Karl Nolle, MdL

Agenturen, ddp-lsc, 10:27 Uhr, 03.10.2009

Zum 7. Oktober: «Aufbruch aus Unfreiheit» - die Geburt der Ost-SPD

 
Schwante/Potsdam (dpa) - «Das größte Geschenk, dass wir der DDR zum 40. Jahrestag machen konnten, war die Gründung der Ost-SPD.» Noch heute wundert sich Mitinitiator Steffen Reiche darüber, in welch kurzer Zeit es vor 20 Jahren trotz Stasi-Überwachung und Repressalien gegen DDR-Bürgerrechtler gelang, die neue politische Kraft ins Leben zu rufen. Am 7. Oktober 1989 unterzeichneten im Pfarrhaus von Schwante, nördlich Berlins, 43 Männer und Frauen die Gründungsurkunde für die Partei, damals SDP genannt. Den Beteiligten war dabei die Provokation für den DDR-Staat bewusst. Ihnen drohte Gefängnis.

Am 26. August 1989 wurde zur Parteigründung aufgerufen. «Wir definierten uns als Teil der Gesellschaft, der nicht zum Umsturz rief, sondern eine neue Perspektive, eine konkrete Alternative anbot», erinnert sich der Mitbegründer der ostdeutschen Sozialdemokratie, Markus Meckel. «Wir waren sicher, dass dies der Anfang vom Ende der SED-Herrschaft sein würde.» Der Morgen nach Fertigstellung des Aufrufs sei «voll roten Weins und diebischer Freude» gewesen, beschreibt er jenen Tag.

Katz-und-Maus-Spiel mit Stasi

«Normalerweise braucht man ein- bis einhalb Jahre, um eine neue Partei aus der Taufe zu heben», erzählt Reiche. Die DDR- Bürgerrechtler schafften es in wenigen Wochen, doch die Stasi war allgegenwärtig. «Nahe Schwante war zeitgleich ein Motorradtreffen geplant, da hofften wir nicht aufzufallen», erinnert sich Reiche an das Katz-und-Maus-Spiel im heutigen Brandenburg.

«Zur Tarnung sprachen wir gegenüber anderen Personen von einem späteren Datum», erzählt der Potsdamer Pfarrer Konrad Elmer-Herzig, der die Gründungssitzung leitete. Der Ort wurde niemandem laut genannt und Beteiligten nur auf der Landkarte gezeigt. Dokumente, seinen Computer und Disketten brachte Elmer-Herzig bei einem befreundeten Pfarrer unter - aus Angst, dass alles konfisziert wird.

Video von Parteigründung gelangte ins Westfernsehen

«Der Ort war clever gewählt, erzählt Brandenburgs früherer Ministerpräsident Manfred Stolpe. Sicherheitskräfte seien in Berlin mit dem Schutz der Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der DDR beschäftigt gewesen. «Als Vertreter der Evangelischen Kirche war ich bei dem Festakt dabei und hörte die jämmerliche Rede von Erich Honecker», sagt er. «Aber auch die lauten Rufe von etwa 3000 abgedrängten Demonstranten nach "Gorbi, Gorbi".» Im Frühsommer 1990 erklärte Stolpe seinen Eintritt in die SPD - auf einer Karte, die eine Karikatur zur Währungsunion zeigte: Darauf tappt ein Mann - blind durch D-Mark-Stücke - von einer Pfütze in die andere.

Reiche brachte westdeutschen Journalisten eine Kopie von der Gründungsurkunde, und ein Videoband fand den Weg nach Westberlin. Abends flimmerte dann im Westfernsehen die Nachricht von einer neuen Partei in der DDR über den Bildschirm - 43 Jahre nach der Zwangsvereinigung von SPD und KPD zur SED.

Nach einem Jahr Vereinigung mit West-SPD

Der Aufbau der Partei war schwierig, Telefonanschlüsse selten. Das Statut wurde mit Blaudruckpapier abgetippt, im Januar 1990 die SDP in SPD umbenannt. Basis- und Initiativgruppen gründeten sich von Rostock bis Suhl. «Es war ein Aufbruch aus den Verhältnissen der Unfreiheit», beschreibt Meckel, was sich damals tat.

In Schwante erinnert heute eine Gedenktafel an die historische Gründung einer sozialdemokratischen Partei in der DDR, die sich ein knappes Jahr nach ihrer Gründung mit der West-SPD vereinigte. Besonders bitter: Ihre beiden Mitbegründer Reiche und Meckel verloren gerade bei der Bundestagswahl ihre Direktmandate - an zwei Kandidaten der Linkspartei.

Von Gudrun Janicke

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011027 Okt 09

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