Karl Nolle, MdL

Agenturen, ddp-lsc, 19:26 Uhr, 15.07.2009

Ex-Gastronom erhebt Vorwürfe gegen Tillich wegen Gewerbeentzug

Regierungschef kann sich nicht an Vorgang vor 20 Jahren erinnern
 
Berlin/Dresden (ddp-lsc). Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) gerät im Zusammenhang mit seiner politischen DDR-Vergangenheit erneut unter Druck. Der Regierungschef wird von einem inzwischen 66-jährigen Rentner belastet, ihm durch Entzug der Gewerbeerlaubnis für eine Großgaststätte im Sommer 1989 das «Leben ruiniert» zu haben. Der Mann soll sowohl Opfer als auch Inoffizieller Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit gewesen sein.

Hintergrund ist ein Brief, den Tillich kurz nach seinem Amtsantritt als für Handel und Versorgung stellvertretender Vorsitzender des Rates des Kreises Kamenz im Mai geschrieben haben soll. Laut «Super Illu» und «Welt Online» teilte der damals 30-jährige Funktionär dem 16 Jahre älteren Peter Kurras am 5. Juni 1989 persönlich in einer Postzustellungsurkunde den Entzug der Gewerbeerlaubnis mit. «Dieser Brief hat mein Leben ruiniert», wird der Gastronom zitiert.

Die Staatskanzlei bestätigte unter Verweis auf eine Kopie eines Sitzungsprotokolls des Rates vom 6. Juli 1989, dass die Gewerbegenehmigung per 30. Juni entzogen worden sei. Regierungssprecher Peter Zimmermann fügte jedoch hinzu, dass Tillich «aus der Erinnerung nach über 20 Jahren zu dem Vorgang keine Angaben mehr machen und sich demzufolge zum Sachverhalt auch nicht äußern» könne.

«Gewerbegenehmigungen und Gebewerbeentzüge» hätten «zum laufenden Betrieb» gehört, fügte Zimmermann hinzu. Üblich sei bei Entzügen gewesen, dass die für Kontrollen zuständigen Stellen entsprechende Empfehlungen beim Rat des Kreises einreichten und das zuständige Ratsmitglied eine entsprechende Vorlage zur Beschlussfassung erstellte. «Vermutlich» sei es auch im behaupteten Fall so gewesen.

Laut Vorabbericht der «Super Illu» war Kurras seit Weihnachten 1988 Pächter des «Hutberghotels», einer bei Kamenzer beliebten Großgaststätte auf dem Hutberg mit Blick über die Oberlausitz. Nachdem seine Tätigkeit vom Kamenzer SED-Bürgermeister Peter Gommlich zunächst als «wichtiger und geschätzter Beitrag zur gastronomischen Versorgung unserer Bürger» gelobt worden sei, sei plötzlich die Stimmung gekippt. Der Plan zum Umbau des Biergartens sei abgelehnt worden, es habe mehrere Kontrollen gegeben.

Offiziell begründet wurde der Gewerbeentzug im Beschluss vom Rat des Kreises der «Super Illu» zufolge unter anderem mit «Unvollständigkeit von Preisnachweisunterlagen für Speisen und Getränke» und «Ignorierung von Vorladungen durch Staatsorgane». Tillich habe Kurras die Entscheidung schließlich am 5. Juni mitgeteilt.

Kurras glaube, dass seine «politische Vorstrafe» dafür ausschlaggebend war und die Stasi dahinter stecke. Er soll als 17-jähriger Fleischerlehrling von der Stasi verhaftet und anschließend wegen «feindlicher Nachrichtenübermittlung» und «Spionage» verurteilt worden sein. Nach 27-monatiger Haft, die meiste Zeit davon in Bautzen, sei er 1963 entlassen worden. Später sei er von der Stasi als IM angeworben worden und habe auch für eine Spezialabteilung der Kriminalpolizei unter dem Decknamen «Dietrich» Informationen geliefert. «Welt Online» zufolge blieb Kurras eine Opferrente bis heute verwehrt, weshalb er mit 600 Euro im Monat auskommen müsse.

Tillich steht seit Herbst 2008 wegen des Umgangs mit seiner DDR-Vergangenheit in der Kritik. In der vergangenen Woche hatte die Staatskanzlei nach monatelanger Weigerung einen von Tillich 1999 ausgefüllten Fragebogen für den öffentlichen Dienst zu seiner DDR-Vita veröffentlicht.
Von Tino Moritz

ddp/tmo/fgr
151926 Jul 09

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