Dresden. Nach dem Rücktritt von Sachsens SPD-Chef Thomas Jurk rückt voraussichtlich Fraktionschef Martin Dulig (35) an die Spitze. Hubert Kemper sprach mit ihm.
Freie Presse:Wie fühlen Sie sich kurz vor der vollständigen Machtübernahme in der sächsischen SPD?
Martin Dulig: Was heißt Macht? Die SPD hat in Sachsen ihre Machtposition eingebüßt. Nun müssen wir unsere Truppe neu aufstellen.
Freie Presse: Ängstigt es Sie nicht, wenn Sie die Schicksale Ihrer Vorgänger betrachten, die nach Wahlschlappen ihren Hut nehmen mussten?
Dulig: Nein. Ich werde, wenn es zu meiner Wahl kommen sollte, dem Parteitag sagen, dass die SPD mit mir einen langen Weg gehen muss. Der kann nicht in fünf Jahren zum Ziel führen und wird sicher noch einige Rückschläge bescheren.
Freie Presse: Die Wähler haben die Regierungsbeteiligung nicht honoriert. Was hat die SPD falsch gemacht?
Dulig:Die Regierung hat uns gut getan. Das klingt zwar paradox, aber die SPD hat ihre Regierungsfähigkeit erlernt und bewiesen. Das ist notwendig, denn wir wollen keine Dauer-Oppositionspartei sein.
Freie Presse: Hatte Ihr Spitzenkandidat Jurk zu wenig Ausstrahlung?
Dulig:Nein, das bestätigen uns Wahl-Analysen. Erstmals seit 1990 haben sich über 20 Prozent der Wähler für uns nicht nur aus Vernunftgründen, sondern des Spitzenkandidaten wegen für die SPD entschieden. Weil er so glaubwürdig ist.
Freie Presse: Warum haben Sie es nicht geschafft, spürbar zuzulegen?
Dulig:Vielleicht auch deswegen, weil die SPD noch nicht ausreichend in der Gesellschaft verankert und zu stark in Nischen verhaftet ist.
Freie Presse:Oder weil Einzelkämpfer Karl Nolle nicht einzubinden ist?
Dulig: Auch das ist eine Aufgabe, die ich unter Neubeginn verstehe. Ich bin Sozialpädagoge und Nolle wird mit gebührender Demut sein eigenes Wahlergebnis betrachten.
Freie Presse: Wie wollen Sie die SPD inhaltlich profilieren?
Dulig: Wir haben Wahlkampf gegen Schwarz-Gelb geführt. Wir wollten mitregieren und Verantwortung übernehmen. Das hat uns einen deutlichen Stimmenzuwachs aus dem linken Reservoir beschert. Unser Profil heißt SPD. Das werden wir schärfen - ohne Einordnung in Rechts-Links-Schemen.
Freie Presse: Überrascht Sie das Tempo der Koalitionsgespräche zwischen CDU und FDP?
Dulig: Die so genannten Sondierungsgespräche waren eine absolute Farce. Offensichtlich hat Tillich das Heft nicht in der Hand, stattdessen diktiert die CDU-Zentrale in Berlin. Partei-Interessen werden also über Landesinteressen gestellt. Das schadet Sachsen.
Anmerkung von Karl Nolle: Einen langen Weg kündigt Martin Dulig an. Aber was bedeutet das? Mit welchen Inhalten wollen wir uns auf den Weg machen? Neuanfang mit den bekannten Gesichtern? Ok, aber auch Richtungswechsel? Das wird die sächsische SPD beantworten müssen. Ohne Selbsteinordnung in Links/Rechts-Schemen wird es nichts werden.