Dresden. Countdown in Dresden: Wenige Tage vor der Landtagswahl laufen die Vorarbeiten auf Hochtouren. Im Landtag bauen Techniker Scheinwerfer und Tische für Talkrunden auf. Hinter den Kulissen aber machen bereits Planspiele der Polit-Strategen für die Zeit danach die Runde. Der Personalpoker ist voll im Gange.
Wer derzeit durchs Landesparlament geht, muss aufpassen, dass er nicht über Kabeltrommeln stolpert. Überall werkeln Mitarbeiter von TV-Sendern an Stellflächen, draußen sind die Bereiche für die Übertragungswagen längst abgesperrt. Der Landtag bereitet sich auf den Wahlabend vor. Und auch wenn absehbar ist, dass sich die Blicke der Bundesmedien eher auf Erfurt richten, dürfte das Gerangel an der Elbe erheblich sein.
Insgesamt werden am Sonntagabend über 20 Fernseh- und Rundfunksender aus Dresden berichten, die überregionalen und sächsischen Medien sowieso. Über 700 Mitarbeiter sind akkreditiert. Doch während Journalisten und Studioleiter über Zeitplänen und Szenarien brüten, denkt die Politik bereits über den Wahltag hinaus. Wer wird was in der neuen Regierung und im Landtag?, lautet die Frage. Und: Wer hat schlechte Karten, fliegt hinaus?
Dabei drehen sich alle Planspiele um die Union. Laut Umfragen gilt Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) als gesetzt, wird auch das neue Kabinett dominieren – wohl als Chef einer schwarz-gelben Koalition. Damit dürften mindestens vier Minister ihren Hut nehmen, einer freiwillig, die anderen eher nicht. Der eine ist Innenminister Albrecht Butollo (CDU), der in Pension geht; die anderen sind die beiden SPD-Minister Thomas Jurk (Wirtschaft) und Eva-Maria Stange (Wissenschaft) – sowie Justizminister Geert Mackenroth (CDU), der in Planspielen nicht mehr auftaucht.
Spannend wird es danach. Die FDP könnte im Fall der Fälle wohl zwei Ressorts erhalten, Wirtschaft und – vielleicht – Justiz. Doch auch bei den CDU-Ministern stehen offenbar Verschiebungen an. So wird Staatskanzleiminister Johannes Beermann, der in der Debatte um die DDR-Vita von Tillich nicht immer glücklich agiert hat, intensiv als Nachfolger von Buttolo im Innenressort gehandelt.
Als Nachfolger könnte sich Tillich einen neuen Mann nach Sachsen holen, heißt es. Doch auch der Name des Ex-CDU-Fraktionsmanagers und jetzigen Staatssekretärs Erhard Weimann fällt. Kontinuität gibt es wohl im Falle von Frank Kupfer, der weiter für Landwirtschaft zuständig sein dürfte – und eventuell auch für Roland Wöller im Bereich Kultus. An Ressortchef Georg Unland (parteilos) dürfte Tillich ebenfalls festhalten, aber nicht notwendig als Finanzminister. Das hat mit einer Personalie zu tun, die bisher im Kabinett keine Rolle spielt: Matthias Rößler. Den hatte Tillich-Vorgänger Georg Milbradt 2004 entlassen, er gilt aber als ausgesprochen ehrgeizig. Tillich, heißt es in CDU-Kreisen, könnte Rößler wieder einbinden – um Ruhe zu haben.
Für Sozialministerin Christine Clauß gilt das weniger. Zwar ist sie derzeit die einzige Frau in einer möglichen Ministerriege, könnte aber trotzdem gehen. Grund: Im Amt ist sie farblos, und Tillich könnte auf eine externe Frau aus dem Kommunalbereich zurückgreifen – auf die CDU-OB von Riesa, Gerti Töpfer, zum Beispiel. Clauß wiederum könnte dann Landtagspräsidentin werden, nachdem der bisherige Amtsinhaber Erich Iltgen (CDU) nach 19 Jahren eingesehen hat, dass es Zeit wird zu gehen. Doch gibt es in Planspielen an dieser Stelle auch andere Varianten: So fällt auch hier der Name von Rößler, was Vizepräsidentin Andrea Dombois (CDU) gar nicht gefallen dürfte. Schließlich soll auch sie ein Auge aufs hohe Amt geworfen haben.
So eifrig der Personalpoker die Parteistrategen beschäftigt, so klar ist, dass für Kapriolen kaum Zeit bleibt. Berlin drückt aufs Tempo, CDU-Kanzlerin Angela Merkel, heißt es in Dresden, setze auf ein schnelles, klares Signal aus Sachsen vor der Bundestagswahl – für Schwarz-Gelb, versteht sich. Entsprechend eng ist der Terminplan. Schon kommende Woche sollen erste Weichen gestellt werden, bereits drei Wochen nach der Landtagswahl soll der Koalitionsvertrag stehen. Denn am 19. September plant die CDU einen Landesparteitag. Für Tillich hat die Eile allerdings einen Nachteil. Er kann nicht wirklich mit Optionen jenseits der Liberalen spielen. FDP-Chef Holger Zastrow dürfte das wissen – und es beim Koalitionspoker ausgiebig nutzen.
Von JÜRGEN KOCHINKE