Dresden - Hat er parteiintern wegen seinem DDR-Feldzug gegen Stanislaw Tillich (50, CDU) so viel Prügel gekriegt, dass er nun Kreide gefressen hat? SPD-„Chefaufklärer" Karl Nolle (64) - plötzlich ist er ganz sanft. Jetzt sagte Nolle in der „Freien Presse" (Chemnitz): „Vorausgesetzt. es kommt zu einer Koalition CDU-SPD und Tillich soll Ministerpräsident werden, dann wähle ich ihn. Ich habe in den vergangenen 5 Jahren nicht einmal gegen die Koalition gestimmt." Es gebe auch keinen Feldzug gegen die CDU.
Man reibt sich verdutzt die Augen: Noch vor wenigen Wochen hatte Nolle seinen Erzrivalen Tillich verunglimpft, weil er angeblich seinen Lebenslauf gefälscht habe, zog sogar Tillichs Eltern und seine Ehefrau mit hinein.
SPD-Generalsekretär Dirk Panter (35): „Es gab keine interne Abrechnung mit Herrn Nolle. Er hat Herrn Tillich bisher auch gewählt."
Und plötzlich haben sich alle wieder lieb...
Kommentar von Karl Nolle:
Es ist schon interessant, dass eine demokratische Binsenweisheit, wenn die Wähler wieder eine Koalition von CDU/SPD in Sachsen wollen und wenn dann die CDU Herrn Tillich benennt, dass dann alle Abgeordneten einer Koalition diesen Kandidaten zum Ministerpräsidenten wählen. bei der Bildzeitung aber nicht nur da soviel Aufmerksamkeit erfährt Wenn meine angeblich "überraschende" Aussage eine Lektion in Sachen Demokratie und Parlamentarismus gewesen sein sollte, wäre viel gewonnen.
An der auch in meinem Buch "Sonate für Blockflöten und Schalmeien" geäußerten grundsätzlichen Kritik an der Rolle der Blockflötenfunktionäre in der DDR und ihr heutiger Umgang damit, habe im Freie-Presse-Interview nichts zurückgenommen (warum auch), als ich sagte:
"Auf jeden Fall haben sie (die Diskussionen um Tillich) die Demokratie in Sachsen gefördert. 20 jahre Heuchelei und Doppelmoral von CDU-Partei- und Staatsfunktionären über ihre Systemfunktion in der DDR kamen nun zur Sprache. Hätte Tillich im Herbst 2008 gleich rein Schiff gemacht, wäre heute Ruhe."
"Es gibt keinen Feldzug gegen die CDU oder gegen DDR-Biografien, nur gegen einige wenige Karrieristen und deren Umgang mit ihrem DDR-Lebenslauf. In der CDU gibt es sehr gute Leute, mit denen man gut Kooperieren kann. Willy Brandt hat einmal gesagt: Demokratie ist Kontrolle von Macht. Das ist mein Thema."
"Dabei habe ich mich gefragt, wann redet die CDU einmal über ihre eigene Rolle (in der DDR) ? Offensichtlich war, dass für sie selbst komplett unterschiedliche Maßstäbe als für andere galten, womit viele Ungerechtigkeiten der Nachwendezeit zu erklären sind."
Bild schreibt: ... zog sogar Tillichs Eltern und seine Ehefrau mit hinein.
Hierzu frage ich: "Seit wann ist es in unserer freiheitlich demokratischen Mediengesellschaft ein Tabu, diejenigen Mitglieder einer Familie zu erwähnen, in ihren politischen Tun zu beschreiben und zu beurteilen, die mit politischen Mandaten und Funktionen in der Öffentlichkeit agieren oder die öffentlich präsentiert werden?
Warum sollten ausgerechnet, eine Schöffin beim sozialistischen Kreisgericht, die auf die sozialistischen Gesetzlichkeit der DDR verpflichtet und öffentlich geehrt wurde, ein Erster Sekretär der SED, der auf der Liste der Nationalen Front zusammen mit seinem Sohn zu den Kreisrtagswahlen kandidiert, der in die DDR-Wahlkommission, ins höchste Gremium zur jeweiligen Absegnung der gefälschten Wahlergebnisse entsandt wurde und eine (hauptamtliche) politische Instrukteurin der Ost CDU (SED Jargon: Sekretärin für Agitation und Propaganda), die es als First Lady des Freistaates zusammen mit unserem Ministerpräsidenten mit eindrucksvollen Fotos ihrer Audienz beim Papst und mit schwarzem Hut, in alle Zeitungen geschafft hat, zu einem familiären, ganz persönlichen Tabubereich gerechnet werden?
Das muss man sich umso mehr fragen, da diese ganz normale politische DDR Funktionärsfamilie noch am 1. Oktober 2008 im Dresdner Wochenkurier von Stanislaw Tillich ganz im Gegensatz zur Realität so ganz anders beschrieben wurde:
"Ich war damals 30 Jahre alt, junger Familienvater und habe mit meiner Frau und den Kindern auf dem Land gelebt. Mit Politik hatte ich wenig zu tun. In die Blockpartei CDU bin ich eingetreten, damit ich Ruhe vor der SED hatte. Ich war kein Oppositioneller, sondern habe es wie viele andere gemacht, mir eine Nische gesucht und mich in meinem Heimatdorf in eine kleine Gemeinschaft der Kirche zurückgezogen.“