Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 10.01.2002

Der Regierungschef Erwin Teufel im Regionalexpress

So geht es auch - "Ministerpräsident für die einfachen Leute"
 
Erwin Teufel will in Baden-Württemberg ein „Ministerpräsident für die einfachen Leute" sein und ärgert sich, wenn ihn ein Moderator als König tituliert

Auch ein Dreivierteljahr nach der triumphal mit fast 45 Prozent gewonnenen Landtagswahl erzählt Erwin Teufel bereitwillig, was ihn am meisten an dem Ergebnis freue. Bei den Arbeitern sei seine CDU, nicht die Sozialdemokraten, die stärkste Partei gewesen. „Wir sind die Partei der einfachen Leute", sagt Erwin Teufel dann, ich will ein Ministerpräsident für die einfachen Leute sein.' Einfache Leute - mit Begriffen wie diesen hat der 62 Jahre alte Regierungschef keinerlei Probleme. Schon deshalb nicht, weil er, sieht man von den unvermeidlichen Begleitumständen des Amtes wie Dienstmercedes und Bodyguards ab, eigentlich selbst ein ganz normales Leben führt. Wie war es, fragt die Gattin, recht war es, sagt der Gatte, und dann unterhält man sich über etwas anderes: So beschrieben Erwin und Edeltraud Teufel, seit 1962 verheiratet, einmal ihr abendliches Begrüßungsritual.

Die Regierungsvilla hat er nie bezogen

Seit 1991 ist Teufel; Bauernsohn aus Zimmern bei Rottweil, Ministerpräsident. Eine Bilderbuchkarriere, zielstrebig und ordentlich wie es sich im Südwesten gehört: Volksschule, Gymnasium, Verwaltungsfachschule, mit 25 Jahren jüngster Bürgermeister in Spaichingen, danach Landtagsabgeordneter, Fraktionschef und schließlich Ministerpräsident. In die Regierungsvilla in herrlicher Lage beim Schloss Solitude außerhalb Stuttgarts sind die Teufels nicht eingezogen, ihr Zuhause ist das Eigenheim am Fuße des Dreifaltigkeitsberges in der mehr als hundert Kilometer entfernten Kleinstadt Spaichingen am Fuße der Schwäbischen Alb. Wann immer möglich, ist Teufel dort. Über Weihnachten versammelte sich die Familie mit vier Kindern und fünf Enkelkindern zu einem „traditionellen Fest“.

Nur wenn es nicht anders geht, übernachtet Teufel die Woche über in Stuttgart - freilich nicht, wie manch einer der Landtagsabgeordneten während der Sitzungswochen in einem Luxushotel, sondern in einem Zimmer bei den Barmherzigen Schwestern im Marienhospital. Pomp ist dem Arbeitstier Teufel zuwider. Mit Erstaunen stellten die Medien aus dem Norden fest, dass er sein zehnjähriges Regierungsjubiläum beim Empfang eines CDU-Ortsvereins in einer schmucklosen Stadthalle spartanisch feierte. Und als ihn im Wahlkampf ein übereifriger Moderator als „König von Baden-Württemberg“ titulierte, war es Teufel sichtlich peinlich. Jeder Anflug von höfischem Gepränge ist ihm wesensfremd.

Normalerweise beginnt Teufels Arbeitstag um 6.40 Uhr. Dann steigt er in Spaichingen in den Regionalexpress, der in die Landeshauptstadt fährt. In Rottweil kommt seine langjährige Sekretärin hinzu, im reservierten Abteil wird dann die Post gemacht. Wenn der Regierungschef kurz nach acht Uhr in der Villa Reitzenstein, dem Regierungssitz in attraktiver Stuttgarter Hanglage, eintrifft, ist er meist besser informiert als seine Mitarbeiter. Dazu trägt auch Teufels Leselust bei, die kaum Grenzen kennt. Wie ein Schwamm saugt er Informationen aus Akten, Tageszeitungen, Monatszeitschriften und Büchern auf, notiert sich Fakten und Zitate, die er in Gesprächen und Reden einbaut. Andere, gar exotische Hobbys, hat er nicht. „Lesen", sagt er, „ist mein ein und alles.“

Die Bescheidenheit wirkt nicht aufgesetzt

Gerne erzählt Teufel die Geschichte, wie er als Kind - er war das Älteste von acht Geschwistern - das Taschengeld sparte, um sich den „Kicker" und das "Sportmagazin" zu kaufen. Damals war Sportreporter sein Berufswunsch, jetzt ist er als Ministerpräsident das, was er immer sein wollte. Die Bescheidenheit ist geblieben und sie wirkt nicht aufgesetzt, auch wenn jahrelange Beobachter sie mitunter als Mangel an Glanz, als allzu biedere Bodenständigkeit brandmarken.

Dass Teufel wie sein Vorgänger Lothar Späth wegen von Firmenchefs bezahlten Ferien im Mittelpunkt einer Affäre stehen könnte, halten selbst Übelmeinende für ausgeschlossen. Teufel urlaubt mit Gattin Edeltraud, die ohne Leibwächter und eigenes Büro auskommt und offizielle Termine zurückhaltend wahrnimmt, regelmäßig im Frühjahr in der eigenen Ferienwohnung in Überlingen am Bodensee. Kein Wachpersonal, kein Sicherheitszaun, kein Koch, kein Dienstmädchen. Sie sehen aus wie die Nachbarn von nebenan, hat ein Beobachter festgestellt.

Sieht man von dem, inzwischen wohl auch ihm peinlichen Versuch ab, sich die Haare rötlich zu färben, legt Teufel auf Äußerlichkeiten wenig Wert. Gerne zitiert er den Vers August Lämmles: „Titel, Namen, Geld, Befrackung sind zum Zwecke der Verpackung, Schale gilt nicht, sondern Perle, wichtig ist allein der Kerle.“ Das kommt immer an - nicht nur bei einfachen Leuten.
(Thomas Durchdenwald)

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