Karl Nolle, MdL

Süddeutsche Zeitung, 07.08.2009

Erloschenes Feuer - SPD im Umfragetief

Die SPD, Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier - und das Umfragetief: Warum die Sozialdemokraten einfach keinen Erfolg mehr haben.
 
Auf der Suche nach Erfolg: Frank-Walter Steinmeier 

Auf der Suche nach Erfolg:
Frank-Walter Steinmeier (Foto: dpa)

Das Sprichwort ist gnädiger als die Realität: "Wenn du denkst, es geht nicht mehr, dann komm irgendwo ein Lichtlein her." Aber bei der SPD mag das Lichtlein einfach nicht kommen.

Es kommt kein Lichtlein, ihr werden stattdessen in jeder neuen Umfrage noch ein paar Prozentlein ausgeblasen. Das ist ungerecht - die Sozialdemokraten machen ihre Regierungsarbeit nicht schlechter als die Christdemokraten. Aber Gerechtigkeit ist keine Kategorie, wenn es um das Wahlverhalten geht.

Ansonsten dürften die Freidemokraten nicht so gut dastehen, solange sie nicht Rechenschaft abgelegt haben über ihre gigantischen neoliberalen Irrtümer. Das hat die FDP nie getan. Ausgerechnet die Partei, deren Ideologie die Finanz- und Wirtschaftskrise angerichtet hat, geht aus der Krise als Gewinner hervor.

Die FDP ist die Partei, die jahrelang den nun gescheiterten Lehrsatz gepredigt hat, dass die Wirtschaft am allerbesten funktioniert, wenn sich der Staat möglichst wenig einmischt; sie hat die Selbstregulierungskräfte des Marktes als Allheilmittel verkündet. Der Wähler hat ihr diesen furchtbaren Irrtum nicht krummgenommen. Die FDP boomt wie nie zuvor. Dem Brandstifter traut man anscheinend die große Kompetenz beim Löschen zu.

Lasten der Vergangenheit

Mit der Vergangenheit der SPD geht der Wähler nicht so gnädig um. Die Agenda 2010 liegt auf der Partei wie eine Grabplatte. Niemand stemmt sie weg. Der Wahlkampf der SPD besteht partiell immer noch daraus, sie zu verteidigen. Das mag tapfer sein, ist aber nicht erfolgversprechend. Der Parteivorsitzende Franz Müntefering weist auf Hartz IV, als handele es sich um einen Ruhmestempel der Sozialdemokratie, er preist die Hartz-Reform als Symbol dafür, wie entschlossen die SPD regiert. Für Hunderttausende ehemalige sozialdemokratische Wähler ist Hartz IV Symbol und Praxis der Verirrung.

Und nicht wenige Wähler und Nicht-mehr-Wähler leiden tagtäglich an den Verschärfungen, die Hartz IV gebracht hat - und machen die SPD dafür verantwortlich. Und so wird Schröders Agenda 2010 zu einem Denkmal der Selbstentsorgung der SPD. Zumal der müde-routinierte Parteichef Franz Müntefering den Fehler macht, den Wahlkampf partiell auch noch mit einer Hartz-IV-Verteidigung zu bestreiten.

Das ist schon deswegen töricht, weil die Grundregel des Wahlkampfes lautet, dass man ihn nach vorn, nicht nach hinten führt. Die FDP macht ihren Wahlkampf ja auch nicht mit der Behauptung, dass ihr Marktradikalismus richtig und mutig gewesen sei und man davon kein Wort zurückzunehmen habe. Die SPD aber meint, sie könne mit einem "Weiter so" gewinnen: "Weiter so mit Hartz IV", "weiter so in Afghanistan", "alles richtig so".

Der "Deutschland-Plan" Steinmeiers ist fürwahr nicht schlecht, aber er kommt wohl zu spät, um große Wirkung zu entfalten. Die von ihm geplante Ökologisierung der Wirtschaft ist ein atemberaubendes Projekt - eines, das wirklich die Chance birgt, Arbeitsplätze zu schaffen: Aber Steinmeier schafft es, seine Pläne so vorzustellen, dass man dabei einschläft.

Mangelnde Begeisterung

Nur wer selbst begeistert ist, kann andere begeistern: Dieser Satz Oskar Lafontaines auf dem berühmt-berüchtigten SPD-Parteitag von Mannheim gilt wie eh und je - aber noch nie war die SPD so weit entfernt davon.

Noch mehr als unter Hartz IV leidet die SPD unter mangelnder Begeisterung. Da ist kein Feuer, nirgends. Steinmeier ist so, wie er ist: Ein integrer, fleißiger, gescheiter Politiker - aber ohne Glanz und Glamour. Aus einem Ackergaul wird kein Zirkuspferd. Das muss auch nicht sein, wenn da eine Mannschaft wäre, die das ausstrahlt, was dem Kanzlerkandidaten Steinmeier fehlt. Aber diese Mannschaft gibt es nicht.

Nach der für sie desaströsen Europawahl hat die SPD plakatiert: "Jetzt Mitglied werden." Das war so verzweifelt mutig, dass es einem Respekt abnötigt. Vielleicht ist es das, was der SPD helfen wird: Der Respekt davor, wie eine alte Partei ihre große Krise mit Anstand und einem anständigen Kandidaten durchsteht.
Ein Kommentar von Heribert Prantl
 

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