden müssen als ein Filter, der in die Regierung hineingeht, denn die Regierung regiert das Land. So ist es überall.
Damit, Herr Abgeordneter Bartl, beantwortet sich auch die Frage: Kann man sozusagen einer Privatperson ein Büro zur Verfügung stellen? Ich habe vorhin mit Fleiß nicht zufällig von einer Quasi-Beamtin, Quasi-Amtsstellung gesprochen. Frau Biedenkopf ist natürlich keine Beamtin. Das ist richtig. Aber es ist doch ein Büro, das Pflichten wahrnimmt, die in hohem Maße den demokratischen Erfordernissen mit Transparenz und Zugang zum Parlament und zur Regierung entsprechen. Insofern sehe ich da keine Bedenken.
Die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes mit Stern - übrigens hat das damals Heinemann, glaube ich, Frau Lübke verliehen - ist gewissermaßen die Remuneration für Frau Biedenkopf. Alles andere geht durch den Haushalt und ihr Büro. Und insofern meine ich, daß man das der Quasi Amtsperson Frau Biedenkopf zutrauen kann, weil sie eben einmalig und unersetzlich ist.
Ich möchte insofern auch die Frage beantworten: Sind dadurch die Kontrollrechte des Parlamentes beschnitten? - Herr Bartl, Sie haben damit angefangen. - Nein, das sind sie nicht; denn die Kontrollrechte des Parlamentes gehen eben nicht nur in die Spitzen der Verfassungsorgane, sondern greifen durch die Verfassungsorgane, den Ministerpräsidenten, die Minister, die dem Parlament verantwortlich sind, bis hinunter durch und damit reicht Ihre Kontrollfunktion über die Ihnen verantwortlichen Amtsträger bis hinunter in die Organisationseinheit des Büros Frau Biedenkopf.
Damit ist auch die Bemerkung von Herrn Dr. Lunau, keiner könne sie zur Verantwortung ziehen, etwas relativiert. Das ist natürlich nicht richtig, sondern über den Ministerpräsidenten und den Chef der Staatskanzlei, der Minister ist, können Sie selbstverständlich die Amtsführung der gesamten Staatskanzlei kontrollieren. Das wäre ja noch schöner, wenn das nicht möglich wäre.
Ich will als abschließenden Satz nur sagen: Den Weg, den Sie gewählt haben, Herr Dr. Lunau, das Problem sozusagen ins Subventions- und Wirtschaftsverwaltungsrecht abzuschieben wie eine Besoldung Dritter im privaten Bereich, halte ich für einen Umweg, der uns nur Zeit gekostet hat. Entschuldigen Sie bitte, das ist nicht persönlich gemeint.
Vors. Schimpff. CDU: Danke, Herr Karpen. Die Fragen gingen auch an Herrn Musall. Bitte, Sie haben das Wort.
Herr Prof. Dr. Musall: Herr Abg. Bartl, ich teile Ihre Auffassung, daß Frau Biedenkopf kein Verfassungsorgan ist. Vielmehr steht sie einem Büro vor, das in die Staatskanzlei integriert ist. Sie ist auch nicht Privatperson in dieser Funktion, sondern ich würde die Konstruktion des Beliehenen hier für anwendbar halten. Sie übt quasi schlicht hoheitliche Verwaltungstätigkeit aus, und auch ihre Mitarbeiter tun das. Das ist nichts Ungewöhnliches. Es gibt ein Vertragsverhältnis mit den Mitarbeitern des Büros.
Hinsichtlich Frau Biedenkopf besteht die Besonderheit darin, daß sie diese Tätigkeit ehrenamtlich ausführt. Das ändert nichts daran, daß die Grundlage der Tätigkeit in einem Vertragsverhältnis zu sehen ist. So wie andere Verwaltungseinheiten sich
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Mitarbeiter auf einer vertraglichen Grundlage ins Haus holen, so ist dies in der Staatskanzlei auch geschehen. Ich sehe kein Problem darin, daß außerhalb der Verwaltung eine Privatperson öffentliche Aufgaben erfüllt. Wenn die These richtig ist - ich bin überzeugt davon -, daß das Büro ein Bestandteil der Verwaltungseinheit Staatskanzlei ist, dann ist die Tätigkeit, basierend auf einer vertraglichen Grundlage, hoheitliche Tätigkeit und hat nichts mit rein privatem Handeln zu tun.
Eine zweite Anmerkung zu Ihrer Frage, Herr Bartl. Sie hatten den Kommentar von Pieroth über das Wesen von Petitionen zitiert. Sicherlich ist es richtig, daß sich im wesentlichen der Petent gegen staatliches Handeln wehrt.
Aber ich würde den Begriff auch weiter fassen und sagen, der Petent kann auch begehren, daß von staatlicher Seite etwas getan wird. Das kann auch in rein privat-rechtliche Bereiche hineinreichen. Ich sehe das als sehr umfassend an und hätte keine Bedenken, wenn sich jemand an das Büro Biedenkopf mit einem Anliegen wendet, das zunächst nicht auf einem staatlichen Handeln basiert, sondern eher verlangt, daß der Staat etwas tut. Das ist vom Art. 35 bzw. vom Petitionsrecht ohne weiteres abgedeckt.
Schiemann, CDU: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Die Antragsteller gehen davon aus, daß es sich hierbei um die Verwendung von öffentlichen Mitteln handelt. Ich würde gern von Herrn Prof. Karpen und von Herrn Musall erfahren, ob es zutrifft, daß die Verwendung der öffentlichen Mittel außerhalb des Haushaltsrechtes des Freistaates Sachsen liegt.
Die zweite Frage lautet: Kann man den Vorwurf im Raum stehen lassen, der Landtag hätte sich in seinen Ausschüssen nicht ausreichend mit dieser haushaltrechtlichen Frage befaßt? Denn das wäre dann das Nachfolgende.
Die dritte Frage bezieht sich nochmals auf die Kontrollrechte. Wenn die Möglichkeit des Haushaltsgesetzgebers besteht, einen Beschluß zu fassen, der besagt, daß Mittel in der Staatskanzlei in entsprechender Höhe und unter Zuordnung von Personalstellen im Gesetz festzuschreiben sind, so ist zu fragen: Welche Kontrollinstrumente gibt es neben dem Parlament dann noch zusätzlich?
Herr Prof. Dr. Karpen: Herr Abg. Schiemann, zunächst zu der Frage, ob es sich um Haushaltsmittel im Rahmen des Budgets des Freistaates Sachsen handelt. Wir alle drei haben das, glaube ich, nicht bestritten, wenngleich die Zielrichtung des Einsatzes von Herrn Dr. Lunau anders gesehen wird, gleichsam wirtschaftsverwaltungsrechtlich als eine Form des Outsourcing in den privaten Bereich, während Herr Kollege Musall und ich das bestreiten. Nein. Das ist Teil des Haushalts, und damit schließt sich zugleich die sehr wichtige Feststellung an, daß der Haushalt nicht nur ein formelles Zahlenwerk ist, wie Herr Dr. Lunau das andeutete, sondern daß der Haushalt das Haushaltsbuch des Staates ist. Über jede einzelne Position kann diskutiert werden und wird diskutiert. Jeder hat seine anderen Erfahrungen, aber die Haushaltsberatungen gehören nach meiner Erfahrung zu den intensivsten Beratungen des ganzen Jahres, und zwar auch in den Fachausschüssen. So ist das auch in Bremen. Über wichtige Positionen und oftmals auch über Kleinigkeiten wird gerungen, so daß die Feststellung, daß das Haushaltsgesetz nebst Haushaltsplan nicht lediglich ein formeller Akt, sondern ein
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materielles Gesetz ist, das sozusagen den finanziellen Rahmen der staatlichen Tätigkeit absteckt, Bestand hat.
Damit verbindet sich die zweite Frage. Auch diesbezüglich war Herr Dr. Lunau etwas anderer Auffassung, als ich es bin. Es handelt sich um die Finanzierung der Landesverwaltung, weil es sich, wie wiederholt gesagt worden ist, um eine Organisationseinheit im Rahmen der Staatskanzlei handelt, wie ein Referat, wie eine kleine Abteilung, wie etwas anderes, wofür Personal- und Sachmittel zur Verfügung gestellt werden.
Wie weit kann das Parlament das kontrollieren? Zunächst will ich auf das Argument von Herrn Dr. Lunau eingehen. Ja, das sind doch globale Aufstellungen: Es sind soundso viele Ministerialdirektoren, Ministerialdirigenten, so und so viele Oberlandesgerichtsräte usw. Das ist richtig. Zum Haushalt gehört der Planstellenteil, in dem jede Stelle für einen Beamten oder einen Angestellten ausgewiesen ist. Es ist aber, Herr Dr. Lunau, nicht so etwas wie ein ehernes Korsett für die Regierung ohne Flexibilität. Nach der Bundeshaushaltsordnung und der Landeshaushaltsordnung gibt es auch im laufenden Personalbudget Möglichkeiten der Flexibilität, der Umsetzung von Mitteln und kurzfristige zwingende Gründe. Planstellen können verlagert werden. Abordnungen können geschehen. Leute können, Gott möge es verhindern, sterben. Die Planstelle wird frei und neu besetzt. Es handelt sich also um einen Rahmen, der doch der Regierung, die mit diesem Haushalt wirtschaften muß, eine gewisse Flexibilität gibt.
Herr Abgeordneter, die Frage der Kontrolle ist so: Die laufende Kontrolle ist möglich, indem der vierteljährliche Bericht über den Verlauf des Haushalts gegeben wird, und zwar mit allen Möglichkeiten der Nachfolge. Dann kommt der Rechnungshof. Dann berichtet der Rechnungshof, und dann diskutiert das Parlament und entlastet. Auf jeder dieser Stufen kann der Chef der Staatskanzlei bzw. der Ministerpräsident auf Herz und Nieren prüfen, was mit dem Büro Biedenkopf ist. Es kommt lediglich darauf an, wie ernst das Parlament es nimmt. Es kommt darauf an, sich nicht auf Abwege zwingen zu lassen, sondern im Rahmen des Haushaltes die strikte Kontrolle auszuüben, die nach wie vor die Kontrolle jedes Pfennigs bzw. ab Januar jedes Cents ist.
Herr Prof. Dr. Musall: Herr Abg. Schiemann. Nach meinen Informationen sind die öffentlichen Mittel, die für das Büro Biedenkopf verwandt worden sind, allesamt in den Haushalt eingestellt und sind im Rahmen der haushaltsrechtlichen Bestimmungen vollzogen worden.
Zu Ihrer ersten Frage: Öffentliche Mittel sind nicht außerhalb des Haushalts verwandt worden. Inwieweit Drittmittel dem Büro zugeflossen sind, entzieht sich meiner Kenntnis, aber es sind keine öffentlichen Mittel, die aus Steuergeldern finanziert werden. Die interessante Frage, inwieweit verfassungsrechtlich Bedenken bestehen, können nur dort ansetzen, wo Haushaltsmittel nicht entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen ausgegeben worden sind. Dafür gibt es nach meiner Kenntnis keinen Ansatzpunkt.
Ihre zweite Frage, inwieweit in den Ausschüssen das nicht ausreichend behandelt worden ist, kann ich nicht beantworten, Herr Schiemann. Diese Fragen müssen Sie sich selbst stellen.
(WEITER TEIL 2 (Seite 20 bis Seite 37)