DNN/LVZ, 29.09.2009
FDP-Chef Zastrow verzichtet auf Ministeramt
Dresden. Einen Tag vor der Wahl von Stanislaw Tillich (CDU) zum Regierungschef ist in der FDP eine Vorentscheidung gefallen. Nachdem er tagelang gezögert hat, ob er nicht doch Wirtschaftsminister im neuen Kabinett werden will, brach Sachsens FDP-Chef Holger Zastrow gestern sein Schweigen. Ergebnis: Der Chef einer Dresdner Werbeagentur verzichtet und bleibt lieber das, was er ist – Fraktionschef.
Das ist im Polit-Betrieb ungewöhnlich. Normalerweise lassen es sich Spitzenkandidaten einer Partei nicht nehmen, zuzugreifen, wenn ein Ministerposten winkt – zumal dann, wenn sie erfolgreich sind. Bei Zastrow ist das anders. „Mein Herz sagt, mach’s nicht“, meinte er gestern, und er habe bisher immer auf seine innere Stimme gehört. Dahinter aber stehen drei handfeste Gründe: Erstens will er seine Agentur weiterführen; zweitens fürchtet er, als Ressortchef von der eigenen Ministerialbürokratie zermürbt zu werden; und drittens will er sein Lieblingsprojekt – den Aufbau der Landes-FDP hin zu einer Volkspartei – nicht gefährden.
Damit steht die Frage an, wer Minister auf FDP-Ticket wird. Zwar hielt sich Zastrow gestern zurück, Hinweise aber gab er schon – vor allem beim Thema, wer es nicht wird. Dazu gehören zwei Abgeordnete, die in der Vergangenheit schon als Wirtschaftsminister gehandelt wurden: Torsten Herbst und Andreas Schmalfuß. Beide sind nun kein Thema mehr. Denn der eine soll nach Zastrows Wunsch Parlamentarischer Geschäftsführer bleiben, der andere Landtagsvizepräsident werden. Beide Funktionen aber vertragen sich nicht mit der Rolle eines Ministers.
So läuft nun alles auf jenen hinaus, der von Zastrow gestern nicht namentlich genannt wurde: auf den Leipziger FDP-Abgeordneten Sven Morlok. Für den zweiten FDP-Posten im Kabinett, den Justizminister, gilt Jürgen Martens als gesetzt. Damit würde Zastrow zwar zwei ursprünglich aus dem Westen stammenden Liberalen zu Amt und Würden verhelfen, doch auch hier hat der FDP-Chef eine Erklärung. „Diese Ost-West-Kiste“, sagte Zastrow mit Inbrunst, „gibt’s bei mir nicht.“ Als Staatssekretär im Wirtschaftsressort ist weiter eine Spitzenkraft aus der Vereinigung der sächsischen Wirtschaft (VSW) im Gespräch. Hier fällt immer wieder der Name von VSW-Geschäftsführer Hartmut Fiedler.
Von der Fraktion erhielt Zastrow Rückendeckung. So sprachen sich gestern Abend alle 13 anwesenden FDP-Abgeordneten für den 40-Jährigen als Fraktionschef aus. Ebenso klar war das Votum für Herbst: Zastrows rechte Hand erhielt ebenso 13 Stimmen.
Bei der konstituierenden Sitzung im Landtag soll heute nicht nur Tillich zum Regierungschef gewählt werden, sondern auch Ex-Minister Matthias Rößler (CDU) zum Landtagspräsidenten. Fest steht dabei, dass Tillich auf Gegenkandidaten stößt. So kündigte die rechtsextreme NPD an, sie schicke den Abgeordneten Johannes Müller ins Rennen. Der ist zwar chancenlos, die Neonazi-Fraktion hofft aber offensichtlich auf einen erneuten Eklat. So erhielt der NPD-Kandidat 2004 bei der Wahl von Tillich-Vorgänger Georg Milbradt (CDU) in zwei Wahlgängen jeweils zwei Stimmen mehr, als die Partei Abgeordnete stellte. Die SPD reagierte gestern umgehend und will nun ihrerseits Fraktionschef Martin Dulig als „Zählkandidaten“ aufbieten. Damit sollen die Abgeordneten ihre Stimmen nicht ungültig machen müssen, wenn sie weder Tillich noch Müller wählen wollen.
von Jürgen Kochinke