Karl Nolle, MdL

Agenturen, ddp-lsc, 15:48 Uhr, 09.07.2009

Angeblich Tausende Stasi-Spitzel im öffentlichen Dienst

Eggert gegen neue Überprüfung - Beleites verweist auf rechtliche Grenzen
 
Berlin/Halle (ddp-lsc). Rund 17 000 ehemalige Mitarbeiter des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit sollen trotz Überprüfungen immer noch im öffentlichen Dienst der Landesverwaltungen arbeiten. Nach einem Zeitungsbericht vom Donnerstag sind davon 4400 in Sachsen-Anhalt tätig, 4101 in Sachsen, 2942 in Brandenburg, 2247 in Mecklenburg-Vorpommern, 2733 in der Berliner Verwaltung und 800 in Thüringen. Experten und ehemalige DDR-Bürgerrechtler forderten Konsequenzen.

Der Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Michael Beleites, verwies indes darauf, dass die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes nach der seit 2006 geltenden Rechtslage im Freistaat nicht noch einmal auf Stasi-Mitarbeit überprüft werden könnten. Lediglich bei Abgeordneten und Personen in herausragender Funktion sei dies möglich und geschehe auch.

Der CDU-Landtagsabgeordnete Heinz Eggert nannte es «politischen Schwachsinn», nach 20 Jahren «noch einmal eine Komplettüberprüfung im öffentlichen Dienst zu fordern». Etliche Polizisten, die er als sächsischer Innenminister von 1991 bis 1995 «lieber entlassen hätte, die mir aber von den Gerichten wieder zurückgeschickt worden sind», seien inzwischen «in der Demokratie angekommen und leisten eine gute Arbeit».

Eggert hob zugleich hervor, dass man in Sachsen nach der Wende intensiv geprüft habe. Damals seien mehr als 1000 Polizisten wegen Stasi-Tätigkeit entlassen worden und 600 seien von allein gegangen - und das in einer Zeit, in der dem Land 2000 Polizisten gefehlt hätten.

Der Leiter des Forschungsverbundes SED-Staat der Freien Universität Berlin, Klaus Schroeder, sprach indes von sehr standardisierten und oberflächlichen Überprüfungen nach der Wende. Beispielsweise seien Zollbeamte oder Personenschützer zu großzügig behandelt worden. Sie hätten politisch als eher unbedenklich gegolten. Schroeder geht sogar von mehreren 10 000 ehemaligen Inoffiziellen Mitarbeitern der Stasi in Ministerien und Behörden aus. Er sprach von «Dimensionen, die bisher keiner geahnt hat», und forderte deshalb eine klare Offenlegung der Bundesländer.

Auch der Stasi-Beauftragte von Sachsen-Anhalt, Gerhard Ruden, forderte eine erneute Überprüfung des Behördenpersonals. Mittlerweile seien 85 Prozent der Stasi-Akten ausgewertet. Dieselbe Person, die bei der Überprüfung 1993 noch durchgerutscht sei, könne heute als belastet gelten. Mittlerweile heiße es jedoch häufig «Schwamm drüber», kritisierte Ruden. «Verfehlungen, wie es sie bei der Stasi gegeben hat, haben keine Verjährung verdient.»

Der Direktor der Stasiopfer-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, führt die hohe Zahl an ehemaligen Stasi-Mitarbeitern in Behörden auf einen »laxen Umgang« von Bund und Ländern mit dem Thema zurück. Es müsse zumindest dafür Sorge getragen werden, dass sie «keine Leitungsfunktionen ausüben und Einfluss auf Personalentscheidungen nehmen könnten«.

Aus Sicht des SPD-Bundestagsabgeordneten und Bürgerrechtlers Stephan Hilsberg ist entscheidend, in welchen Positionen frühere Stasi-Mitarbeiter heute im öffentlichen Dienst arbeiten. Es sei zu akzeptieren, wenn sie etwa als Pförtner tätig seien.

Von Tino Moritz und Kerstin Münstermann

(Quellen: Ruden auf ddp-Anfrage; Eggert in Mitteilung und «Mitteldeutscher Zeitung»; Beleites auf MDR Info; Knabe bei »Handelsblatt.com«; Schroeder in der »Financial Times Deutschland»; Zahlen der Stasi-Mitarbeiter in den Bundesländern laut «Financial Times Deutschland»; Hilsberg in «Mitteldeutscher Zeitung»)

ddp/tmo/pon
091548 Jul 09

Karl Nolle im Webseitentest
der Landtagsabgeordneten: